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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 10 U 1097/99
Rechtsgebiete: ZPO, VVG
Vorschriften:
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
VVG § 43 Nr. 1 | |
VVG § 43 Nr. 2 |
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -
Geschäftsnummer: 10 U 1097/99 4 O 300/908 LG Trier
Verkündet am 31. März 2000
Wolff, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 9. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Der Kläger hat als Bezugsberechtigter keinen Anspruch auf Leistungen aus der von seiner verstorbenen Ehefrau (Versicherungsnehmerin) geschlossenen Lebensversicherung, denn die Beklagte ist nach berechtigtem Rücktritt von dem Lebensversicherungsvertrag infolge Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht leistungsfrei geworden (§§ 16, 17, 20, 21 VVG).
1. Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat zu dem Ergebnis geführt, dass die verstorbene Versicherungsnehmerin bei Aufnahme des Versicherungsantrages vom 24.01.1997 (Bl. 5 bis 6) ihre vorvertragliche Anzeigepflicht zu den jeweils mit "nein" angekreuzten Gesundheitsfragen verletzt hat (§§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 VVG).
Die Versicherungsnehmerin litt unstreitig zumindest seit Juli 1995 unter ärztlich behandeltem Bluthochdruck und sie erhielt hierfür laufende Medikamente verordnet; darüber hinaus sind ihre Angaben über Körpergröße (160 cm) und Körpergewicht (50 kg) falsch, denn die Versicherungsnehmerin ist wesentlich kleiner gewesen und sie hatte auch ein höheres Gewicht gehabt. Wie aus den vom Senat für glaubhaft erachteten Bekundungen des Versicherungsagenten K....., der seine bereits urkundlich belegte frühere Stellungnahme vom 02.05.1998 (Bl. 50 bis 52) gegenüber der Beklagten im Wesentlichen bestätigt hat, folgt, ist der zeuge bei Antragsaufnahme die Formularfragen im Einzelnen durchgegangen und er hat den Antrag entsprechend den mündlichen Angaben der Versicherungsnehmerin ausgefüllt. Er hat ihr sodann das ausgefüllte (aber noch nicht unterschriebene) Formular wunschgemäß zunächst überlassen, damit sie vor ihrer Unterschrift nochmals eine Nacht darüber schlagen könne, und er hat am folgenden Tag das nunmehr von der Versicherungsnehmerin unterschriebene Antragsformular abgeholt und an die Beklagte weitergeleitet.
Damit ist erwiesen, dass die Versicherungsnehmerin Kenntnis von den einzelnen Fragen aus dem Antragsformular erlangt und sie die erfragten Tatsachen - mündlich sowie schriftlich - unrichtig beantwortet hatte. Der Senat kann demgemäß nicht feststellen, dass die Versicherungsnehmerin - wie der Kläger sinngemäß behauptet hat - damals lediglich ein Blankoformular unterschrieben und der Versicherungsagent das Formular eigenmächtig ausgefüllt haben soll.
2. Der Kläger kann sich nicht auf Kenntnis der Beklagten von den unrichtig angegebenen Umständen berufen (§§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2 VVG).
Der Kläger will eine Kenntnis der Beklagten daraus herleiten, dass der für sie handelnde Versicherungsagent bei Antragsaufnahme eine entsprechende Kenntnis erlangt habe. Dieser Einwand ist indessen unbegründet.
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherungsagent als "Auge und Ohr" des Versicherers über den Wortlaut des § 43 Nr. 1 und Nr. 2 VVG hinaus zwar eine Empfangsvollmacht für vorvertragliche - auch mündliche - Anzeigen des Versicherungsnehmers mit der Folge, dass alles, was der Versicherungsagent bei Antragsaufnahme vom Versicherungsnehmer oder einem Dritten mitgeteilt bekommt, auch zur Kenntnis des Versicherers gelangt (BGH, VersR 1989, 398 und ständig; Römer/Langheid, VVG, SS 16, 17 Rdnr. 20 bis 21 mit Nachweisen); privates Wissen des Versicherungsagenten reicht dabei indessen nicht aus (vgl. BGH, VersR 1990, 150/151). Nach der dargestellten ständigen Rechtsprechung scheidet eine Zurechnung zu Lasten der Beklagten im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil die Versicherungsnehmerin aufgrund des oben dargestellten Ergebnisses der Beweisaufnahme keine richtigen mündlichen/schriftlichen - Erklärungen gegenüber dem Versicherungsagenten - abgegeben hat. Folglich sind zur Kenntnis der Beklagten auch keine mündlichen/schriftlichen Erklärungen der Versicherungsnehmerin gelangt, die sie - außerhalb des Antragsformulars - gegenüber dem zeugen abgegeben haben könnte.
Wie bereits dargestellt, rechtfertigt ein etwaiges privates Wissen des Versicherungsagenten von Gefahrumständen - ohne entsprechende Anzeigen/Mitteilungen des Versicherungsnehmers - keinesfalls eine Zurechnung zu Lasten des Versicherers (BGH, VersR 1990, 150/151; Römer/Langheid, a.a.O., §§ 16, 17 Rdnr. 21). Aus einem privaten Wissen des Versicherungsagenten bei Antragsaufnahme, das der Zeuge im vorliegenden Fall jedoch ausdrücklich verneint hat, könnte allerdings ein dem Versicherer ebenfalls nicht zuzurechnendes kollusives Zusammenwirken zwischen Versicherungsagent und Versicherungsnehmer folgen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 43 Rdnr. 27 bis 28; Römer/Langheid, a.a.O., § 43 Rdnr. 28). Auf eine Vernehmung der vom Kläger benannten übrigen Zeugen, mit denen er einen privaten Kenntnisstand des Versicherungsagenten von den erfragen Gefahrumstände aufzeigen will, kommt es folglich nicht an, denn diese Tatsache würde an dem Ergebnis nichts ändern, sondern nur an dessen Begründung (kollusives Zusammenwirken).
3. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf fehlendes Verschulden der Versicherungsnehmerin (§§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2 VVG).
Es kommt nicht darauf an, ob die Versicherungsnehmerin den Versicherungsagenten angeboten haben will, ein ärztliches Attest einzuholen. Aufgrund des unter Ziffer 1 dargestellten Beweisergebnisses steht fest, dass die Versicherungsnehmerin die erfragten Gefahrumstände - mündlich/schriftlich - unrichtig beantwortet hatte und wusste, dass das inhaltlich unzutreffend ausgefüllte unterschriebene Antragsformular, ohne Benennung eines Arztes, an die Beklagte zur Entscheidung über ihren Antrag weitergeleitet werden würde.
4. Der Kläger kann sich letztlich auch nicht auf Versäumung der Rücktrittsfrist berufen (§ 20 VVG), denn die Beklagte hat Kenntnis von den unrichtig beantworteten Fragen erst nach dem Tod der Versicherungsnehmerin bei Prüfung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen erlangt (Bl. 7).
Die vom Kläger behauptete frühere Kenntnis bei Stellung des Versicherungsantrages vom 24.01.1997 entfällt aus den bereits oben unter Ziffer 2 dargestellten Gründen.
5. Eine Leistungspflicht trotz Rücktritts (§ 21 VVG) hat das Landgericht beanstandungsfrei verneint.
Die Berufung ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus, §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer des Klägers werden auf 28.468 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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