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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.03.2004
Aktenzeichen: 10 U 550/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
1. Wer sein Fahrzeug unverschlossen und mit laufendem Motor mit eingestecktem Zündschlüssel in einer europäischen Großstadt abstellt und unbeaufsichtigt zurücklässt, sich ca. 100 m entfernt, dabei sogar um eine Ecke geht, ohne das Fahrzeug derart im Blickfeld zu haben, dass er eine Einwirkung Dritter auf das Fahrzeug zumindest hätte wahrnehmen können, verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße. Dieses Verhalten stellt geradezu eine Einladung für potentielle Diebe dar, das Fahrzeug zu entwenden.

2. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer übergäbe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (in Anknüpfung an BGHZ 122, 250,252 ff. = VersR 1993, 828, 829; BGH Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935, 2936; Senatsurteile vom 20. November 1998 - 10 U 1428/97 - NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 und vom 22.12.2000 - 10 U 508/00 - NVersZ 2001, 325 = OLGR 2001, 353 = VersR 2001, 1507).

Der Versicherer ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen auf eine Übernahme der Risikoverwaltung seitens des Ehemannes geschlossen werden kann. Es gibt zunächst keinen Anscheinsbeweis dafür, dass dem Ehemann der VN allein aufgrund des Ehegattenverhältnisses die Risikoverwaltung für das versicherte Fahrzeug übertragen worden ist. Die Überfassung der Obhut über das Fahrzeug, auch für einen längeren Urlaub in Jugoslawien, genügt für die Annahme einer Repräsentantenhaftung allein nicht (Senatsurteil NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231; vgl. für den selbständigen Handelsvertreter z.B. Senatsurteil NVersZ 2001, 325 = VersR 2001, 1507 = OLGR 2001, 353).

3. Ist der Ehemann Eigentümer des von der VN versicherten PKW's handelt es sich hinsichtlich des Kaskorisikos um eine Versicherung für fremde Rechnung. Die VN muss sich das grob fahrlässige Fehlverhalten ihres Ehemannes zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung, aber nach § 79 VVG zurechnen lassen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 550/03

Verkündet am 12. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Reiff auf die mündliche Verhandlung vom

13. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 8. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Teilkaskoversicherung wegen Diebstahls ihres PKW's in Anspruch.

Der Ehemann der Klägerin fuhr mit dem PKW Mercedes Sprinter-312 td (Kleintransporter) am 15.12.2001 in seine Heimatstadt nach P... in Jugoslawien. Für den Zeitraum vom 15.12.2001 bis 15.1.2002 schloss die Klägerin als Versicherungsnehmerin eine Auslandsversicherung ab.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe aufgrund ehelicher Probleme mit ihrem Ehemann vereinbart, dass dieser mit dem Fahrzeug nach Jugoslawien fahre und dort eine längere Zeit verbleibe. Am 14.1.2002 sei das Fahrzeug in Belgrad gestohlen worden. In ihrer Strafanzeige gegenüber der Polizeiinspektion L... (GA 27) hat sie angegeben, ihr Ehemann habe den PKW gegen 8.15 Uhr in der Nähe eines Parkplatzes abgestellt, um an einem Automaten einen Parkschein zu ziehen. Dabei habe er sein Fahrzeug offen und den Motor laufen lassen. Der Schlüssel sei im Zündschloss gewesen. Er habe sein Fahrzeug nicht im Blickfeld gehabt. Nachdem er den Schein gezogen habe, habe er das Fehlen des Fahrzeugs festgestellt. Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen sei. Das Fahrzeug sei für sie durch ihren Ehemann erworben worden. Das Fahrzeug habe einen Wert von 15.650,00 Euro gehabt, als es entwendet worden sei.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 15.496,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 08.02.2002 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat den Diebstahl des PKW's und die Eigentümerstellung der Klägerin bestritten und sich auf Leistungsfreiheit berufen. Der Ehemann, der tatsächlich Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sei und dieses ausschließlich genutzt habe, habe grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeigeführt. Die Klägerin müsse sich das Verhalten ihres Ehemanns unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung zurechnen lassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, wer Eigentümer des Fahrzeugs gewesen und ob es überhaupt zu einem Diebstahl gekommen sei. Der Beklagte sei jedenfalls nach § 61 VVG leistungsfrei, da der vermeintliche Diebstahl zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden und der Ehemann Repräsentant der Klägerin gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Es mag dahinstehen, ob die Klägerin das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt hat. Den Vortrag der Klägerin zum Geschehensablauf als wahr unterstellt, ist der Beklagte jedenfalls gemäß § 61 VVG leistungsfrei geworden, da der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt ist. Die Klägerin muss sich das Verhalten ihres Ehemanns zurechnen lassen.

Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass das Verhalten des Ehemanns sich als grob fahrlässiges Fehlverhalten darstellt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt und nicht das beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 10, 14,16 = VersR 53, 335; VersR 1984, 551 (552); VersR 1988, 1147; Prölss/Martin, VVG Kommentar, 1998, § 6 Anm. 117). Es muss sich auch subjektiv um ein unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das sich gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit als gesteigertes Verschulden darstellt (BGH ZfS 1986, 376; NJW 1992, 2418).

Wer sein Fahrzeug unverschlossen und mit laufendem Motor mit eingestecktem Zündschlüssel in einer europäischen Großstadt abstellt und unbeaufsichtigt zurücklässt, sich ca. 100 m entfernt, dabei sogar um eine Ecke geht, ohne das Fahrzeug derart im Blickfeld zu haben, dass er eine Einwirkung Dritter auf das Fahrzeug zumindest hätte wahrnehmen können, verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße. Dieses Verhalten stellt - wie das Landgericht zutreffend ausführt - geradezu eine Einladung für potentielle Diebe dar, das Fahrzeug zu entwenden.

Das Landgericht hat das schwere Fehlverhalten des Ehemanns der Klägerin als Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zugerechnet. Es hat dies damit begründet, dass das Fahrzeug dem Ehemann für längere, sogar unbestimmte Zeit überlassen worden und damit vollständig aus der Obhut der Klägerin entlassen worden sei. Ihm habe es oblegen, das Fahrzeug zu warten und für die Fahrtauglichkeit zu sorgen. Er sei hiernach Repräsentant gewesen. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGHZ 122, 250,252 ff. = VersR 1993, 828, 829; BGH Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935, 2936; Senatsurteile vom 20. November 1998 - 10 U 1428/97 - NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231 und vom 22.12.2000 - 10 U 508/00 - NVersZ 2001, 325 = OLGR 2001, 353 = VersR 2001, 1507; vgl. auch Prölss/Martin, VVG Komm., 26. Aufl. 1998, § 61 Rn. 3 und § 6 Rn. 58).

Das Landgericht hat offen gelassen, ob der Ehemann der Klägerin Eigentümer des Kleintransporters gewesen ist, und ausschließlich darauf abgestellt, dass die Klägerin - unterstellt sie wäre Eigentümerin - die Gefahrverwaltung dem Ehemann übertragen und er in vollem Umfange die Betreuung übernommen habe. Die vom Landgericht festgestellten tatsächlichen Anhaltspunkte reichen indes für die Annahme einer Repräsentantenhaftung nicht aus.

