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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 16 WF 31/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss
Geschäftsnummer: 16 WF 31/08
13. März 2008
In dem Rechtsstreit
wegen Unterhalt Kind
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom 24. Januar 2008 - 2 F 295/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 600 €
Gründe:
Der inzwischen ausgeschiedene Beklagte P. S. (im folgenden: Beklagter) ist ein am ... 1989 geborener Sohn des Klägers. Der Kläger hatte sich in einem am 4. März 2004 vor dem Amtsgericht Mosbach abgeschlossenen Vergleich verpflichtet, an den Beklagten und dessen am ... 1992 geborenen Bruder A.S. als Unterhalt den jeweiligen Regelbetrag der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Zuletzt unter dem 25. Juni 2007 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger seine noch bis März 2007 - bis Volljährigkeit also - aufgelaufenen Unterhaltsrückstände mit insgesamt 535,60 € beziffert und erklärt, dass "nunmehr der Unterhalt für P. wegfällt".
In der vorliegenden Sache reichte der Kläger eine den Unterhaltsanspruch des Beklagten ab Oktober 2007 leugnende Abänderungsklage ein und begründete diese mit der inzwischen eingetretene Volljährigkeit des Beklagten und eigener Leistungsunfähigkeit. Die Abänderungsklage verband der Kläger mit einem auf § 14 Nr. 3 GKG gestützten Antrag auf unverzügliche Zustellung der Klage und mit einem Prozesskostenhilfegesuch. Das Amtsgericht ließ die Klage dem Beklagten formlos zuleiten "zur Kenntnis- und Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch". Der Beklagte ließ ein Anerkenntnis und den Antrag ankündigen, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, da er bereits seit März 2007 keinen Unterhalt mehr verlange und dies so auch unter dem 25. Juni 2007 erklärt habe.
Der Kläger erklärte, dass Beklagter nicht der Sohn P.S., sondern der minderjährige Sohn A.S. sein solle und reichte eine entsprechend korrigierte Klagschrift ein.
Auf Antrag des Beklagten beschloss das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, dass der Kläger die dem ursprünglichen Beklagten P.S. entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen habe.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat ihm zu Recht analog § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auferlegt, die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen.
I.) Anhängig war eine Klage, nicht nur ein Prozesskostenhilfegesuch. Der Kläger hat zwar die Klage mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbunden. Ob sich allein schon daraus ergibt, dass die Klage durch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufschiebend bedingt sein sollte, kann dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird bei gleichzeitiger Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs und einer Klage- bzw. Antragsschrift neben dem Prozesskostenhilfegesuch auch der Rechtsstreit als solcher anhängig, es sei denn, der Antragsteller stellt eindeutig klar, dass er den Antrag nur unter der Voraussetzung der Prozesskostenhilfebewilligung stellen will, etwa indem er dies im Text selbst unmissverständlich kundtut oder die Antragsschrift nur als Anlage zum Prozesskostenhilfegesuch einreicht, als Entwurf bezeichnet oder nicht unterschreibt (BGHZ 4, 328, 333, 334; BGH v. 12. 11. 1986 - IVb ZB 67/85 -, FamRZ 1987, 362, 364; Urteil v. 22.05.1996 - XII ZR 14/95 - FamRZ 1996, 1142). Hier jedenfalls hat der Kläger außerdem beantragt, die Klage sofort zuzustellen, ohne dass er zuvor den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss geleistet hatte. Daraus wird deutlich, dass er die Klage nicht als durch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bedingt ansehen wollte. Das Amtsgericht hat zwar die mit dem Prozesskostenhilfegesuch und dem auf § 65 Abs. 7 GKG gestützten Antrag verbundene Klage dem Beklagten nur zur Kenntnis- und Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch zugeleitet. Dies ist indessen ohne Belang. Der Kläger, nicht das Gericht, bestimmt, ob eine Klage als durch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufschiebend bedingt angesehen werden soll. Im übrigen stand es dem Amtsgericht frei, den Beklagten ausdrücklich zu einer Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfegesuch aufzufordern, ihm im übrigen formlos rechtliches Gehör zu dem auf § 65 Abs. 7 GKG gestützten Antrag zu geben.
