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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 29.10.2004
Aktenzeichen: 4 U 72/03
Rechtsgebiete: BGB, VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23.12.1992
Vorschriften:
BGB § 839 | |
VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23.12.1992 Art. 8 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 4. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 4 U 72/03
Verkündet am 29. Oktober 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2004 durch
Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Jaeckle Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter Richter am Oberlandesgericht Büchler
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 31.3.2003 - 4 O 122/02 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger EUR 15.972,14 nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.05.2002 zu zahlen.
2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits - beide Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz wegen angeblichen Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Stellung von Beihilfeanträgen für den vom Kläger geführten Nebenerwerbslandwirtschaftsbetrieb.
Der Kläger beabsichtigte im Frühjahr 1999, beim Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur in Waldshut (im folgenden Landwirtschaftsamt) in einem "Gemeinsamen Antrag" folgende Leistungen zu beantragen:
1. Ausgleichzahlungen nach EU-Kulturpflanzenregelung (KPR) 7.812,00 DM 2. Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich (MEKA) 1.500,00 DM 3. Ausgleichszulage für landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete 2.016,00 DM 4. Ausgleich für Nutzungsbeschränkung in Wasserschutzgebieten (SchALVO) 3.496,80 DM Daneben beabsichtigte er die Stellung eines 5. Mutterkuhantrags 16.414,00 DM. EUR 15.972,14 = 31.238,80 DM
Für die Anträge bestanden - wie das beklagte Land erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingehend dargestellt hat - nach Gemeinschafts- und deutschem Recht folgende Ausschlussfristen:
Anträge / Leistungen Ziff. 1, 2, 3 und 5 : 15.05.1999 (grundsätzlich)
Da der 15.05.1999 auf einen Samstag fiel : 17.05.1999
Abweichend davon war die Frist für den Antrag / Leistung Ziff. 4 : 31.08.1999
Der Vordruck des "Gemeinsamen Antrags" (I 143) - in dem auch der Antrag für die Leistung Ziff. 4 mit enthalten ist - nennt als Abgabefrist den 31.03.1999 und in den Erläuterungen zum gemeinsamen (I 165) Antrag ist ausgeführt, dass "die Abgabefrist für alle in diesem Antrag zusammengefassten Ausgleichs- und Förderungsverfahren der 31. März 1999" ist "(voraussichtliche Ausschlussfrist: 15. Mai 1999)".
Die mit den Anträgen begehrten Leistungen Ziff. 1 und 5 sind ausschließlich gemeinschaftliche Beihilfen, auf die Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23.12.1992 (im Folgenden: VO (EWG) Nr. 3887/92), der die Folgen der Versäumung der Antragsfrist regelt, unmittelbar Anwendung findet. Die Leistungen 2 und 3 beruhen auf ko-finanzierten Förderanträgen; verspätete Anträge sind entsprechend Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 zu behandeln. Für die Behandlung verspäteter Anträge für die Leistung Ziff. 4 besteht keine unmittelbare oder entsprechende Verweisung auf Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 (eingehend I 235 f.).
Die Anträge gingen beim Landwirtschaftsamt nicht ein. Mitte Juli 1999 erklärte der Kläger in einem Telefonat mit dem Betriebsberater des Landwirtschaftsamtes, Herrn R., dass er die schriftlichen Anträge am (streitig) 12.05.1999 oder am 14.05.1999 durch seine Frau in den Briefkasten habe einwerfen lassen. Dass beim Landwirtschaftsamt weder Brief noch Anträge eingegangen waren, wurde dem Kläger mit Schreiben vom 28.07.1999 mitgeteilt (I 89). Der Kläger reichte auch danach keine neuen Anträge beim Landwirtschaftsamt ein, sondern ließ am 26.08.1999 durch seine Ehefrau telefonisch mitteilen, den Antrag rechtzeitig zur Post gegeben zu haben und einen Nachforschungsantrag bei der Post stellen zu wollen. In einem Schreiben vom 13.12.1999 erklärte er, dass ein vorangegangenes Schreiben, in dem die Umstände der Aufgabe zur Post im Mai 1999 erläutert worden waren, als Antrag verstanden werden solle (I 91). Mit Bescheiden vom 19. und 27.06.2000 wurde dies abgelehnt, unter anderem weil die zur Gültigkeit der Anträge erforderlichen Angaben fehlten. Die von ihm gegen diese Ablehnungsbescheide eingelegten Widersprüche nahm der Kläger auf Anraten des Regierungspräsidiums F. später zurück. Im Falle form- und fristgerechter Antragstellung hätte der Kläger die begehrten Zahlungen bewilligt bekommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beanstandet, dass das Landwirtschaftsamt, nachdem es die Fristversäumung erkannt habe, pflichtwidrig versäumt habe, ihn auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Nachholung der Anträge hinzuweisen. Dem Amt sei unmittelbar nach dem 15.05.1999 aufgefallen, dass ein Antrag des Klägers nicht vorliege, obwohl ein solcher erwartet worden sei. Die Pflicht zur Fristenkontrolle ergebe sich aus § 25 LVwVfG, aus dem baden-württembergischen Landwirtschafts- und Kulturgesetz und zahlreichen ministeriellen Richtlinien und Anordnungen. Das Amt habe den Kläger daher unverzüglich, spätestens aber nach dem Telefonat Mitte Juli 1999 auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hinweisen müssen. In einem solchen Fall hätte der Kläger den Antrag nachgeholt, ihm wäre Wiedereinsetzung gewährt worden und infolge dessen hätte er Ausgleichszahlungen erhalten. So aber sei die absolute Frist von einem Jahr, innerhalb derer Wiedereinsetzung habe gewährt werden können, verstrichen.