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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 10 U 1328/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Der verurteilte Beklagte kann zulässigerweise mit der Berufung erstmals geltend machen, dass er prozessunfähig sei. Erweist sich dies als von Prozessbeginn an zutreffend, sind auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen. Es ist Sache des Klägers, nicht des Berufungsgerichts, in Richtung auf eine ordnungsgemäße Vertretung des Beklagten tätig zu werden.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 U 1328/06 Verkündet am 22. Februar 2008

in dem Rechtsstreit Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2008 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 21. August 2006 aufgehoben. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gründe:

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung eines diesem nach der Behauptung des Klägers gewährten Darlehens. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit welcher er geltend macht, das Landgericht habe verkannt, dass er prozessunfähig sei. Er sei bereits sei mehreren Jahren ununterbrochen prozessunfähig. Er befinde sich wegen einer Paranoia-Erkrankung in langjähriger psychiatrischer Behandlung und sei im Jahr 2005 sogar fünf Monate in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Klinik Nettegut gewesen. Er sei seit mehreren Jahren nicht mehr in der Lage gewesen, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Zur Erfassung von Sachzusammenhängen und zu sachlichen Äußerungen sei er nicht mehr in der Lage.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der Entscheidung des Landgerichts wird auf das landgerichtliche Urteil sowie auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben über die Prozessfähigkeit des Beklagten gemäß dem Beweisbeschluss vom 1. Juni 2007 (Bl. 139 GA). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Roger A. (Bl. 155 GA) nebst dem psychologischen Zusatzgutachten des Diplompsychologen Wolf Dieter B. (Bl. 168 ff GA) verwiesen. II. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Berufung ist zulässig, auch wenn aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten feststeht, dass der Beklagte nicht prozessfähig ist. Zwar ist für die Zulässigkeit der Berufung grundsätzlich die Prozessfähigkeit des Berufungsklägers als Prozesshandlungsvoraussetzung erforderlich, jedoch muss im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes auch der Prozessunfähige die Möglichkeit haben, den Prozess durch seine Handlungen in die höherere Instanz zu bringen, um eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung darauf zu erreichen, ob die Vorinstanz ihn zu Recht als prozessfähig oder prozessunfähig behandelt hat (BGHZ 143, 122, 127). Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil die Prozessvoraussetzung der Prozessfähigkeit des Beklagten fehlt. Aufgrund des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen A. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte nicht prozessfähig ist. Der Sachverständige hat insoweit nach umfassender Untersuchung die Behauptungen des Beklagten hinsichtlich des Vorliegens einer Paranoia-Erkrankung und darauf basierender Defizite hinsichtlich Willensbildungsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit bestätigt und nachvollziehbar begründet, dass der Beklagte nur eingeschränkt zur Interessenwahrnehmung im prozessualen Kontext in der Lage und damit prozessunfähig ist. Die Ausführungen des Sachverständigen A. werden untermauert und bestärkt durch die Darlegungen in dem eingeholten Zusatzgutachten des Diplompsychologen B., der aufgrund seiner Untersuchungen ebenfalls zu dem Ergebnis einer Prozessunfähigkeit des Beklagten gekommen ist. Die Prozessfähigkeit der Parteien beziehungsweise ihre ordnungsgemäße Vertretung ist in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu prüfen. Bei Feststellung der Prozessunfähigkeit einer Partei kann auch in der Rechtsmittelinstanz ein Sachurteil nicht ergehen. Die von einer oder gegen eine prozessunfähige Partei erhobene Klage ist unzulässig. Sie ist auch noch im Rechtsmittelzug als unzulässig abzuweisen. Amtsprüfung bedeutet nicht, dass, wie der Kläger geltend machen will, das Gericht bei Feststellung der Prozessunfähigkeit einer Partei verpflichtet ist, Schritte in die Wege zu leiten, deren gesetzlichen Vertreter zu ermitteln oder die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die Wege zu leiten. Es ist vielmehr Sache des jeweiligen Klägers, im Zivilprozess nach der diesen beherrschenden Parteimaxime die Sachurteilsvoraussetzungen zu schaffen. Hierzu hat er die Möglichkeit, bei den Organen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Bestellung eines Betreuers anzuregen und so eine ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung der prozessunfähigen Partei herbeizuführen. Dies gilt nicht nur, wenn die Prozessunfähigkeit bereits bei Klageerhebung vorliegt, sondern auch dann, wenn die Prozessunfähigkeit erst im Laufe des Rechtsstreits eintritt. Auch in diesem Fall ist es entgegen der Auffassung des Klägers nicht Aufgabe des Gerichts, die Bestellung eines Betreuers zu veranlassen, sondern der Kläger selbst muss insoweit tätig werden. Er hat hierzu die Möglichkeit, eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO zu beantragen, damit er die Möglichkeit hat, einen Betreuer bestellen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger nicht gestellt. Eine Aussetzung von Amts wegen kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Kläger nicht zu erkennen gegeben hat, dass er beabsichtigt tätig zu werden, um die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für den Beklagten zu veranlassen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch davon auszugehen, dass der Beklagte bereits bei Zustellung des Mahnbescheides am 12. September 2005 prozessunfähig war. Der Beklagte hat dargelegt, dass er sich bereits seit mehreren Jahren wegen einer Paranoia-Erkrankung in psychiatrischer Behandlung befindet. Unstreitig war er im Jahr 2005 mehrere Monate in stationärer psychiatrischer Behandlung. Dies spricht dafür, dass bereits im Jahre 2005 Prozessunfähigkeit seitens des Beklagten vorgelegen hat. Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, darzutun und nachzuweisen, dass der Beklagte bei Zustellung des Mahnbescheides noch prozessfähig war; für eine weitere Nachprüfung von Amts wegen ist eine Veranlassung nicht zu erkennen. Auf die Berufung des Beklagten ist damit das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.600 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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