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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 10 U 51/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 765 | |
BGB a.F. 138 |
Der Bürge kann sich nicht darauf berufen, aus reiner emotionaler Verbundenheit zum Vater eine Bürgschaftserklärung abgegeben zu haben, wenn er Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer der GmbH (Hauptschuldnerin) war und er über das wirtschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Unternehmens auch als Mitgeschäftsführer die Geschicke des Unternehmens in der Hand hatte.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Hinweisbeschluss
(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO) Geschäftsnummer: 10 U 51/04
in dem Rechtsstreit
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
am 9. September 2004
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 19. November 2004.
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem Bürgschaftsvertrag in Anspruch.
Seit 1999 hielt der Beklagte 20 % der Geschäftsanteile der Firma K. Extramobile Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH und war neben seinem Vater Geschäftsführer der Firma. Mit Kreditvertrag vom 25.05./30.05.2000 gewährte die Klägerin obiger Firma einen Kredit von 330.000,-- DM. Der Beklagte hat diesen Vertrag in seiner Eigenschaft als Mitgeschäftsführer neben seinem Vater unterschrieben. Mit Schreiben vom 31.05.2000 wurde der Beklagte von der Klägerin gebeten, eine selbstschuldnerische Bürgschaft für den bereits gewährten Kredit zu übernehmen. Die Klägerin weist in dem Schreiben darauf hin, dass sie keinen Anspruch auf Hereinnahme der Bürgschaft habe (GA 56). Am 08.06.2000 übernahm der Beklagte die selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von 330.000,-- DM für den bereits gewährten Kredit vom 30.05.2000 in gleicher Höhe an die Firma Extramobile Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH.
Der Kredit der Firma K. GmbH wurde im Jahre 2001 notleidend. Mit Schreiben vom 08.02.2001 kündigte die Klägerin den Kreditvertrag, weil versprochene Rückzahlungsbeträge nicht geleistet worden waren und auch eine ungenehmigte Kontoüberziehung von 7.471,35 DM nicht zurückgeführt worden war. Am 01.10.2001 wurde das Insolvenzverfahren über die Firma K. GmbH eröffnet. Das Insolvenzgericht hat die Anmeldung zur Insolvenztabelle aus dem oben genannten Kredit in Höhe von 182.154,49 Euro akzeptiert.
Mit Schreiben vom 18.01.2002 wurde der Beklagte von der Klägerin als Bürge in Anspruch genommen und zur Zahlung bis zum 18.03.2002 aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Bürgschaftsvertrag mit dem Beklagten nicht sittenwidrig sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, als Bürge an sie 168.726,32 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2002 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Bürgschaftsvertrag sei sittenwidrig. Bei Vertragsschluss sei der Klägerin die krasse Überforderung des Beklagten sowie die dominierende Stellung des Vaters des Beklagten bekannt gewesen. Der Beklagte habe aus emotionaler Verbundenheit mit seinem Vater die Verpflichtung übernommen. Zur Zeit habe er kein Vermögen, sei verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sein derzeitiges Einkommen liege unter 2.000,--€ im Monat. In übrigen bestreite er die Höhe der Hauptverbindlichkeit mit Nichtwissen.
Das Landgericht hat den Beklagten aus Bürgschaftsvertrag zur Zahlung von 168.726,32 € nebst Zinsen verurteilt, nachdem es eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages nicht angenommen hat.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er hält nach wie vor an seiner Auffassung fest, dass der Bürgschaftsvertrag sittenwidrig sei.
Der Beklagte beantragt nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das abgefochtene Urteil zurückzuweisen.
II.
Das Landgericht hat zu Recht der Klage entsprochen. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Zahlungsanspruch aus Bürgschaftsvertrag gemäß §§ 765, 767 BGB zu. Die Parteien haben am 8.6.2000 einen Bürgschaftsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat die Bürgschaft für den Kredit der Klägerin an die Firma K. GmbH in Höhe von 330.000,--DM (168.726,32 €) übernommen. Die Klägerin hat der Hauptschuldnerin den Kredit gekündigt und nach ausgebliebener Rückzahlung des Kredits den Beklagten als Bürgen in Anspruch genommen.
Da der Beklagte Mitgeschäftsführer der Hauptschuldnerin war, er deshalb Gelegenheit hatte, in sämtliche Kontobewegungen Einblick zu halten, kann er die Höhe der Hauptforderung nicht mit Nichtwissen bestreiten.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Bürgschaftsvertrag sittenwidrig ist. Eine Sittenwidrigkeit ergibt sich insbesondere nicht unter dem Aspekt der krassen Überforderung von Familienmitgliedern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bürgschaft unwirksam, wenn deren Verpflichtungsumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich übersteigt und weitere Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Verpflichtung des Bürgen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers als rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen lässt. Solche Umstände können darin liegen, dass die Entscheidungsfreiheit des Bürgen in anstößiger Weise beeinträchtigt wurde und der Gläubiger sich dies zurechnen lassen muss (BGH Urt. V. 18.12.1997 - IX ZR 271/96 - NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGHZ 125, 206, 210 f. = NJW 1994, 1278; BGHZ 128, 230, 232, 234 = NJW 1995, 592; BGHZ 132, 328, 330 = NJW 1996, 2088; BGH Urt. V. 18.1.1996 - IX ZR 171/95 - ZIP 1996, 495 = NJW 1996, 1274). Dies betrifft zum einen Fälle, in denen Hauptschuldner und Bürge durch Verwandtschaft, Ehe oder eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft persönlich eng miteinander verbunden sind. Zum anderen können diese Voraussetzungen auch dann gegeben sein, wenn zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner eine entsprechende persönliche Beziehung nicht besteht (BGH ZIP 1998, 196, 197; Urt. V. 16.1.1997 - IX ZR 250/95 - ZIP 1997, 446; vgl. auch Senatsurteile vom 21. Juni 2002 - 10 U 1116/01 und vom 7. April 2000 - 10 U 753/98). Die Anwendung vorgenannter Grundsätze scheitert jedenfalls nicht daran, dass der Bürge oder Mithaftende für eine GmbH eine Verpflichtung eingegangen ist, deren Gesellschafter er war (BGH ZIP 1998, 196, 197). Bürgschaften von Kindern und Lebenspartnern des Hauptschuldners können auch dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht, d.h. dessen finanzielle Mittel, bezogen auf die Höhe der gesamten Hauptschuld, praktisch bedeutungslos sind und ein berechtigtes Interesse des Kreditgebers an einer Verpflichtung in dem vereinbarten Umfang unter keinem Gesichtspunkt anerkannt werden kann (BGHZ 132, 328, 330 f. = NJW 1996, 2088 = ZIP 1996, 1126). Eine Bürgschaft kann schon deshalb nichtig sein, weil der wirtschaftlich krass überforderte Bürge aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt hat (BGHZ 125, 206, 210 f = NJW 1994, 1278). Jedoch sind dabei alle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 597, 598 = ZIP 1998, 196, 197; BGH NJW 1996, 1274 = ZIP 1996, 520).
