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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 15 AR 55/04
Rechtsgebiete: ZPO, HGB
Vorschriften:
ZPO § 17 Abs. 1 | |
ZPO § 21 Abs. 1 | |
ZPO § 36 Abs. 1 Ziff. 3 | |
ZPO § 36 Abs. 2 | |
HGB § 25 Abs. 1 |
2. Kommt nach dem Sachvortrag der Antragsgegner ein gemeinsamer Gerichtsstand ernsthaft in Betracht, so ist es im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Sache des Antragstellers, diese Möglichkeit auszuräumen. Gelingt dies nicht, ist der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung in der Regel zurückzuweisen.
Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 15 AR 55/04
11. März 2005
In Sachen
wegen Gerichtsstandsbestimmung
Tenor:
1. Der Antrag des Antragstellers auf Gerichtsstandsbestimmung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens.
3. Der Gegenstandswert für das Bestimmungsverfahren wird auf 150.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller verlangt von den beiden Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnern Zahlung in Höhe von 775.563,01 €. Er beabsichtigt, eine Klage gegen beide Antragsgegnerinnen als Streitgenossen zu erheben. Die Antragsgegnerin Ziff. 1 hat ihren Sitz in K., während die Antragsgegnerin Ziff. 2 ihren Sitz in H. hat.
Mit Schriftsatz vom 01.12.2004 an das Oberlandesgericht Karlsruhe hat der Antragsteller darum gebeten, das Landgericht K. als das zuständige Gericht für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerinnen zu bestimmen. Der Antragsteller hält eine Gerichtsstandsbestimmung für erforderlich, weil ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet sei.
Die Antragsgegnerinnen treten dem Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung entgegen. Sie sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft für die beabsichtigte Klage nicht vorliegen. Im Übrigen unterhalte die Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. eine selbständige Niederlassung, so dass für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin Ziff. 2 der besondere Gerichtsstand der Niederlassung in K. gegeben sei. Der Antragsteller könne daher - die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft unterstellt - Klage gegen beide Antragsgegnerinnen beim Landgericht K. erheben, ohne dass es einer Gerichtsstandsbestimmung bedürfe.
Mit Verfügung vom 11.02.2005 hat der Berichterstatter den Antragsteller auf Bedenken gegen den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung hingewiesen im Hinblick auf § 21 Abs. 1 ZPO. Der Antragsteller hat die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbständigen Niederlassung der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. mit Nichtwissen bestritten. Der Antragsteller vertritt im Übrigen die Auffassung, für eine Gerichtsstandsbestimmung müsse es genügen, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht zuverlässig feststellbar sei.
II.
Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung durch den Senat liegen nicht vor.
1. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist zuständig zur Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 2 ZPO.
2. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft auf seiten der Antragsgegnerinnen für die beabsichtigte Klage vorliegen. Eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO käme in jedem Fall nur dann in Betracht, wenn - ohne eine solche Bestimmung - ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand für die beabsichtigte Klage nicht gegeben wäre. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch.
a) Es besteht ein gemeinsamer Gerichtsstand in K. Der Antragsteller kann Klage gegen beide Antragsgegnerinnen beim Landgericht K. erheben.
Die Zuständigkeit des Landgerichts K. ergibt sich für die Antragsgegnerin Ziff. 1 aus § 17 Abs. 1 ZPO; denn der Sitz der Antragsgegnerin Ziff. 1 liegt in K.. Für die Antragsgegnerin Ziff. 2 ergibt sich die gleiche Zuständigkeit aus § 21 Abs. 1 ZPO (besonderer Gerichtsstand der Niederlassung). Eine Gerichtsstandsbestimmung scheidet - über den Wortlaut von § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO - nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht nur dann aus, wenn beide Antragsgegnerinnen am selben Ort einen besonderen Gerichtsstand haben, sondern auch dann, wenn am allgemeinen Gerichtsstand einer Antragsgegnerin ein besonderer Gerichtsstand für die Klage gegen die andere Antragsgegnerin gegeben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2003 - 15 AR 40/03 -).
