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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 1 U 1343/04
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 771
GmbHG § 30 Abs. 1
GmbHG § 34 Abs. 3
BGB § 738
Zur Wirksamkeit der Einziehung von Gesellschaftsanteilen als Einwendung im Rahmen der Pfändung dieses Anteils (Drittwiderspruchsklage).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1343/04

Verkündet am 8. Juni 2005

In dem Berufungsverfahren

wegen: Drittwiderspruchsklage (Pfändung von Gesellschaftsanteilen)

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trueson und die Richter am Oberlandesgericht Stein und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 30. September 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die angeblichen Gesellschaftsanteile des Dr. R... G... (Schuldners) an der Klägerin zu 2..

Der Schuldner Dr.G... wurde durch ein US-amerikanisches Gericht zur Zahlung von über 300.000 US-$ verurteilt.

Durch Beschluss des Landgerichts Koblenz wurde der Arrest in das in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Vermögen des Schuldners wegen dieser Ansprüche angeordnet und in Vollziehung des Arrestes wurden u.a. die angeblichen Gesellschaftsanteile des Schuldners an der Klägerin zu 2. einschließlich evtl. Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft gepfändet.

Die Kläger berufen sich vor allem darauf, dass vor diesen Vollstreckungsmaßnahmen die Gesellschaftsanteile des Dr.G... bereits wirksam eingezogen gewesen seien, mithin die Pfändung der -nicht mehr bestehenden- Gesellschaftsanteile ins Leere gegangen sei.

Die Beklagten wenden hiergegen vor allem ein, dass wegen der fehlenden Abfindungszahlung für die eingezogenen Gesellschaftsanteile diese Einziehung (noch) nicht wirksam sei, mithin diese Anteile nach wie vor dem Schuldner Dr.G... zustünden und als dessen Vermögensteile auch wirksam pfänd- und verwertbar seien.

Das Landgericht hat die Klage aus § 771 ZPO abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, dass eine Abfindung nicht gezahlt wurde und damit die gesetzliche Bedingung für eine wirksame Einziehung von Gesellschaftsanteilen nicht erfüllt sei. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme sei auch nicht von einem Verzicht des Dr.G... auf den ihm zustehenden Abfindungsanspruch auszugehen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihr ursprüngliches Klageziel, die Unzulässigerklärung der betriebenen Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Gesellschaftsanteile, weiterverfolgen (Bl. 849 f., 809 f. d.A.).

Sie begründen ihr Rechtsmittel unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen vor allem damit, dass der Einziehungsbeschluss im vorliegenden Fall aufgrund der getroffenen Abreden auch ohne Zahlung des Abfindungsbetrages sofort wirksam gewesen sei, demnach Herrn Dr.G... keinerlei Gesellschaftsansprüche im Zeitpunkt der Pfändungsmaßnahmen mehr zugestanden hätten. Weiterhin habe Dr.G... aufgrund der Wertlosigkeit der Gesellschaft auch kein Abfindungsanspruch zugestanden.

Darüber hinaus habe Dr.G... auch auf die Zahlung eines Abfindungsbetrages für die eingezogenen Gesellschaftsanteile verzichtet.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und nehmen im Wesentlichen Bezug auf das bisherige Verteidigungsvorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 2-7; Bl. 781-786 d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Den Klägern steht kein die Vollstreckung in die gepfändeten Gesellschaftsanteile des Schuldners Dr.G... an der Klägerin zu 2. hinderndes Recht zu.

Ein solches wäre nur dann gegeben, wenn die Einziehung der Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 2. wirksam bereits zuvor erfolgt wäre, diese Anteile mithin nicht mehr dem Vermögen des Schuldners Dr.G... zuzuordnen wären. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Gesellschaftsanteile stehen auch zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) nach wie vor Dr.G... zu, konnten demnach als dessen Vermögensteile wirksam zu Gunsten der Beklagten (Gläubiger) gepfändet werden.

1. In dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 2. (UR-Nr. 4124/94 B - Notar R... B... vom 29. Dezember 1994; geändert durch UR-Nr. 1284/95 B - Notar R... B... vom 16. Mai 1995; Bl. 34 ff. d.A.) ist jeweils in § 10 die Einziehung von Geschäftsanteilen geregelt. Durch die im Mai 1995 niedergelegte Änderung des Gesellschaftsvertrags ist die ursprünglich in § 12 vorgesehene Abfindungsregelung ersatzlos entfallen (Bl. 40 d.A.). Wegen Fehlens einer Abfindungsregelung greifen in vorliegendem Fall die Regelungen und Rechtsgedanken von § 34 Abs.3, § 30 Abs.1 GmbHG, § 738 BGB dahingehend ein, dass eine Einziehung des Gesellschaftsanteils grundsätzlich nur nach vollständiger Leistung des Einziehungsentgeltes (Abfindungsanspruch) wirksam wird. Die Wirksamkeit des aus sachlichen Gründen im vorliegenden Fall nicht zu beanstandenden Einziehungsbeschlusses hinsichtlich der Geschäftsanteile des verschuldeten Dr.G... stand und steht unter der aufschiebenden gesetzlichen Bedingung, dass eine Abfindung nach dem vollen Wert des Geschäftsanteils gezahlt wird. Dies ist bislang nicht geschehen, so dass zur Überzeugung des Senats der Einziehungsbeschluss hinsichtlich der streitgegenständlichen Geschäftsanteile keine Wirksamkeit entfaltet, mithin die Geschäftsanteile nach wie vor Dr.G... zustehen (zu den Rechtsfragen vgl. auch die überzeugenden und zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil - Seite 8-10 mit den dort angegebenen Nachweisen sowie Rowedder / Schmidt-Leithoff / Bergmann, GmbHG, 4.Aufl., § 34 Rn.28; Ulmer, GmbHG, 8.Aufl., § 34 Rn.68 ff.; Priester / D.Mayer / Kort, Münchener Handbuch des Gesellschafts-rechts, Band 3, § 29 Rn.45, 47 ff. - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Demnach war die Einziehung der Gesellschaftsanteile des Schuldners Dr.G... nicht wirksam und den Klägern stehen die weitere Vollstreckung hindernde Rechte gegen die Pfändung der angeblichen Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 2. (vgl. auch Versteigerungs-Beschluss des Amtsgerichts Altenkirchen vom 19. August 2002, Bl. 8 d.A.) nicht zu.