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 15.972,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 14.05.2002 zu bezahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Land hat gemeint, dass, selbst wenn das Landwirtschaftsamt vorsätzlich oder fahrlässig nicht auf die Wiedereinsetzungsmöglichkeit hingewiesen habe, der Kläger die Fristen jedenfalls nicht ohne sein Verschulden versäumt habe. Dies ergebe sich aus dem Ablauf der Geschehnisse. Der Kläger räume auch selbst ein, dass es ungeschickt gewesen sei, den Abgabetermin so weit (d.h. bis nach dem 13.5.1999) hinauszuschieben. Mitte Juli 1999 habe der Kläger im Rahmen eines Telefonats mit Herrn R. vom Amt erklärt, dass er die Anträge am 12.05.1999 habe einwerfen lassen. Spätestens nach Erhalt des Schreiben des Landwirtschaftsamtes vom 28.07.1999, in dem das Amt darauf hingewiesen habe, dass man davon ausgehe, dass der Antrag nicht gestellt worden sei, habe der Kläger reagieren müssen. Statt dessen habe der Kläger einen Monat benötigt, bis seine Frau dem Amt am 26.08.1999 telefonisch mitgeteilt habe, dass der Kläger doch Anträge gestellt habe und er sich bei der Post über deren Verbleib erkundigen wolle. Spätestens mit Erhalt des Behördenschreibens vom 28.07.1999 habe nach Wegfall des Hindernisses die Zwei-Wochen-Frist zu laufen begonnen. Die gewünschte Belehrung habe frühestens bei dem Telefongespräch am 26.08.1999 erfolgen können, denn vorher habe das Amt nicht wissen können, dass der Kläger einen Antrag habe stellen wollen. Außerdem unterliege derjenige, der am Ende einer Antragsfrist mit einfacher Post diese Frist wahren wolle, erhöhten Sorgfaltspflichten. Gegebenenfalls liege ein erhebliches Mitverschulden des Klägers vor. Der Kläger habe die Antragsfrist um mehr als 25 Tage mit der Folge schuldhaft versäumt, dass jeglicher Zahlungsanspruch entfallen sei. Für einen Wiedereinsetzungsantrag sei kein Raum.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Soweit auf die Leistungsanträge Art. 8 VO (EWG) Nr. 3887/92 anzuwenden sei, handele es sich um eine gemeinschaftsrechtliche Ausschlussfrist, die die Wiedereinsetzungsmöglichkeit des § 32 VwVfG ausschließe. Dass die Anträge nicht beim Landwirtschaftsamt eingegangen seien, falle in die Risikosphäre des Klägers, der über den Fristenlauf informiert gewesen sei. Der zuständige Sachbearbeiter des Amts habe auch nicht noch im Mai 1999 auf eine Antragstellung des Klägers hinwirken müssen. Es sei nicht Sache der Behörde, eine Fristenkontrolle durchzuführen. Nur hinsichtlich des Leistungsantrags Ziff. 4 sei eine Wiedereinsetzung rechtlich überhaupt möglich gewesen. Sie scheitere aber daran, dass das Landwirtschaftsamt den Kläger lange vor Ablauf der für diesen Antrag geltenden Frist (31.08.1999) ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass kein Antrag gestellt worden sei. Dies habe dem Kläger von sich aus ausreichend Anlass geben müssen, den Antrag unverzüglich beim Amt einzureichen.
Mit seiner Berufung rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 839 BGB durch das Landgericht. Das Landwirtschaftsamt habe die Amtspflicht, die landwirtschaftlichen Betriebe über die Gesetzeslage umfassend zu beraten. Diese Grundsätze müssten auch für nicht eingegangene Anträge gelten mit der Folge, dass das Amt verpflichtet sei, einen sofortigen Hinweis auf die Antragstellung mit Wiedereinsetzungsmöglichkeit zu geben. Der Landwirt müsse demgegenüber nicht prüfen, ob sein Antrag rechtzeitig eingegangen sei. Nach seinen eigenen Angaben habe das Landwirtschaftsamt Mitte Juli 1999 erfahren, dass der Kläger die Anträge per Post verschickt habe; es habe den Kläger dann darauf hinweisen müssen, dass der Antrag noch einmal einzureichen und zugleich ein Wiedereinsetzungsantrag zu stellen sei. Soweit hinsichtlich der Anträge tatsächlich Art. 8 VO (EWG) Nr. 3887/92 zur Anwendung komme und dieser wirklich eine Ausschlussfrist beinhalte, habe jedenfalls innerhalb der ersten 20 Tage noch die Möglichkeit bestanden, auf die nicht eingegangenen Anträge hinzuweisen. Da das Amt die eingegangenen Anträge ohnehin unverzüglich habe weiterleiten müssen, habe es kurz nach Fristende feststellen können und müssen, dass seitens des Klägers kein Antrag vorgelegen habe. Dies sei angesichts der überschaubaren Zahl von Landwirten, die zu betreuen gewesen seien, auch zumutbar gewesen. Das Amt habe gewusst, dass der Kläger jedes Jahr einen Antrag stelle.