b) Der Gerichtsstand der Niederlassung für die Antragsgegnerin Ziff. 2 ergibt sich aus dem übereinstimmenden Sachvortrag der beiden Antragsgegnerinnen.
aa) Die Antragsgegnerinnen (vgl. insbesondere den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin Ziff. 1 vom 19.12.2004) haben im Einzelnen den Geschäftsbereich und die Befugnisse der Niederlassung der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. geschildert. Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. eine selbständige Niederlassung unterhält, die insbesondere selbständig - ohne Genehmigung oder Rücksprache mit dem Hauptsitz - Verträge mit Kunden abschließt. Der zuständige Regionsleiter der Antragsgegnerin Ziff. 2 ist zur Entscheidung über sämtliche Verträge mit Kunden, welche die Niederlassung K. betreffen, befugt.
bb) Die beabsichtigte Klage des Antragstellers hat Bezug "auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung" der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. (vgl. § 21 Abs. 1 ZPO). Der Antragsteller macht Ansprüche geltend, die in der Vergangenheit im Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin Ziff. 1 in K. entstanden seien. Die Haftung der Antragsgegnerin Ziff. 2 möchte der Antragsteller auf § 25 Abs. 1 HGB stützen (Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung), da die Antragsgegnerin Ziff. 2 die Unternehmung der Antragsgegnerin Ziff. 1 durch Betriebspachtvertrag vom 27.06.2003 gepachtet habe. Die Niederlassung der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. ist - aus der Sicht des Antragstellers - die Unternehmensnachfolgerin der Antragsgegnerin Ziff. 1. Aus diesen Umständen ergibt sich ein "Bezug" auf die Niederlassung im Sinne von § 21 Abs. 1 ZPO.
cc) Der Antrag des Antragstellers lässt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, ein gemeinsamer Gerichtsstand sei "nicht zuverlässig feststellbar". Entscheidend ist, dass der Antragsteller die - ernsthafte - Möglichkeit eines gemeinsamen Gerichtsstands in K. jedenfalls nicht ausgeräumt hat. Eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO würde eine positive Feststellung des Senats voraussetzen, dass kein gemeinsamer Gerichtsstand in Betracht kommt. Da der Senat diese Feststellung nicht treffen kann, ist die Möglichkeit eines gemeinsamen Gerichtsstands im Hinblick auf den Sachvortrag der Antragsgegnerin Ziff. 2 der Entscheidung zugrunde zu legen (siehe oben).
aaa) Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ergeben sich aus dem Gesetzeswortlaut. Eine Bestimmung kommt nur dann in Betracht, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nicht begründet ist. Nach dieser Formulierung muss - zumindest in der Regel - feststehen, dass kein gemeinsamer Gerichtsstand besteht. Es reicht nach der Gesetzesformulierung grundsätzlich nicht aus, dass die Frage eines gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstandes offen bleibt.
Wer einen Antrag gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO stellt, muss gegebenenfalls Ermittlungen anstellen, welche gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstände eventuell in Betracht kommen können. Es ist Sache des Antragstellers, durch geeignete Unterlagen oder andere Beweismittel im Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung eine Feststellung zu ermöglichen, dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Die Rolle des Antragstellers im Bestimmungsverfahren unterscheidet sich insoweit nicht von der auch sonst üblichen Rollenverteilung in der Zivilprozessordnung: Wer eine Klage erheben will, ist für die Voraussetzungen der Zuständigkeit des angegangenen Gerichts verantwortlich. Unklarheiten gehen generell zu Lasten des Klägers.