2. Die von den Klägern vorgebrachten Ausnahmen, die zu einer Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses vor der Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geführt haben könnten, liegen zur Überzeugung des Senats hier nicht vor.

a) Soweit die Kläger vorbringen, dass es deshalb kein Abfindungsanspruch für die eingezogenen Gesellschaftsanteile des Dr.G... gegeben habe, weil die Gesellschaft im fraglichen Zeitraum bereits überschuldet gewesen sei, die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses mithin auch ohne Zahlung einer Abfindung wirksam geworden sei, dringen sie mit diesem Verteidigungsvorbringen nicht durch. Hinsichtlich der nach wie vor fehlenden Substantiierung dieser Behauptungen zu dem Wert der Gesellschaft verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Darlegungen in dem angefochtenen Urteil (Seite 10, 11; Bl. 789 f. d.A.); diese macht er sich zu eigen. Die Kläger haben auch im Berufungsverfahren nichts näheres zu dem Vermögensstand und dem Wert der Gesellschaft (Klägerin zu 2.) dargetan.

Insoweit ist das Nichtbestehen eines Abfindungsanspruches nicht dargetan; eine Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses ist aus diesem Grunde nicht eingetreten.

b) Soweit die Kläger u.a. unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2004, 1865) dartun, dass nach den in § 10 Abs.4 des Gesellschaftsvertrages niedergelegten Festlegungen, die Einziehung der Gesellschaftsanteile des Dr.G... sofort -vor den Vollstreckungsmaßnahmen- wirksam werden sollte und wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat auch unter Beachtung weiterer Rechtsprechung zu der Möglichkeit einer Einziehung, Ausschließung mit sofortiger Wirkung auch ohne Abfindungszahlung (siehe u.a. Brandenburgisches Oberlandesgericht, ZiP 2002, 1806 f.) der Auffassung und Überzeugung ist, dass es für einen derartigen, von den gesetzlichen Regelungen und Vorstellungen stark abweichenden Fall einer ausdrücklichen und klaren, eindeutigen Festlegung im Gesellschaftsvertrag bedarf. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar stützt § 10 Abs.4 S.4 des Gesellschaftsvertrages die Auffassung der Kläger ("die Einziehung wird mit dem Beschluss wirksam"). Jedoch steht dieser Festlegung zum einen die von den Klägern nicht gewollte und auch nicht realisierte, von der Satzung jedoch vorgesehene Auflösung der Gesellschaft entgegen. Zum anderen -entscheidend- sieht der Senat gerade unter Beachtung der von der Rechtsprechung für diese Ausnahme entwickelten Rechtsgrundsätze eine satzungsmäßige Festlegung der sofortigen Wirksamkeit nur dann als möglich und rechtlich zulässig an, wenn -in der Satzung- eine Regelung über den zu leistenden Abfindungsanspruch verbindlich getroffen ist. In diesen Fällen kann die Satzung einer GmbH durchaus anordnen, "dass ein kündigender Gesellschafter (hier auszuschließender Gesellschafter) auch vor der Zahlung seine Abfindung endgültig aus der Gesellschaft ausscheidet" (BGH, NRW 2004, 1865).

Derartiges sieht die vorliegende Satzung der Klägerin zu 2. nicht vor. Das Verhältnis Ausschließung, Einziehung von Gesellschaftsanteilen zu der zu leistenden Abfindung ist im vorliegenden Fall gesellschaftsvertraglich gerade nicht niedergelegt; insoweit greift die oben dargelegte gesetzliche Folge ein: Der Beschluss der Einziehung der Geschäftsanteile des Dr.G... ist aufschiebend bedingt durch Zahlung des Abfindungsanspruchs, der dem vollen Gesellschaftsanteil entsprechen muss.

3. Mit der angefochtenen Entscheidung geht auch der Senat unter Zugrundelegung der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme, die im Berufungsverfahren nicht im einzelnen konkret angegriffen wird, davon aus, dass Dr.G... nicht wirksam auf seinen Abfindungsanspruch verzichtet hat. Auch auf diesen Grund (Verzicht) kann sich die sofortige Wirkung des Einziehungsbeschlusses hinsichtlich der Gesellschaftsanteile des Dr.G... nicht gründen.

4. Nach allem wurden die Gesellschaftsanteile des Dr.G... -mangels Zahlung des Abfindungsbetrages- nicht wirksam eingezogen. Sie blieben Teil des Vermögens des Schuldners Dr.G... und damit tauglicher Gegenstand von Pfändungs- und weiteren Vollstreckungsmaßnahmen. Hindernde Rechte stehen den Klägern insoweit nicht zu.

Demnach hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger bleibt ohne Erfolg und ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs.1 ZPO; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs.2 ZPO vorausgesetzten Gründe nicht gegeben sind.

Die Entscheidung beachtet die obergerichtliche Rechtsprechung und gründet sich vor allem auf die Auslegung der für den hier vorliegenden Fall einschlägigen Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 2..

Der Wert des Berufungsverfahrens wird in Übereinstimmung mit der Festlegung in dem angefochtenen Urteil auf 25.564,59 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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