II.) Der Beklagte hat dem Parteiwechsel stillschweigend zugestimmt - unabhängig davon, ob seine Zustimmung vor Rechtshängigkeit überhaupt erforderlich war.
III.) Der Kläger will die Klage gegen den Beklagten nicht weiterverfolgen. Dies rechtfertigt eine entsprechende Anwendung des § 269 ZPO (BGH, Urt. v. 12. Dezember 2005 - V ZR 230/04 - NJW 2006, 1351).
IV.) § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO erlaubt auch allgemein, die Kosten der vor ihrer Zustellung zurückgenommenen Klage dem Kläger aufzuerlegen. Sind der bisherige Sach- und Streitstand und billiges Ermessen das Kriterium dafür, wem die Kosten aufzuerlegen sind, kommt hierfür auch der Kläger in Frage. Dafür sprechen auch Sachgründe.
1.) Bis zur Einführung der Vorschrift durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, 1887), neugefasst durch Art. 1 Nr. 7 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes (BGBl. I, 2198), war eine Kostenentscheidung nach § 269 ZPO in der damaligen Fassung nur nach Rücknahme der rechtshängigen Klage möglich. Für die Rücknahme vor Zustellung sah man auch kein Bedürfnis. Auch eine analoge Anwendung des § 269 ZPO auf eine Rücknahme der noch nicht rechtshängigen Klage wurde verneint (vergl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. 1996 § 269 Rn. 7 m.w.N.; Blomeyer, Zivilprozessrecht Erkenntnisverfahren 2.Aufl. 1985 S. 330; vergl. auch noch BGH, Beschluss v. 18. Nov. 2003 - VIII ZB 72/03 - FamRZ 2004, 697 und die hierdurch provozierte Ergänzung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO durch den jetzigen Halbsatz 2: "dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde").
2.) Anlass für die Einfügung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO war, dass man es als unbefriedigend ansah, dass der Kläger, der die Klage zurückgenommen hatte, unbeschadet eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs kraft Gesetzes selbst dann verpflichtet war, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn der Beklagte Anlass zur Klage gegeben und der Kläger nach Wegfall dieses Anlasses unverzüglich die Klagrücknahme erklärt hatte (Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode Drucksache 14/4722 S. 81 li.Sp.). Wie in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Nov. 2003 (a.a.O.) dargelegt und nunmehr auch in § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 ZPO klargestellt ist, besteht in solchen Fällen ein Bedürfnis, trotz Klagrücknahme dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, auch dann, wenn die Klage vor Zustellung zurückgenommen wurde.
3.) Ein Bedürfnis, nach Rücknahme der nicht zugestellten Klage die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, ist damit zwar noch nicht begründet. Gleichwohl muss die Möglichkeit eingeräumt sein. Denn es wäre unerträglich, wenn es nur erlaubt wäre, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, den Beklagten aber wegen seines - zugegeben seltenen (vergl. BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006 - VI ZR 224/05 - JurBüro 2007, 249) - materiellen Kostenerstattungsanspruchs auf den Weg einer gesonderten Klage zu verweisen.
V.) Das Amtsgericht hat auch in dem hier vorliegenden Fall zu Recht die Kosten dem Kläger auferlegt.
1.) Allerdings hat der Kläger den Parteiwechsel nicht deshalb vorgenommen, weil der Anlass, Klage gegen den Beklagten einzureichen, vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, sondern deshalb, weil er noch rechtzeitig vor Zustellung der Klage bemerkt hat, dass er im Begriff war, den falschen Beklagten in Anspruch zu nehmen. Dies verschließt indessen nicht die Möglichkeit, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Dass der Anlass für die Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, ist nicht Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Kostenentscheidung möglich ist, sondern Kriterium dafür, wem die Kosten aufzuerlegen sind.