Der BGH hat indes auch entschieden, dass ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, in der Regel ein berechtigtes Interesse daran hat, die persönliche Haftung aller Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu verlangen. Ein Bank darf im Allgemeinen davon ausgehen, dass derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt (BGH NJW 1998, 597, 59 = ZIP 1998, 196, 198). Für den Kreditgeber besteht keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übernommen wird. Dies gilt auch gegenüber Gesellschaftern, denen nur die Funktion eines Strohmanns zukommt. Da Strohmanngeschäfte ernst gemeint und infolgedessen rechtlich wirksam sind, braucht der Kreditgeber sich grundsätzlich nicht darum zukümmern, warum der Strohmann bereit ist, die Bürgschaft zu erteilen. So darf eine Bank etwa annehmen, der Strohmann handele aus wirtschaftlich vernünftigen, allein von ihm selbst zu verantwortenden Gründen, solange nicht das Gegenteil positiv bekannt ist. Nur wenn der Kreditgeber in die wirtschaftlichen Hintergründe des Kreditgeschäfts so eingebunden wird, dass für ihn die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, darf er die Augen davor nicht verschließen. Erkennt der Kreditgeber infolge der ihm offenbarten Tatsachen, dass derjenige, der die Haftung übernehmen soll, wirtschaftlich nicht beteiligt wird und die Stellung eines Gesellschafters nur aus den für Verwandten- und Ehegattenbürgschaften typischen Erwägungen übernommen hat, er damit auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, so kann die getroffene Haftungsvereinbarung sich im Einzelfall als für den Gesellschafter unzumutbare Belastung erweisen.
Unter Berücksichtigung der Kriterien, die der BGH an eine Sittenwidrigkeit eines Bürgschaftsvertrages wegen krasser Überforderung eines Familienmitglieds stellt, lässt sich vorliegend eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages nicht begründen. Zutreffend stellt das Landgericht darauf ab, dass die Art und Weise, wie der Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist, eindeutig gegen ein sittenwidriges Verhalten der Klägerin spricht. Hier wurden Kreditvertrag und Bürgschaftsvertrag nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang abgeschlossen oder gar die Gewährung des Kredits an den Abschluss des Bürgschaftsvertrages geknüpft. Denn ausweislich des Schreibens der Klägerin an den Beklagten vom 31.5.2000 (GA 56) war der Kredit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages im Juni 2000 längst bewilligt und ausgezahlt. Die Klägerin führt nämlich in ihrem Anschreiben selbst aus,
"... Da der Kreditvertrag bereits geschlossen wurde, haben wir keinen Anspruch mehr, die Bürgschaften nachträglich als Sicherheit hereinzunehmen. Wir bitten Sie wohlwollend zu prüfen, ob Sie, sehr geehrter Herr Dirk B. und Herr Heinz B., bereit sind, die selbstschuldnerische Bürgschaft nachträglich zu übernehmen. ..."
Wie das Landgericht zu Recht ausführt, spricht diese Situation ganz entschieden dagegen, dass der Beklagte beim Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages überrumpelt und über die Bedeutung seiner Unterschriftsleistung getäuscht worden ist. Der Beklagte war im Übrigen nicht nur Mitgesellschafter, sondern auch Mitgeschäftsführer der Fa. K. Extramobile Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH. Er hatte daher über das wirtschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Unternehmens hinaus auch als Mitgeschäftsführer die Geschicke des Unternehmens in der Hand. Der Beklagte kann sich deshalb entgegen den Ausführungen der Berufung nicht darauf berufen, er habe aus rein emotionaler Verbundenheit zum Vater die Bürgschaftserklärung abgegeben. Auch greift das Argument nicht, die übernommene Bürgschaft übersteige seine finanzielle Leistungsfähigkeit. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung gemäß einer Selbstauskunft vom 10.6.2000 über ein erhebliches monatliches Einkommen und sonstiges Vermögen verfügt zu haben (Anlage K 10, Ga 71-73). Danach verfügte er nach Abzug von Verbindlichkeiten über ein Vermögen von 1,3 Mio. DM (1.670.000,--DM ./. 370.000,--DM). Sein Jahreseinkommen betrug im Jahr 2000 277.000,--DM (GA 72). Angesichts dieser wirtschaftlichen Situation kann nicht ernsthaft von einer krassen Überforderung des Beklagten gesprochen werden. Auch die übrigen Ausführungen der Berufungsbegründung geben zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 168.726,32 € festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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