Die Schadensersatzpflicht entfalle auch nicht deshalb, weil der Kläger das Verwaltungsverfahren nicht fortgeführt habe. Die Widersprüche gegen die Ablehnungsbescheide des Landwirtschaftsamtes seien nur deshalb zurückgenommen worden, weil sie wegen § 32 Abs. 3 VwVfG ein Jahr nach der Fristversäumung keine Aussicht auf Erfolg mehr gehabt hätten. Das Landwirtschaftsamt treffe auch ein Verschulden. Dabei komme es nicht auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die der konkrete Beamte tatsächlich gehabt habe; der Beamte müsse sich die nötigen Informationen gegebenenfalls verschaffen. Dies gelte gerade für die Beratung von Landwirten, deren Anträge verloren gegangen seien. Hinsichtlich des Antrags Ziff. 4 sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Kläger irrtümlich der Ansicht gewesen sei, die Ausschlussfrist für alle in dem Gemeinsamen Antrag zusammengefassten Anträge sei der 15.05.1999. Dies stehe so auf Seite 1 der amtlichen Erläuterungen unter "Allgemeines". Dieser Irrtum des Klägers sei vom Landwirtschaftsamt aufrechterhalten worden, das nie hinsichtlich der einzelnen Anträge differenziert habe. Auch bezüglich dieses Antrags sei daher der Schaden durch höhere Gewalt bedingt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 31.3.2003 - 4 O 122/02 - aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 15.972,14 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 14.05.2002 zu bezahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt das landgerichtliche Urteil. Vom Landwirtschaftsamt könne keine Fristenkontrolle verlangt werden, um säumige Landwirte an die gesetzlichen Fristen zu erinnern. Dem Kläger seien die Fristen seit Jahren bestens bekannt gewesen und er habe gegenüber Herrn R. erklärt, den Brief fristgerecht eingeworfen zu haben. Hinsichtlich des Antrags Ziff. 4 sei die Frist ohnehin noch nicht abgelaufen gewesen und dem Kläger sogar schriftlich mitgeteilt worden, dass kein Antrag eingegangen sei. Hinsichtlich der Anträge 1, 2, 3 und 5 gelte Art. 8 VO (EWG) Nr. 3887/92; dieser beinhalte Ausschlussfristen, so dass eine Wiedereinsetzung nach § 32 LVwVfG nicht möglich sei. Da das Amt erstmals Mitte Juli 1999 Kenntnis davon erhalten habe, dass der Kläger angeblich einen Antrag gestellt habe, sei jede Maßnahme zu spät gekommen. Im Übrigen habe der Kläger auch, nachdem er vom Nichteingang der Anträge erfahren habe, nicht innerhalb von 2 Wochen sachgerecht reagiert. Außerdem habe die vom Kläger angenommene Hinweispflicht zur Folge, dass die in Art. 8 VO (EWG) Nr. 3887/92 vorgesehenen prozentualen Abzüge für jeden Tag der Fristversäumnis bis zu dem Zeitpunkt vorzunehmen seien, an dem dem Amt das Fehlen des Antrags habe auffallen müssen.
Nach Hinweis des Senats auf das Urteil des BVerwG vom 29.04.2004 - 3 C 27/03 - hat das beklagte Land geltend gemacht, dass es erstinstanzlich nicht unstreitig gewesen sei, dass der Kläger überhaupt einen Brief mit den Anträgen eingeworfen habe. Ein Schadensersatzanspruch entfalle aber jedenfalls deshalb, weil der Kläger durch Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens auf andere Weise habe Ersatz verlangen können. Das Land sei zum Schadensersatz auch nur dann verpflichtet, wenn ein Mitarbeiter des Amtes schuldhaft gehandelt habe. Dazu habe der Kläger seinen Vortrag in der Berufungsinstanz geändert. Während in erster Instanz bezüglich aller Anträge beanstandet worden sei, dass kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei, sei in der Berufung zwischen dem Antrag Nr. 4 (Pflichtverletzung: Kein Hinweis, den Antrag nochmals und zugleich einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen) und den anderen Anträge (Pflichtverletzung: Kein Hinweis, dass noch kein Antrag eingegangen sei) unterschieden worden. Das Urteil des BVerwG betreffe diese Pflichtverletzungen nicht.
Im Übrigen fehle es aber auch an einem Verschulden eines Mitarbeiter des Amtes. Aus dem Schreiben vom 28.07.1999 ergebe sich, dass dieses davon ausgegangen sei, dass kein Antrag gestellt worden sei. Außerdem hätten nicht nur das erstinstanzliche Gericht, sondern auch das OVG Schleswig-Holstein als Kollegialgericht entschieden, dass im Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 kein Recht des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestehe, wenn die Antragsfrist versäumt sei. Der juristisch nicht gebildete Mitarbeiter der Landwirtschaftsamtes könne dies nicht besser wissen als ein Kollegialgericht. Schließlich sei der Schaden vom Kläger auch nicht schlüssig dargelegt.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
1.
