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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 280/06
Rechtsgebiete: StVollzG
Vorschriften:
StVollzG § 41 | |
StVollzG § 46 | |
StVollzG § 130 |
2. Zum Prüfungsumfang bei der vollzugsbehördlichen Versagung von Taschengeld (§ 46 StVollzG).
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
2. Strafsenat
Beschluss
vom 30. April 2007
13 StVK 146/06
Maßregelvollzugssache des
hier: Versagung von Taschengeld
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers M. S. wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 18.Juli 2006 und die ihm zugrunde liegenden Verfügungen der Justizvollzugsanstalt F. aufgehoben, soweit gegen den Antragsteller eine Taschengeldsperre für den Zeitraum vom 23.02. bis zum 17.05.2006 angeordnet und sein Antrag auf Gewährung von Taschengeld für den Monat März 2006 abgelehnt worden ist.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 200 € festgesetzt (§ 65 GKG).
Gründe:
I.
1. Der Antragsteller M. S. wurde mit Urteil des Landgerichts S. vom 06. September 1985 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, die nach Vollverbüßung der Freiheitsstrafe seit dem 26. Juni 1989 und damit seit nahezu 18 Jahren vollzogen wird.
Der Antragsteller weigert sich seit Herbst 2002, einer Arbeit nachzugehen.
Auf der Grundlage des § 46 StVollzG hat die Justizvollzugsanstalt F. mit Verfügung vom 14.02.2006 - nachdem der Antragsteller die Aufforderung, eine Arbeit im Montagebetrieb I aufzunehmen, abgelehnt hatte - eine Taschengeldsperre vom 23.02.2006 bis zum 17.05.2006 angeordnet und seinen Antrag auf Gewährung von Taschengeld für den Monat März 2006 mit Verfügung vom 12.04.2006 abgelehnt.
2. Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.04.2006 gerichtliche Entscheidung, mit dem Antrag, die Taschengeldsperre aufzuheben.
Zur Begründung seines Antrags trägt er vor, die sich an eine vorhergehende Sperre unmittelbar anschließende Sperre komme einer Dauersperre gleich, verstoße gegen die Verfassung und sei unverhältnismäßig.
Die Justizvollzugsanstalt F. hat im gerichtlichen Verfahren beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen, weil die verhängte Taschengeldsperre der Rechtslage entspreche. Der Antragsteller beziehe im Sinne des § 46 StVollzG schuldhaft kein Arbeitsentgelt.
3. Die Strafvollstreckungskammer F. hat den zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Der auch als Sicherungsverwahrter uneingeschränkt zur Arbeit verpflichtete Antragsteller habe die Aufnahme der ihm angebotenen Arbeit (zum wiederholten Male) abgelehnt, weswegen er im Sinne des § 46 StVollzG schuldhaft ohne Arbeit und damit ohne Arbeitsentgelt sei. Die Sperre sowie die Bemessung der Dauer auf 12 Wochen sei in Anwendung der für den Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 144 SGB III geltenden Grundsätze ebenso wenig zu beanstanden wie der nahtlose Anschluss an eine zuvor verhängte Sperre. Eine besondere Härte liege nicht vor. Zwar verfüge der ansonsten mittellose Antragsteller damit über keinerlei Geld zum Eigengebrauch, allerdings läge es an ihm, die Situation durch Arbeitsaufnahme jederzeit zu ändern.
4. Der Sicherungsverwahrte hat gegen diesen Beschluss form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde erhoben und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.
II.
Die Rechtsbeschwerde, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen war (§ 116 Abs. 1 StVollzG), hat bereits mit der Sachrüge Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Strafvollstreckungskammer hat nicht überprüft und in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass der Antragsteller im Sinne des § 46 StVollzG verschuldet ohne Arbeit war.
1. Nach § 46 StVollzG wird einem Gefangenen, der ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält, ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls er bedürftig ist.; nach § 133 Abs. 2 StVollzG darf dieses im Falle der Sicherungsverwahrung den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 im Monat nicht unterschreiten.
Tatbestandliche Voraussetzung eines Anspruchs auf Taschengeld ist also, dass der Strafgefangene oder Sicherungsverwahrte kein Arbeitsentgelt erhält und dass ihn hieran kein Verschulden trifft.
a) Nach §§ 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 130 StVollzG ist auch der in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte grundsätzlich verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen oder psychischen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, wenn er zu deren Verrichtung aufgrund seines Zustands in der Lage ist. Verweigert der arbeitsfähige Sicherungsverwahrte eine ihm angebotene und zumutbare Arbeit ohne ausreichenden Grund, so trägt er die Schuld daran, dass er kein Arbeitsentgelt enthält, so dass der Anspruch auf Taschengeld gemäß § 46 StVollzG entfällt.
b) Die Vollzugsbehörden haben aber bei der Anwendung des § 41 StVollzG im Einzelfall auch dem verfassungsrechtlich geforderten Abstandsgebot zwischen Strafvollzug und Maßregelvollzug angemessen Rechnung zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Landesjustizverwaltungen ausdrücklich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Möglichkeiten für eine Besserstellung der Sicherungsverwahrten - über die ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen des privilegierten Vollzugs in den §§ 131 ff. StVollzG hinaus - ausgeschöpft werden, soweit dies im Rahmen der Vollzugsorganisation möglich ist (BVerfGE 109,133 ff); der allein spezialpräventive Charakter der Sicherungsverwahrung fordert einen für die Betroffenen und für die Allgemeinheit sichtbaren Abstand zwischen dem allgemeinem Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung.
