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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 12 U 169/06
Rechtsgebiete: BGB, VBLS
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 307 | |
VBLS § 43 | |
VBLS § 59 a.F. |
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 12 U 169/06
Verkündet am 15. November 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Abfindung der Betriebsrente
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2007 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 12. Juli 2006 - 6 O 430/05 - im Kostenpunkt aufgehoben sowie im übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abfindung ihrer Betriebsrente. Sie war als Angestellte im öffentlichen Dienst in der Zeit vom 01.11.1980 bis zum 31.12.1989 bei der Beklagten pflichtversichert.
Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Die zum Stichtag bestehenden Anwartschaften wurden betragsmäßig festgestellt, in Versorgungspunkte umgerechnet und auf die neuen Versorgungskonten als so genannte Startgutschriften übertragen. Die Umstellung des Versorgungssystems beruht auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 01.03.2002 (ATV). Die Beklagte hat die Tarifregelungen durch eine Neufassung ihrer Satzung (VBLS) rückwirkend zum 01.01.2002 umgesetzt.
Gemäß Mitteilung vom 23.09.2003 erhielt die Klägerin eine Startgutschrift über 20,46 Versorgungspunkte entsprechend einer monatlichen Rentenanwartschaft von 81,84 €. Seit 01.06.2003 erhält sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente von der Beklagten. Gemäß Mitteilung vom 16.03.2005 beträgt die auf der Grundlage der Startgutschrift errechnete Betriebsrente 74,47 € monatlich. Sie wird jeweils zum 01.07. eines Jahres fortlaufend mit 1 % dynamisiert.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.938,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin könne die Abfindung ihrer Betriebsrente in entsprechender Anwendung von § 59 der bisherigen Satzung (VBLS a. F.) verlangen. Die Berufung der Beklagten auf die Neufassung ihrer Satzung und die Abschaffung der Abfindungsmöglichkeiten in § 43 VBLS sei treuwidrig (§ 242 BGB). Die Klägerin habe bis zur Beendigung der Pflichtversicherung im Jahre 1998 ihre Arbeitsleistung erbracht, so dass gewissermaßen nur noch die Gegenleistung ausstehe. Sie habe zudem unbestritten vorgetragen, dass sie bei Beendigung der Pflichtversicherung und auf der Grundlage der Angaben der Beklagten in einer Rentenauskunft vom 10.06.1999 darauf vertraut habe, dass sie bei Eintritt des Versicherungsfalles statt der Rente eine Abfindung verlangen könne. Demgegenüber wögen die Gründe für das Beharren der Beklagten auf die Satzungsänderung weniger schwer. Rechnerisch dürfte die Beklagte im Ergebnis durch den Abfindungsbetrag nicht mehr belastet werden als durch die Rentenzahlung.
Mit der Berufung beantragt die Beklagte,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Neuregelung ihrer Satzung sei auch gegenüber der Klägerin wirksam. Zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles sei die aktuelle Satzung schon lange in Kraft gewesen. Die Klägerin habe also überhaupt keine Möglichkeit mehr gehabt, sich mit Erfolg abfinden zu lassen. Ein rechtlich geschütztes Vertrauen der Klägerin gäbe es nicht. Die dem angeblichen Vertrauen zugrunde liegenden Angaben der Klägerin würden mit Nichtwissen bestritten.
Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Der geltend gemachte Anspruch auf Abfindung der Betriebsrente durch einen einmaligen Zahlbetrag besteht nicht.
1. Ob eine monatliche Betriebsrente (§ 35 Abs. 1 VBLS) abgefunden werden kann, richtet sich nach § 43 VBLS. Die Beklagte beruft sich insoweit auf § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS in der ursprünglichen, auch im Zeitpunkt des bei der Klägerin eingetretenen Versicherungsfalls (01.06.2003) gültigen Fassung. Danach werden Betriebsrenten, die aus einem Monatsbetrag nach § 35 Abs. 1 berechnet sind, der 30,00 € nicht überschreitet, abgefunden. Außerdem soll die Anstalt gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 der selben Fassung bei Betriebsrenten, die nicht nach Satz 1 abgefunden werden, eine Abfindung anbieten, wenn die Kosten der Übermittlung unverhältnismäßig hoch sind. Außer Betracht bleiben kann im Streitfall die durch die 6. Satzungsänderung vom 17.06.2005 mit Wirkung vom 01.01.2005 eingeführte Absenkung der Abfindungsgrenze nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS auf unter 30,00 € entsprechend dem Betrag, der 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt. Hierauf beruft sich die Beklagte nicht.