Hinsichtlich der Anträge Ziff. 1, 2, 3 und 5 haftet das beklagte Land nach § 839 Abs. 1 BGB, weil das Landwirtschaftsamt den Kläger schuldhaft nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, wegen des Verlusts der Briefsendung unter Hinweis auf höhere Gewalt die Anträge erneut vorzulegen.
a)
Für die Anträge 1. Ausgleichzahlungen nach EU-Kulturpflanzenregelung (KPR), 2. Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich (MEKA), 3. Ausgleichszulage für landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete und 5. Mutterkuhantrag war als Ausschlussfrist der 15.05.1999 vorgesehen, wobei die Folgen einer Versäumung sich unmittelbar oder mittelbar nach Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 richteten. Danach verringern sich - außer in Fällen höherer Gewalt - bei verspäteter Einreichung eines Antrags die von dem Antrag betroffenen Beihilfebeträge des Betriebsinhabers pro Werktag Verspätung um 1% der Beträge, auf die der Betriebsinhaber im Falle rechtzeitiger Einreichung Anspruch gehabt hätte. Beträgt die Terminüberschreitung mehr als 20 Tage, "so wird der Antrag abgelehnt und entfällt jeder Zahlungsanspruch".
b)
Zutreffend hat das Landgericht gesehen, dass es sich bei der Regelung des Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 um eine gemeinschaftsrechtliche Regelung mit Ausschlussfristen handelt, die die nationale Wiedereinsetzungsmöglichkeit des § 32 LVwVfG ausschließt. Dies folgt daraus, dass die Nichteinhaltung der Einreichungsfristen Auswirkungen auf das ungeschmälerte Bestehen des Beihilfeanspruchs selbst hat. Ausnahmen von dieser Rechtsfolge können sich ebenfalls nur aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, sei es durch unmittelbare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, sei es im Wege der Ermächtigung der Mitgliedstaaten. Das Gemeinschaftsrecht sieht hier nur die Ausnahme der höheren Gewalt (Art. 8 Abs. 1, Art. 11 VO (EWG) Nr. 3887/92) vor. Andere Ausnahmen - etwa die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung - kennt es daneben nicht (BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 27/03, NVwZ 2004, 995).
c)
Das Landgericht hat jedoch außer Acht gelassen, dass sich der Kläger - wie das BVerwG a.a.O. nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt hat - wegen des Verlustes seiner Briefsendung auf dem Postwege auf höhere Gewalt im Sinne des Gemeinschaftsrechtes hätte berufen können.
Dass ein Beihilfeantrag auf dem Postwege verloren geht, ist vom Willen des Postkunden unabhängig. Es ist ihm auch nicht zuzurechnen. Allerdings obliegt dem Antragsteller, seinen Antrag bei der Behörde einzureichen; insofern liegt eine "Bringschuld" und keine "Schickschuld" vor, und wenn er sich eines Dritten für die Übermittlung bedient, so wird dieser Dritte in seiner Sphäre tätig. Der Verlust des Antrags beim Übermittler ist dem Antragsteller deshalb dann zuzurechnen, wenn er sich eines individuellen Boten oder Kuriers bedient. Ob dasselbe für private Postdienstleistungsunternehmen zu gelten hat, kann dahinstehen. Für die Deutsche Post AG gilt jedenfalls Besonderes. Zwar ist auch sie privatrechtlich organisiert. Sie hat jedoch bis zum 31. Dezember 2005 - und hatte damit auch im Jahre 1999 - die gesetzliche Exklusivlizenz zur Beförderung von Briefsendungen bis 100 Gramm (§ 51 Abs. 1 PostG) und war und ist im Gegenzug zur Beförderung verpflichtet. Der Kläger war daher zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch auf ihre Dienste angewiesen, wollte - oder konnte - er den Antrag denn nicht persönlich oder vermittels eines eigenen Boten überbringen; und die Deutsche Post AG war rechtlich zur ordnungsgemäßen Beförderung verpflichtet. Insofern liegt die Sache ähnlich wie zur Zeit des Bestehens der Deutschen Bundespost, deren Handeln behördliches Verwaltungshandeln war.
Der Verlust einer Briefsendung im Bereich der Deutschen Post AG war 1999 auch im Rechtssinne unvorhersehbar und ungewöhnlich (BVerwG a.a.O.). Dass der Kläger schließlich die Folgen des Verlusts der Postsendung bei Anspannung aller gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können, liegt auf der Hand. Vorbeugende Gegenmaßnahmen waren bei fehlender Vorhersehbarkeit nicht veranlasst und spätere Maßnahmen zur Folgenabwendung - etwa die rasche Übersendung einer Zweitschrift - hätten vorausgesetzt, dass der Kläger Kenntnis vom Verlust der Postsendung gehabt hätte.