Dieses verfassungsrechtliche Abstandsgebot haben die Vollzugsbehörden auch bei der Prüfung der Frage zu beachten, ob einem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten im Einzelfall Arbeit zugewiesen werden soll. Je länger die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dauert, umso kritischer muss geprüft werden, ob die Zuweisung einer Arbeit im konkreten Einzelfall für den Sicherungsverwahrten unter Berücksichtigung des bisherigen Verlaufs des Straf- und Maßregelvollzugs, seiner persönlichen - körperlichen und psychischen Verfassung und seiner Perspektive zumutbar ist oder nicht. Insbesondere werden die Vollzugsbehörden bei der Prüfung der Frage, ob sie einem Sicherungsverwahrten eine Arbeit zuweisen sollen, zu prüfen haben, ob das Angebot einer Arbeit im Einzelfall - unter Berücksichtigung der Art der zur Verfügung stehenden Arbeit - ihr Ziel, Mittel zur Resozialisierung des Sicherungsverwahrten zu sein, überhaupt erreichen kann. Bei der Frage, ob einem Sicherungsverwahrten eine Arbeit zugewiesen werden soll, besteht ein Ermessensspielraum der Vollzugsbehörde. Sie hat dem Sicherungsverwahrten vor ihrer Entscheidung über die Zuweisung einer bestimmten Arbeit rechtliches Gehör zu gewähren und die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren (vgl. Arloth - Lückemann, StVollzG, § 37 Rdn. 5).
c) Die Strafvollstreckungskammer hat bei Prüfung der Frage, ob die Justizvollzugsanstalt den Antrag des Strafgefangenen oder Sicherungsverwahrten, ihm Taschengeld zu gewähren, zu recht abgelehnt hat, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei der Ablehnung des Anspruchs auf Taschengeld um einen einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Strafgefangenen und - insbesondere - des Sicherungsverwahrten handelt, weil der davon Betroffene noch weniger als ein in Freiheit befindlicher Bedürftiger in der Lage ist, sich die dringend benötigten Gegenstände des Alltags zu besorgen (BVerfG NJW 1998, 337 ff; Däubler/Spaniol in Feest, StVollzG 5. Aufl., § 46 Rn 9 m.w.N.). Die von der Strafvollstreckungskammer zu überprüfende Feststellung der Justizvollzugsanstalt, dass den Strafgefangenen ein Verschulden daran trifft, dass er nicht arbeitet, bedarf daher einer kritischen Prüfung und darf nur auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage erfolgen (BVerfG ZfStrVo 1996, 314 ff).
2. Die Strafvollstreckungskammer hat nicht hinreichend geprüft, ob die Annahme der Justizvollzugsanstalt, der Antragsteller S. habe im fraglichen Zeitraum schuldhaft kein Arbeitsentgelt erzielt, zutreffend ist oder nicht. Sie hat die diesbezügliche Mitteilung der Justizvollzugsanstalt, der Antragsteller habe sich geweigert, eine Arbeit im Montagebetrieb zu übernehmen, und ihre sich an seine - vorhersehbare - Weigerung anschließende Beurteilung, dass er schuldhaft ohne Arbeitsentgelt sei, ungeprüft übernommen. Damit ist der die Versagung des Taschengelds rechtfertigende Lebenssachverhalt nicht hinreichend und in einer durch den Senat nachprüfbaren Weise dargelegt. Es ist weder erkennbar, ob und inwieweit die Dauer der bisher vollzogenen Sicherungsverwahrung und die persönliche Situation des Antragstellers in die Erwägungen mit einbezogen worden sind, noch ob die dem Antragsteller zugewiesene Tätigkeit im Montagebetrieb für den die Aufnahme einer Arbeit seit Jahren verweigernden Untergebrachten noch Mittel zur Resozialisierung sein kann. Die mitgeteilten Tatsachen sprechen eher dafür, dass Überlegungen, ob die angebotene Arbeit eine konkrete resozialisierende Wirkung haben könnte, hinter den Erwägungen zurückstehen, der Antragsteller werde die ihm nur unspezifiziert angebotene Arbeit ohnehin ablehnen und könne anschließend erneut mit Haftkosten und mit einer Taschengeldsperre belegt werden.
Bei dieser Sachlage halten weder die angegriffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch die zugrunde liegende Verfügung der Justizvollzugsanstalt F. einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie waren daher aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kostenfolge beruht auf § 121 StVollzG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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