§ 43 VBLS wurde vor dem Hintergrund der tarifvertraglichen Abfindungsregelungen in § 22 Abs. 2 ATV in Kraft gesetzt. § 22 Abs. 2 ATV lautet:
"Die Satzung der Zusatzversorgungseinrichtung kann vorsehen, dass Betriebsrenten, die einen Monatsbetrag von bis zu 30,00 Euro nicht überschreiten, abgefunden werden. Darüber hinaus kann die Abfindung der Betriebsrente ermöglicht werden, wenn die Kosten der Übermittlung der Betriebsrenten unverhältnismäßig hoch sind."
2. § 43 VBLS verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einschränkung der Abfindungsmöglichkeit stellt insbesondere keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Dabei kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit die Bestimmungen der Satzung in Anbetracht der §§ 307 Abs. 3 Satz 1, 310 Abs. 4 Satz 3 BGB überhaupt einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen.
a) Bei den Satzungsbestimmungen der Beklagten handelt es sich um Allgemeine Versicherungsbedingungen bzw. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung finden, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen worden sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 142, 103 , 105 ff.; BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a, c). Nach ständiger Rechtsprechung kommt einer Zusatzversorgungseinrichtung bei der Ausgestaltung ihrer Satzung weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Es ist in erster Linie Sache der hinter ihr stehenden Tarifvertragsparteien, hierauf Einfluss zu nehmen (vgl. BGHZ 155, 132, 139; BGH VersR 1986, 360 unter IV), wobei ihnen wiederum durch Art. 9 Abs. 3 GG ein Freiraum bei der Ausgestaltung des der Satzung faktisch vorgelagerten Tarifvertrages zur Verfügung gestellt ist (BGH VersR 2007, 1214 unter I 3 a aa).
b) Hieran gemessen ist die Einschränkung der Abfindungsmöglichkeit in § 43 Abs. 1 VBLS nicht zu beanstanden.
aa) Grundsätzlich wird die Betriebsrente - wie die Bezeichnung nahe legt - als monatliche Rentenleistung gewährt. Darin liegt gerade ein wesentliches Element der Altersversorgung. Dass solche Rentenleistungen monatlich zu zahlen und grundsätzlich nicht durch eine Einmalzahlung abzufinden sind, dient dem Schutz des Berechtigten vor später nicht mehr korrigierbaren Entschlüssen sowie seiner sozialen Sicherheit (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, § 59 VBLS a. F. 1 - B 269). Hiervon ausgehend ist es grundsätzlich berechtigt, wenn nicht gar geboten, die Möglichkeit einer Abfindung weitgehend einzuschränken. Sie ist nur für so genannte Kleinstrenten vorzusehen, die aufgrund ihrer geringen Höhe keinen wesentlichen Beitrag zur Altersversorgung des Berechtigten leisten können und die in Anbetracht dessen bei der Zusatzversorgungseinrichtig einen verhältnismäßig hohen Aufwand verursachen.
Dem trägt die Abfindungsregelung in § 43 Abs. 1 VBLS in vollem Umfang Rechnung. Sie entspricht damit einem berechtigten Interesse der Beklagten und letztendlich auch der Versicherten. Dabei ist die Abfindungsgrenze, bis zu der gemäß Satz 1 eine Betriebsrente stets abzufinden ist, mit einem Monatsbetrag von 30,00 € keinesfalls zu niedrig angesetzt. Auch die Soll-Regelung in Satz 3, die auf das Verhältnis der Betriebsrente zu den Kosten der Übermittlung abstellt, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht nach Wortlaut und Sinn der genannten Interessenlage. Im Streitfall hat die Klägerin eine unverhältnismäßige Höhe der Übermittlungskosten nicht behauptet.
bb) Die genannten Bestimmungen des § 43 VBLS sind auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie gegenüber der früheren Regelung des § 59 VBLS a. F. die Abfindungsmöglichkeiten einschränken.