Im erstinstanzlichen Verfahren war auch unstreitig, dass der Brief auf dem Postwege verloren ging. Im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist dazu - ohne dass das beklagte Land eine Berichtigung beantragt oder dies in der Berufungserwiderung gerügt hätte - ausgeführt: "Der Kläger ließ den Antrag als Brief am 14.05.1999 durch seine Ehefrau zur Post geben." Ohne Erfolg weist das beklagte Land im Berufungsverfahren darauf hin, dass im Urteil auch auf die gewechselten Schriftsätze und damit auch auf den Schriftsatz des Landes vom 20.06.2002 (Klageerwiderung) verwiesen und auf dessen S. 3 ausgeführt worden sei, dass das Amt davon ausgegangen sei, der Kläger habe überhaupt keinen Antrag gestellt. Das Landgericht hat in diesem Vortrag zu Recht kein Bestreiten der substantiierten Behauptung des Klägers gesehen, dass seine Ehefrau den Antrag am 14.05.1999 gegen 8.50 Uhr in den Briefkasten in Bettmaringen geworfen hat. Die Klagerwiderung und damit das beklagte Land nimmt zu dieser Behauptung von sich aus keine Stellung. Soweit auf S. 3 der Klagerwiderung der Inhalt des Schreibens des Amtes vom 28.07.1999 wiedergegeben wird, wonach dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass das Amt davon ausgehen, dass man im Amt trotz Suche einen nach Angaben des Klägers in den Briefkasten eingeworfenen Antrag nicht vorgefunden habe und das Amt davon ausgehe, dass ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei, liegt darin kein Bestreiten der Behauptung des Klägers im Prozess. Zum einen wird der entsprechende Vortrag allein unter dem Thema "Verschulden des Klägers" gehalten, zum anderen wird damit nur die Ansicht des Amtes wiedergegeben. Außerdem wird auf S. 4 der Klageerwiderung weiter ausgeführt, dass aus den vorgelegten Kopien hervorgehe, dass die Anträge erst am 12. und 13.05.1999 unterschrieben worden seien und der Kläger selbst eingeräumt habe, dass es ungeschickt gewesen sei, den Abgabetermin so weit hinauszuschieben. Damit geht das beklagte Land aber davon aus, dass der Brief in den Briefkasten in Bettmaringen doch eingeworfen worden ist. Soweit das beklagte Land erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet, dass die Ehefrau des Klägers den Brief mit den Anträgen in den Postbriefkasten geworfen hat, ist dieses Verteidigungsmittel mangels Entschuldigung des verspäteten Vorbringens nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.
Ein Fall der höheren Gewalt scheidet auch nicht deshalb aus, weil - wie das beklagte Land im Zusammenhang mit der Erörterung des § 32 VwVfG meint - der Kläger den Abgabetermin bis zum 14.05.1999 hinausgeschoben und sich nicht nach dem rechtzeitigen Eingang der Anträge beim Landwirtschaftsamt erkundigt hat. Nachdem der Kläger nach dem regelmäßigen Gang der Dinge bei einem Einwurf des Briefs am Morgen des 14.05.1999 mit dessen Zugang am 15.05.1999 rechnen durfte, oblag ihm keine besondere Erkundigungspflicht, ob der Brief auch tatsächlich eingegangen war (BVerfGE 62, 334; BVerfG NJW 1994, 1854; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 32 Rdn. 25 m.w.N. Fn 158 ff.).
d)
Der Kläger hätte allerdings den Antrag alsbald erneut stellen müssen. Der Kläger durfte, nachdem er an der Einhaltung der Einreichungsfrist durch höhere Gewalt gehindert war, den Antrag nunmehr nicht beliebig spät einreichen. Vielmehr hätte der Antrag unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt werden müssen (Art.11 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92; BVerwG a.a.O.). Als Hindernis ist hier die Unkenntnis des Klägers darüber anzusehen, dass sein am 14. Mai 1999 abgesandter Antrag beim beklagten Land nicht eingegangen ist. Diese Unkenntnis wurde bei dem Telefonat zwischen dem Kläger und Herrn R. von der Beklagten Mitte Juli 1999, spätestens aber durch das Schreiben des Landwirtschaftsamtes vom 28.07.1999 beseitigt. Eine mögliche Frist zur erneuten Antragstellung war danach - ohne dass es auf die Kenntnis des Klägers von dieser Möglichkeit ankäme - jedenfalls Mitte August 1999 abgelaufen.
