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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: 1 U 1161/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 839 | |
BGB § 823 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
Zur Haftung des Waldeigentümers nach Baumbruch
Der Eigentümer eines an eine öffentliche Straße angrenzenden Waldgrundstücks muss den Baumbestand nur so anlegen, dass dieser im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 1 U 1161/99 11 O 377/98 LG Trier
Verkündet am 14. Februar 2001
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes nach Baumbruch.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner, den Richter am Oberlandesgericht Stein und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 29. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem sein vor einem Hausanwesen in P/Eifel geparkter Pkw an einem Sommerabend 1998 durch die mehrere Meter lange Baumkrone einer im an die Straße angrenzenden Staatswald stehenden Pappel (Aspe), die eine Windböe abgebrochen hatte, schwer beschädigt worden war.
Entgegen ursprünglichen Vermutungen und entsprechenden Behauptungen des Klägers war der Baum "kerngesund" (vgl. Fotos Bl. 9, 59, 140 GA); eine letzte Kontrolluntersuchung der zuständigen Beamten des Forstamtes, die zu keinen Fäll- oder Hiebmaßnahmen Veranlassung gab, hatte im März 1997 - also etwa 1 1/4 Jahr vor dem Schadensereignis - stattgefunden (Bericht und Vermerk des Forstamtes P vom 3. August 1998 und 10. April 1997, Bl. 35, 60 GA).
Der Kläger hat geltend gemacht, das beklagte Land müsse für den Schaden aufkommen, weil es seine Verkehrssicherungspflicht dadurch schuldhaft verletzt habe, dass die zuständigen Forstbeamten die Gefahrträchtigkeit von Aspen, insbesondere, wenn sie wie hier, schief gewachsen seien, nicht richtig eingeschätzt und infolge mangelhafter Kontrollierung den Baumbruch nicht durch rechtzeitige Fällung der streitigen Pappel verhindert hätten. Das beklagte Land ist dem mit dem Hinweis, alles Zumutbare getan zu haben, unter Beweisantritt entgegengetreten.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor, weil es nach den von den Zeugen (Forstbeamten) bekundeten regelmäßigen Sichtkontrollen keine konkreten Anhaltspunkte für Gefahren in Form des Baumbruches gegeben habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seinem ursprünglichen Begehren festhält und insbesondere auf die wissenschaftlich erwiesene spezifische Bruchgefahr und Empfindlichkeit von Pappeln verweist, denen die Forstverwaltung hätte Rechnung tragen müssen.
Von einer weiteren Sachdarstellung wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Urteil des Landgerichts begegnet auch unter Berücksichtigung der das erstinstanzliche Vorbringen erweiternden Berufungsbegründung keinen Bedenken. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils, die sich der Senat zu Eigen macht, Bezug genommen.
Hervorzuheben bleibt:
Es kann offenbleiben, ob die vom Landgericht angenommene Anspruchsgrundlage einer Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht kommt oder ob, wofür bei dem vorliegend gestalteten Sachverhalt mehr spricht, eine Haftung des beklagten Landes für den Fall der schuldhaften Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nicht viel mehr allein aus § 823 BGB herzuleiten wäre. Denn auf jeden Fall liegt eine vorwerfbare Pflichtverletzung nicht vor.
Es geht im Streitfall nicht etwa um die Verletzung der einem Straßenbaulastträger obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht und damit auch nicht um die hierzu ergangene umfangreiche Rechtsprechung. Denn bei der abgebrochenen Pappel (Aspe) handelt es sich nicht um einen Straßenbaum, der freilich "laufend von Straßenwärtern zu überwachen ist" (BGH NJW 1965, 815 m.w.N.), sondern um einen Baum aus einem angrenzenden Waldstück. Zwar könnte auch in einem solchen Fall, jedenfalls, wenn der umgestürzte Baum ein Straßenhindernis darstellt, die Verkehrssicherungspflicht des Trägers der Straßenbaulast eingreifen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem angrenzenden Waldstück, aus welchem der gestürzte Baum stammt, um Gemeindewald handelt, dessen Pflege zwar Aufgabe der Gemeinde ist, aber auch durch staatliche Beamte wahrgenommen werden kann (vgl. § 37 Abs. 1 Rheinland-Pfälzisches Forstgesetz und BGH MDR 1989, 719 sowie LM Nr. 73 zu § 839). So liegt der Fall nicht, weil die abgebrochene Aspe unstreitig einem Staatswald entstammte.