Gemäß § 59 Abs. 1 VBLS a. F. waren Versicherungsrenten für Versicherte, die einen Monatsbetrag von 10,00 € nicht überschreiten, abzufinden. Gemäß § 59 Abs. 1 a VBLS a. F. wurden höhere als die in Absatz 1 genannten Versicherungsrenten auf Antrag des Berechtigten abgefunden. Damit trug die frühere Abfindungsregelung der Unterschreitung zwischen Versicherungsrenten und Versorgungsrenten Rechnung. Grundsätzlich - mit Ausnahme der Versorgungsrente einer (anderweit abgesicherten) Witwe, die wieder heiratet, vgl. § 59 Abs. 3 VBLS a. F. - war eine Abfindung nur für Versicherungsrenten vorgesehen. Dabei handelte es sich regelmäßig um Beträge in geringerer Höhe, die nicht dynamisiert wurden (vgl. näher Gilbert/Hesse, a. a. O., § 59 VBLS Anmerkung 1 - B 269). Im Unterschied zur Versorgungsrente erschöpfte sich der Zweck der geringeren Versicherungsrente im Wesentlichen darin, dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Bediensteten einen versicherungstechnischen Gegenwert für die geleisteten Beträge zu gewähren. Ihre Höhe orientierte sich deshalb nicht am Versorgungsgedanken. Vielmehr war sie als statische, auf der Grundlage der eingezahlten Beiträge bzw. Umlagen zu errechnende Leistung konzipiert worden (vgl. BGH VersR 2004, 364 unter II 2 b bb m.w.N.).
Mit der Reform der Zusatzversorgung durch Umstellung auf ein Betriebsrentensystem ist die Grundlage für die Regelung des § 59 VBLS a.F. weggefallen. Die im früheren Gesamtversorgungssystem maßgebliche Unterscheidung zwischen Versorgungs- und Versicherungsrente existiert nicht mehr. Es gibt nur noch eine - einheitlich so bezeichnete - Betriebsrente. Außerdem wird die Betriebsrente, wie sich aus § 39 VBLS ergibt, stets dynamisiert.
c) Ein besonderer Vertrauensschutz kommt Versicherten, bei denen wie bei der Klägerin der Versicherungsfall erst nach in Kraft treten der neuen Satzung eingetreten ist, grundsätzlich nicht zu. Die Satzung der Beklagten stand und steht unter Änderungsvorbehalt (vgl. § 14 VBLS a. F. und n.F.). Eine bestandsgeschützte Anwartschaft auf eine bestimmte Form der Auszahlung der Versicherungsleistung konnte die Klägerin vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht erwerben. Eine unverhältnismäßige Einschränkung ihrer Versichertenrechte aufgrund von § 43 VBLS, der wie dargelegt einem der Zusatzversorgung geradezu immanenten und gewichtigen Interesse entspricht, ist nicht festzustellen.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Berufung der Beklagten auf § 43 VBLS auch nicht als treuwidrig gemäß § 242 BGB angesehen werden. Dies käme nur in Betracht, wenn die Klägerin in besonderem Maße auf die Fortgeltung der alten Satzungsregelung vertraut und durch die Umstellung eine besondere Härte hinzunehmen hätte. Dafür ist jedoch nichts dargetan. Die Klägerin beruft sich insoweit lediglich auf die ihr von der Beklagten mit Schreiben vom 10.06.1999 erteilte Auskunft. Diese lautet in ihrem insoweit wesentlichen Teil:
"Gemäß § 70 a der Satzung (d. S.) erteilen wir Ihnen nachfolgend Auskunft über die Höhe der für Sie bestehenden Anwartschaft auf Versicherungsrente. Bestandteile dieser Rentenauskunft sind die Anlagen 1, 2. Eine Zusage ist mit der Auskunft nicht verbunden.
Nach den derzeit geltenden Satzungsbestimmungen würde Ihre Versicherungsrente monatlich 160,07 DM betragen.
Wir weisen darauf hin, dass nach § 59 d. S. die Möglichkeit besteht, Versicherungsrenten abfinden zu lassen. Der Antrag auf Abfindung kann jedoch erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt werden."
Die Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens auf den dauerhaften Bestand der Abfindungsmöglichkeit nach § 59 VBLS a.F. kann auf diese Auskunft nicht gestützt werden. Sie bezog sich ausdrücklich auf den damaligen Stand der Anwartschaft nach den "derzeit geltenden Satzungsbestimmungen". Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass (irgend) eine Zusage mit der Auskunft nicht verbunden sei. Ein bestimmter Abfindungsbetrag, von dessen Höhe die Klägerin hätte ausgehen können, wurde nicht genannt. Die genannte monatliche Rentenleistung ist ihr nicht vorenthalten worden. Sie entsprach vielmehr der späteren Startgutschrift, die auch der Betriebsrentenmitteilung zugrunde lag.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
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