e)
Dem beklagten Land oblag die Amtspflicht, den Kläger auf die Möglichkeit hinzuweisen, den Antrag unter Berufung auf höhere Gewalt unverzüglich nachzuholen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich aus der besonderen Lage des Einzelfalls heraus die Pflicht ergeben kann, einen Gesuchsteller über die zur Erreichung seiner Ziele notwendigen Maßnahmen aufzuklären. Dabei ist der Beamte nicht nur Vollstrecker des staatlichen Willens und nicht nur Diener des Staates, sondern zugleich soll er Helfer des Bürgers sein (BGH NJW 1965, 1226 = VersR 1965, 613; VersR 2001, 1108 ). Der Beamte darf nicht sehenden Auges zulassen, dass der bei ihm vorsprechende Bürger Schaden erleidet, den der Beamte durch einen kurzen Hinweis oder eine entsprechende Aufklärung vermeiden kann (BGH VersR 1970, 1104). Hinweispflichten bestehen bei einem erkennbar rechtsunkundigen Bürger vor allem, wenn es um Rechtsfragen auf schwierigem Spezialgebiet geht (BGH NJW 1957, 1873). Ein konkreter Anlass für einen Hinweis besteht in der Leistungsverwaltung auch dann, wenn der Beamte auf einen Antrag oder eine Anfrage eines Leistungsberechtigten hin erkennen muss, dass der Berechtigte es unterlassen hat, eine für ihn günstige Gestaltungsmöglichkeit zu nutzen. Dabei muss es sich um Gestaltungsmöglichkeiten handeln, die klar zu Tage liegen und deren Wahrnehmung so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Antragsteller sie nutzen würde (BSGE 46, 124 = NJW 1979, 1590). Besondere Umstände, die die Verwaltung dazu verpflichten, einen Hinweis zu erteilen, können auch in einem vorangegangenen Tun der Verwaltung liegen. Hatte die Verwaltung durch ein bestimmtes Handeln auf das Vorstellungsbild des Bürgers eingewirkt und so die Ausgangslage beeinflusst, die der Bürger seiner Entscheidung zugrunde legt, ist sie gehalten, darauf beruhende Fehlvorstellungen des Bürgers durch einen aufklärenden Hinweis zu beseitigen (BGH VersR 1990, 1114; NVwZ 1985, 936). Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte der zuständige Sachbearbeiter auf die Möglichkeit, die Anträge unverzüglich nachzuholen, hinweisen müssen.
Das Land hat selbst eingeräumt, dass dem Landwirtschaftsamt Mitte Juli 1999 seitens des Klägers mitgeteilt worden war, dass der Brief mit den Anträgen in den Briefkasten eingeworfen worden sei. Auch wenn - wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - zunächst der für Leistungsanträge unzuständige Herr R. seitens des Amtes mit dem Kläger telefoniert hat, bestand insoweit dennoch eine Aufklärungspflicht, weil dieser jedenfalls die Auskunft des Klägers an die zur Bearbeitung der eingereichten Anträge zuständige Leistungsabteilung weitergeleitet hat. Diese Abteilung hat - wie sich auch aus dem Schreiben vom 28.07.1999 entnehmen lässt - nochmals nach dem Antrag innerhalb der Behörde geforscht und dem Kläger dann mitgeteilt, dass im Amt kein Antrag eingegangen ist. Der für die Bearbeitung der Anträge zuständige Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes wusste danach, dass der Kläger meinte, einen Antrag gestellt zu haben. Ebenfalls war ihm die Ausschlussfrist des 15.05.1999 und der Ablauf der 20-tägigen Nachfrist bekannt. Danach war für den zuständigen Mitarbeiter aufgrund der Gesetzeslage auch erkennbar, dass - die Angaben des Klägers als richtig und die Möglichkeit des Klägers Entsprechendes nachweisen zu können, als möglich unterstellt - der Kläger unverzüglich einen vollständig neuen Antrag stellen musste. Für den Kläger war demgegenüber ersichtlich, dass sich das Landwirtschaftsamt um die eingereichten Anträgen kümmerte bzw. entsprechend des Schreibens vom 28.07.1999 gekümmert hatte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte der Kläger eine umfassende und sachgerechte Beratung erwarten. Das Landwirtschaftsamt durfte sich daher nicht darauf beschränken, dem Kläger lediglich mitzuteilen, dass kein Antrag eingegangen sei und man deshalb davon ausgehe, dass kein Antrag gestellt worden sei.
Eine gesetzliche Regelung findet diese Aufklärungs- und Hinweispflicht in § 25 LVwVfG, wonach die Behörde die Abgabe von Erklärungen und die Stellung von Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben sind. Unabhängig von der Frage, ob in jedem Fall eines der Behörde bekannt gewordenen, möglichen Falles höherer Gewalt wegen Verlust einer Postsendung die Pflicht besteht, den Antragsteller auf die Möglichkeit hinzuweisen, unverzüglich einen neuen Antrag zu stellen, ergab sich die Hinweispflicht im vorliegenden Fall jedenfalls aus den konkreten Umständen des Einzelfalles. So hat das Landwirtschaftsamt zum einen auf Hinweis des Klägers die Frage des Einganges der Anträge nochmals überprüft und sich mit dem Ergebnis der Prüfung an den Kläger gewandt. Zum anderen bestand angesichts der - so der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung - sehr speziellen Materie, nämlich des für einen einfachen Landwirt kaum überschaubaren Gemeinschaftsrechts, das deutsche Vorschriften wie den § 32 LVwVfG ausschließt, für den Kläger ein besonderer Beratungsbedarf. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass dem Landwirtschaftsamt schon nach dem Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz von Baden-Württemberg (vgl. § 9 LLG) gegenüber Landwirten besondere Beratungs- und Hinweispflichten auferlegt sind. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass es, nachdem die Landwirte über 50% ihres Einkommens über staatliche Transferleistungen erhalten, zu einer sachgerechten Beratung gehört, auch über die nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Beihilfemöglichkeiten in materieller wie formeller Hinsicht zu informieren. Daraus folgt aber auch die Pflicht des Landwirtschaftsamtes, den Kläger auf die nicht ohne weiteres nahe liegende - sich nur aus Gemeinschaftsrecht ergebende - Möglichkeit hinzuweisen, unter Berufung auf höhere Gewalt die Anträge neu zu stellen. Auf diese Möglichkeit haben die Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes den Kläger weder bei dem Telefongespräch Mitte Juli 1999 noch im Schreiben vom 28.07.1999 hingewiesen. Der zuständige Mitarbeiter hätte zudem spätestens dann, als innerhalb der folgenden Tage die nochmals zu stellenden Anträge nicht eingegangen waren, erkennen müssen, dass der Kläger offensichtlich aus Unkenntnis die Anträge nicht noch einmal gestellt hatte. Spätestens dann hätte er den Kläger auf die Möglichkeit einer Nachholung hinweisen müssen.