Es kommt daher bei dem Begehren des Klägers, welches dieser zu Recht nicht gegen die Stadt P (Straßenbaulastpflichtige), sondern gegen das Land Rheinland-Pfalz gerichtet hat, nicht auf die möglicherweise geringeren Anforderungen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastpflichtigen, sondern allein darauf an, ob dem Beklagten nach den allgemeinen Voraussetzungen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten das Schadensereignis vorzuwerfen ist. Das hat das Landgericht zutreffend verneint. Auch der Eigentümer eines an eine öffentliche Straße angrenzenden Waldgrundstückes muss den Baumbestand nur so anlegen, dass er im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist (Staudinger-Hager, Kommentar zum BGB, 13. Aufl. 1999, Rdz. G 145 zu § 823 m.w.N.). Es geht also um die Erkennbarkeit etwaiger Gefahrenlagen aus der Sicht von Fachleuten. Hierzu haben die vom Landgericht vernommenen Forstbeamten, an deren Glaubwürdigkeit auch der Senat keinen Zweifel hat, die Zeugen P und H deutlich und überzeugend bekundet, dass die regelmäßig durchgeführten Sichtkontrollen, auch bei Berücksichtigung der besonderen Baumart der Pappeln (Aspen) keinen Anlass zu Fällmaßnahmen gaben.
Es ist allgemein bekannt und bedarf daher auch keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, dass Pappeln (ebenso wie Kastanien) Bäume sind, die von Natur aus brüchig sind und gelegentlich auch gesunde Astteile abwerfen (Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 1. Dezember 1997, 12 U 1370/96). Unter diesen Umständen mag es eine gesteigerte Kontrollpflicht geben wie sie die Zeugen auch eingeräumt haben. Bei ihrer Kontrolle im März 1997 haben sich aus fachlicher Sicht aber keine forstlichen Maßnahmen aufgedrängt. Anlass für häufigere als die stattgefundenen Kontrollen bestand nicht, wobei der Revierleiter des streitgegenständlichen Forstreviers, der Zeuge P, da er ebenfalls in der Straße T wohnt, ohnedies den Wald ständig im Blickfeld hatte. Im Übrigen sind generelle Festlegungen hinsichtlich der erforderlichen Zeitabstände zwischen den Baumkontrollen nicht möglich (Breloer/Mattheck, Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen aus rechtlicher und fachlicher Sicht, 3. Aufl., Seite 11 f). Grundsätzlich erfordert es die Verkehrssicherungspflicht - selbst für Straßen und Parkplätze - nicht, unauffällige, gesunde, nur naturbedingt immer etwas bruchgefährdete Pappeln zu stutzen oder den Bestand großer Bäume dieser Arten an Verkehrsflächen überhaupt zu beseitigen (OLG Koblenz VersR 1998, 865, vgl. a. OLG Düsseldorf VersR 1997, 463 und OLG Hamm VersR 1997, 1148 m.w.N.). Erst bei verdächtigen Umständen, wie etwa trockenem Laub, dürren Ästen, äußeren Verletzungen oder Beschädigungen, hohem Alter, Erhaltungszustand, Eigenart oder Stellung, statischem Aufbau und ähnlichem (vgl. BGH VersR 1974, 88, 90 und VersR 1979, 1009) bedarf es der eingehenden Untersuchung. Vorliegend waren solche Umstände bis zum Schadensereignis nicht gegeben, wobei auch die vom Kläger hervorgehobene leichte Schräglage der abgebrochenen Aspe nach den Aussagen der Zeugen und den Fotos keine über die bei derartigen Bäumen "normale" Bruchgefahr hinausgehende Gefahrenquelle darstellte.
Alles in allem vermag der Senat angesichts des inzwischen unstreitig gewordenen Umstandes, dass der abgebrochene Baum gesund war und offenbar lediglich der plötzlichen Windböe im Kronenbereich nicht standgehalten hat, einen vorwerfbaren Pflichtenverstoß nicht darin zu erkennen, dass die Forstverwaltung den schädigenden Baum nicht gefällt oder gestutzt hat. Der Kläger muss daher, wie auch andere Geschädigte bei vergleichbaren naturgegebenen Lebensrisiken, den Pkw-Schaden als allgemeines nicht abwälzbares Eigenrisiko hinnehmen. Die Rechtslage wäre auch nicht anders, wenn die abgebrochene Baumkrone etwa einen Menschen verletzt oder gar getötet hätte. Denn der Schadensumfang kann kein maßgebendes Kriterium für das Vorliegen einer Pflichtverletzung sein, erlaubt daher keinen Rückschluss.
Die Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.519 DM festgesetzt. In dieser Höhe ist der Kläger auch beschwert.
Ende der Entscheidung
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