2.) § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO wird in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur bereits über seinen Wortlaut hinaus angewendet.
a) Die Bestimmung gilt auch dann, wenn der Klageanlass bereits vor der Einreichung weggefallen war (OLG München, B. v. 12. März 2004 - 29 W 2840/03 - OLGR 2004, 218 - m.w.N.).
b) Sie ist aber auch allgemein anwendbar auf jeden Fall der Klagerücknahme - im technischen oder untechnischen Sinne - vor Rechtshängigkeit. Gesetzgeberischer Anlass für die Bestimmung war, wie erwähnt, dass man für den Fall der Erledigung der Hauptsache zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit eine befriedigende gesetzliche Regelung vermisste, wenn der Beklagte Anlass zur Klagerhebung gegeben, der Kläger einen materiellen Kostenerstattungsanspruch hatte und im Fall einer Erledigung der Hauptsache dem Beklagten gem. § 91 a ZPO die Kosten aufzuerlegen gewesen wären. Wenn die neue Bestimmung es aber auch erlauben soll, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, wäre sie dann, wenn Voraussetzung für ihre Anwendung der Wegfall des Klageanlasses wäre - was überwiegend bereits zu einer Kostenentscheidung zu Lasten des beklagten führen dürfte -, weitgehend gegenstandslos. Es fiele nicht der Fall darunter, dass der Kläger die Klage nach besserer Einsicht zurücknimmt.
c) Eine ausgewogene Auslegung und die Rücksicht auf die mit der Bestimmung verfolgte Prozessökonomie zwingen also zu der Annahme, dass Wegfall des Klageanlasses nur ein Kriterium von mehreren dafür ist, wem die Kosten aufzuerlegen sind.
3.) Der Beklagte hat auch den in § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO vorausgesetzten materiellen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger.
a) Es kann kaum angenommen werden, dass mit der Bestimmung ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch auch in den Fällen neu geschaffen werden soll, in denen ein materieller nicht besteht; ein materieller soll nur auch als prozessualer ausgestaltet werden. Ein rein prozessualer setzt deswegen weiterhin Rechtshängigkeit voraus, mit der erst er aufschiebend bedingt entsteht (BGH, Urt. v. 22. Mai 1992 - V ZR 108/91 - NJW 1992, 2575; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. 2004, § 91RN 15 m.w.N.). Zwar ist der Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger häufig, wenn nicht überwiegend, nur ein prozessualer. Dass ein solcher nunmehr auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit neu geschaffen werden soll, kann § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht entnommen werden. Dagegen sprechen auch die oben wiedergegebenen Materialien. b) Der materielle Kostenerstattungsanspruch des Beklagten beruht auf § 280 BGB: positive Forderungsverletzung in dem gesetzlichen Schuldverhältnis der unterhaltsrechtlichen Beziehung der Parteien. Der Beklagte durfte nach seinem Schreiben vom 25. Juli 2007 annehmen, er habe alles getan, um die unterhaltsrechtliche Beziehung zu seinem Vater abzuschließen. Eine Herausgabe des Titels hatte der Kläger nicht verlangt. Er durfte den Beklagten deshalb nicht mit einer Abänderungsklage überziehen, bevor er ihn nicht aufgefordert hatte, den Unterhaltstitel herauszugeben. Zu der gleichwohl eingereichten Klage durfte der Beklagte anwaltlichen Rat einholen. Dessen und die Kosten der Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfegesuch des Klägers stellen den Schaden des Beklagte dar.
4.) Der Anlass zur Klage ist nicht weggefallen. Sie war vielmehr von Anfang an versehentlich gegen den falschen Beklagten gerichtet. Nach Sach- und Streitstand wären die Kosten dem Kläger nach § 93 ZPO aufzuerlegen gewesen.
Ende der Entscheidung
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