Eine solche Aufklärungspflicht entfiel auch nicht im Hinblick darauf, dass dem Kläger bekannt war, dass der Abgabetermin für die Anträge grundsätzlich der 15.05.1999 war, denn diese Kenntnis betraf nur den Termin, nicht aber die Möglichkeit der Nachholung der Anträge bei einer durch höhere Gewalt verhinderten Nichteinhaltung der Frist.
Eine Aufklärungspflicht entfiel auch nicht deshalb, weil das Landwirtschaftsamt, wie es im Schreiben 28.07.1999 ausgeführt hat, davon ausgegangen ist, der Kläger habe überhaupt noch keinen Antrag gestellt. Entscheidend ist vielmehr die Mitteilung des Klägers, dass er einen Antrag gestellt hat. Ausgehend von dieser Information bestand Beratungsbedarf. Ob sich die Behauptung des Klägers dann als richtig herausstellen würde, war Sache des nachfolgenden Verfahrens. Falls der Kläger bei dem Gespräch Mitte Juli 1999 lediglich davon gesprochen haben sollte, dass der Brief "in den Briefkasten" eingeworfen worden sei, ohne klarzustellen, dass es sich um einen Postbriefkasten handelte, bestand dennoch weiterer Aufklärungsbedarf. Im Übrigen hätten die Anträge auch erneut der Behörde zugeführt werden müssen, wenn glaubhaft gemacht worden wäre, dass der Brief in den Briefkasten des Landwirtschaftsamtes eingeworfen, dort aber nicht vorgefunden wurde.
f)
Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind (BGH NZV 1997, 220; BGHZ 117, 240, 249). Dabei ist auf die Anforderungen an den pflichtgetreuen Beamten in der in Frage stehenden konkreten Amtsstellung abzuheben (BGH NZW 1997, 220 m.w.N.), hier also auf den für Fragen der Leistungsverwaltung beim Landwirtschaftsamt ausgebildeten Angestellten und Beamten. Dieser hätte die gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Möglichkeit einer Nachholung der Anträge aufgrund höherer Gewalt erkennen können. Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 war für einen mit dem Landwirtschafts-/Gemeinschaftsrecht vertrauten Bearbeiter auch nicht unbekannt. In den Bescheiden vom 19.06 und 27.06.2000 (I 229 ff) wird hierauf und die Besonderheit bei höherer Gewalt Bezug genommen (vgl. dazu auch HessVGH ESVGH 52, 19 zu einer vergleichbaren gemeinschaftsrechtlichen Regelung).
Die Ersatzpflicht entfällt schließlich wegen fehlenden Verschuldens des Beamten auch nicht deshalb, weil nicht nur das Landgericht, sondern auch das OVG Schleswig Holstein als Vorinstanz der Entscheidung des BVerwG vom 29.04.2004 im Rahmen des Art. 8 VO (EWG) Nr. 3887/92 eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit nach § 32 VwVfG verneint hat und von einem juristisch nicht gebildeten Mitarbeiter keine bessere Kenntnis verlangt werden kann.
Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, kann aus der Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (BGH NJW 1994, 3158; BGHZ 119, 365; BGHR BGB § 839 I 1 Verschulden 18; VersR 1979, 574, 576 m.w.N.; vgl. auch BGH VersR 2001, 1108). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt demnach voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war. Die zweite Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Das beklagte Land hat weder dargetan, dass einer der zuständigen Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes die Frage der Nachholung der Anträge aufgrund höherer Gewalt überhaupt erwogen, noch dass er die Frage geprüft hat. Vielmehr lässt sich aus dem vom Beklagten geschilderten Ablauf der Kontakte und den weiter vorgelegten Schriftstücken und Bescheiden erkennen, dass sich die Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes über die naheliegende Frage einer Nachholung überhaupt keine Gedanken gemacht haben.