Es ist dementsprechend nicht ausreichend, dass der Antragsteller den Sachvortrag der Antragsgegnerinnen zu einer selbständigen Niederlassung der Antragsgegnerin Ziff. 2 lediglich mit Nichtwissen bestreitet. Wenn der Antragsteller die Angaben der Antragsgegnerinnen nicht ungeprüft übernehmen will (für eine auf diese Angaben gestützte Klage gegen beide Antragsgegnerinnen zum Landgericht K. ohne Gerichtsstandsbestimmung), wäre es seine Sache, den Sachvortrag der Antragsgegnerinnen gegebenenfalls zu überprüfen. Es ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller eine solche Prüfung auch tatsächlich möglich gewesen wäre, beispielsweise durch geeignete Erkundigungen vor Ort bei der Niederlassung der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. oder durch Befragung entsprechender Auskunftspersonen. Für das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung ist entscheidend, dass der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen eines Gerichtsstands der Antragsgegnerin Ziff. 2 in K. gem. § 21 Abs. 1 ZPO nicht widerlegt hat.
bbb) Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO sei auch dann möglich, wenn ein gemeinsamer Gerichtsstand "nicht zuverlässig feststellbar" sei (vgl. BayObLGZ 1985, 314, 317; BayObLG, BB 2003, 2706), handelt es sich um besondere Sachverhaltskonstellationen, die nach Auffassung des Senats einer Verallgemeinerung nicht zugänglich sind. In den beiden zitierten Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landesgerichts war der Sachvortrag der Antragsteller von der Gegenseite nicht bestritten und die vom Bayrischen Obersten Landesgerichts dennoch zumindest erwogene Möglichkeit eines gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands eher fern liegend. Der vorliegende Fall liegt anders: Nach dem Sachvortrag der Antragsgegnerinnen besteht an den Voraussetzungen eines gemeinsamen Gerichtsstands (im Hinblick auf § 21 Abs. 1 ZPO) kein Zweifel. Beide Antragsgegnerinnen sind deswegen einer Gerichtsstandsbestimmung ausdrücklich entgegengetreten. Nach den gesamten Umständen - der Antragsteller hat das Vorbringen der Antragsgegnerinnen lediglich mit Nichtwissen bestritten - kommt ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand - anders als in den vom Bayrischen Obersten Landesgericht entschiedenen Fällen - ernsthaft in Betracht. Es kann daher dahinstehen, inwieweit - den Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landesgerichts folgend - in bestimmten engen Ausnahmesituationen eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO auch dann in Betracht kommen kann, wenn hinsichtlich eines eventuellen gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands noch gewisse Unklarheiten verbleiben.
3. Eine Gerichtsstandsbestimmung lässt sich auch nicht mit der pragmatischen Erwägung rechtfertigen, dass eine Bestimmung des Landgerichts K. als zuständiges Gericht "nichts schadet", da das Landgericht K. - Streitgenossenschaft unterstellt - ohnehin für die beabsichtigte Klage zuständig wäre. Für eine solche "vorsorgliche" Gerichtsstandsbestimmung in erweiternder Auslegung von § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ist nach Auffassung des Senats generell kein Raum (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 10.12.2004 - 15 AR 41/04 -). Bei der Ablehnung einer Gerichtsstandsbestimmung wegen eines gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands lässt es sich zwar generell nicht ausschließen, dass das nach Auffassung des Senats zuständige Gericht die Frage der Zuständigkeit anders beurteilt. Sollte das Landgericht K. seine Zuständigkeit - egal, aus welchen Gründen - für die Klage gegen die Antragsgegnerin Ziff. 2 verneinen, könnte zu diesem späteren Zeitpunkt ein neuer Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung an das Oberlandesgericht Karlsruhe in Betracht kommen. Der Senat berücksichtigt in derartigen Fällen für die Frage, ob ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand gegeben ist, die Rechtsauffassung des mit der Hauptsache befassten Gerichts, ohne diese Rechtsauffassung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Senat, OLGR K. 2004, 257). Bei einer abweichenden Auffassung des Landgerichts K. könnte - sofern die übrigen Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung dann vorliegen - mithin zu einem solchen späteren Zeitpunkt eine Zuständigkeitsbestimmung in Betracht kommen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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