Unerheblich ist daher, ob die Mitarbeiter des beklagten Landes auch bei pflichtgemäßer, sorgfältiger Arbeitsweise möglicherweise ohne Verschulden zu dem - objektiv unrichtigen - Ergebnis gelangt wären, dass im vorliegenden Fall eine Nachholung der Anträge nicht möglich ist. Insoweit ist darauf abzustellen, wie die Behörde nach Auffassung des über den Ersatzanspruch urteilenden Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen; dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Behörde - wenn sie eine pflichtwidrig unterlassene Prüfung vorgenommen hätte - ohne Schuldvorwurf zu demselben (unzutreffenden) Ergebnis hätte gelangen können (BGH VersR 1993, 1521; NJW 1986, 2952, 2954; NJW 1986, 1924 f). Auch auf die Frage, ob ein Kollegialgericht - hier das OVG Schleswig-Holstein (RdL 1995, 208) - eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit (dort: § 90 LVwG von Schleswig-Holstein) verneint hat, kommt es daher nicht an.
g)
Dem Kläger ist entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch kein Mitverschulden anzulasten. Angesichts der - so der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung - sehr speziellen Materie, nämlich des für einen einfachen Landwirt kaum überschaubaren Gemeinschaftsrechts, das deutsche Vorschriften wie den § 32 LVwVfG ausschließt, kann dem Kläger die fehlende Kenntnis vom insoweit gebotenen Handeln , d.h. die unverzügliche Nachholung der Anträge, nicht vorgeworfen werden.
h)
Das beklagte Land kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger auf andere Weise hätte Ersatz erlangen können und daher nur das von ihm eingeleitete Verwaltungsverfahren bis zum BVerwG hätte fortsetzen müssen. Dieser Einwand scheitert schon daran, dass der Kläger nicht innerhalb weniger Tage nach Wegfall der höheren Gewalt - hier Kenntnis vom Nichteingang der Anträge - einen neuen, formgerechten Antrag gestellt hat.
i)
Die Höhe des Schadens ist unbestritten. Er beträgt für
1. den Antrag auf Ausgleichzahlungen nach EU-Kulturpflanzenregelung (KPR) 7.812,00 DM, 2. den Antrag auf Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich (MEKA) 1.500,00 DM, 3. den Antrag auf Ausgleichszulage für landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete 2.016,00 DM 5. den Mutterkuhantrag 16.414,00 DM. 27.742,00 DM
Nachdem ein Fall höherer Gewalt vorliegt, hätte der Kläger nach Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3887/92 keine Herabsetzung des Betrags um täglich 1% hinnehmen müssen.
2.
Hinsichtlich des Leistungsantrags Ziff. 4 (SchALVO) besteht die Besonderheit, dass die Frist für die Einreichung des Beihilfeantrags Mitte Juli 1999 noch nicht abgelaufen war. Insoweit hätte der Kläger den entsprechenden Antrag ohne weiteres - jedenfalls bis zum 31.08.1999 - nochmals stellen können.
Dennoch durfte das Landgericht die Klage nicht mit der Begründung abweisen, es habe auch ohne Hinweis des Landwirtschaftsamtes am Kläger gelegen, nachdem er im Juli 1999 erfahren habe, dass die Anträge nicht eingegangen seien, die am 31.08.1999 ablaufende Frist zu wahren. Das Landgericht durfte eine solche Entscheidung nicht treffen, ohne die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Auf den Umstand, dass für den Antrag Ziff. 4 die Frist nicht am 15.05.1999, sondern erst am 31.08.1999 abgelaufen war, hatte das beklagte Land erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 21.03.2003 hingewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ausweislich der Akte die Parteien - und wohl auch das Landwirtschaftsamt - übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Fristen für alle Anträge am 15.05.1999 abgelaufen waren. Unter diesen Umständen durfte das Landgericht zudem die Kenntnis des Klägers von dem späteren Fristablauf nicht unterstellen und damit eine Beratungspflicht nicht verneinen.
In zweiter Instanz hat der Kläger nunmehr auch - gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3ZPO zuzulassend - vorgetragen, dass er von dem späteren Fristablauf keine Kenntnis hatte. Hierzu hat er nachvollziehbar auf das Antragsformular des Gemeinsamen Antrags - der den Antrag Ziff. 4 mit enthält - verwiesen. In den Erläuterungen zu diesem Antragsformular ist ausgeführt, dass die Abgabefrist für alle in diesem Antrag zusammengefassten Anträge der 31.03.1999 und die voraussichtliche Ausschlussfrist der 15.05.1999 sei. Wenn davon abweichend die Frist für einen der Anträge erst am 31.08.1999 ablief, lag - wenn nicht schon eine schuldhafte Fehlinformation anzunehmen ist - jedenfalls ein sich aus dem unzutreffenden Hinweis ergebender Beratungsbedarf des Klägers und damit eine Beratungsverpflichtung des Landwirtschaftsamtes auf der Hand. Diese Verpflichtung hat das Landwirtschaftsamt schuldhaft verletzt, in dem es unstreitig insoweit jegliche Beratung bzw. Aufklärung unterlassen hat.
Auch insoweit ist der Schaden des Klägers unstreitig. Er liegt für diesen Antrag bei 3.496,80 DM.
3.
Der geltend gemachte Zinsschaden ergibt sich aus §§ 291, 288 ZPO
III.
Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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