Der Beklagte ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen auf eine Übernahme der Risikoverwaltung seitens des Ehemannes geschlossen werden kann. Es gibt zunächst keinen Anscheinsbeweis dafür, dass dem Ehemann der Klägerin allein aufgrund des Ehegattenverhältnisses die Risikoverwaltung für das versicherte Fahrzeug übertragen worden ist. Die Überlassung der Obhut über das Fahrzeug genügt für die Annahme einer Repräsentantenhaftung nicht (Senatsurteil NJW-RR 1999, 536 = NVersZ 1999, 482 = VersR 1999, 1231). Dass der Ehemann sich für einen längeren Zeitraum mit dem PKW nach Jugoslawien begeben hat, reicht ebenfalls nicht aus. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts hatte die Klägerin den PKW nicht dem Ehemann für einen unbestimmten Zeitraum überlassen. Dagegen spricht, dass die Klägerin für einen vorher exakt festgelegten Zeitraum von einem Monat eine Auslandsversicherung" für dieses Fahrzeug abgeschlossen hat. Es wird auch nichts dazu vorgetragen, wer für die Dauer des Auslandsaufenthalts für etwaige Reparaturkosten einzustehen hatte. Die Übernahme von Reparatur- und Wartungskosten kann ein Indiz für eine übertragene Risikoverwaltung und die Annahme einer Repräsentantenstellung sein (vgl. für den selbständigen Handelsvertreter z.B. Senatsurteil NVersZ 2001, 325 = VersR 2001, 1507 = OLGR 2001, 353), ebenso wie etwa die Frage, wer neben der Sorge um die Erhaltung des Fahrzeugs die Hauptuntersuchung nach § 29 StVO vorzunehmen hat (BGH VersR 1996, 1229,1230 = NJW 1996, 2935, 2936; OLG Frankfurt/M. VersR 1966, 838; OLG Oldenburg, VersR 1996, 841; Knappmann VersR 1997, 264). Auch hierzu fehlt jeglicher sachdienliche Vortrag.

Gleichwohl muss sich die Klägerin das grob fahrlässige Fehlverhalten ihres Ehemannes als Versicherungsnehmerin zurechnen lassen. Aufgrund des vorgelegten Prozessstoffes ist davon auszugehen, dass nicht die Klägerin, sondern ihr Ehemann, S... S..., Eigentümer des versicherten Kleintransporters gewesen ist Es handelte sich demnach hinsichtlich des Kaskorisikos um eine Versicherung für fremde Rechnung. Nach § 79 Abs. 1 VVG muss sich die Klägerin dieserhalb als Versicherungsnehmerin das grob fahrlässige Fehlverhalten ihres Ehemannes als Versicherten zurechnen lassen (vgl. Römer/Langheid, VVG, Rn. 4 zu § 79; OLG Köln, zfs 2003 S. 553).

Der Beklagte trägt als Versicherer zwar die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Ehemann und nicht die Klägerin als Versicherungsnehmerin Eigentümer des PKW's ist (§ 61 VVG). Diesen Beweis hat er jedoch zur Überzeugung des Senats, § 286 ZPO, mit der vorgelegten, als solcher unstreitigen Kaufvertragsurkunde vom 21.4.2001 (GA 22) zur Genüge erbracht. Die Urkunde trägt die (widerlegbare) Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich. Demgegenüber hat die Klägerin diese Vermutung nicht entkräften und überzeugend darlegen können, dass ihr Ehemann mit ihren finanziellen Mitteln den Transporter nur als verdeckter Stellvertreter im April 2001 auf einem Automarkt in L... für sie erworben habe. Der Vortrag der Klägerin erscheint sehr zweifelhaft. Auf der einen Seite gibt sie an, dass sie den PKW zu gewerblichen Zwecken, d.h. zur Durchführung von Flughafen-Transfers, habe nutzen wollen (GA 39). Auf der anderen Seite hat sie ein solches Gewerbe nicht betrieben, befand sich zum Zeitpunkt des behaupteten Diebstahls in Mutterschutz und übte lediglich eine Tätigkeit als Hausfrau aus (GA 39). Warum die Klägerin einen Mercedes-Sprinter-Transporter mit abgetrennter Fahrerkabine benötigte, ist nicht nachvollziehbar. Auch kann angesichts des nicht geringen Kaufpreises des PKW's von 36.000,-- DM und der versicherungsrechtlichen Aspekte, die mit dem Kauf eines PKW's verbunden sind, nicht ohne weiteres - wie die Klägerin vorträgt - von einem "Geschäft für den, den es angeht" gesprochen werden. Weiteren Gegenbeweis hat sie nicht angetreten.

Der Beklagte ist mithin gemäß §§ 61, 79 Abs. 1 VVG leistungsfrei.

Da der Klägerin nicht bekannt ist, wo sich zwischenzeitlich der von ihr geschiedener Ehemann aufhält oder wohnhaft ist, kann auch eine weitere informatorische Sachaufklärung, zu der der Senat vorsorglich unter Vorbehalt einer förmlichen Beweisanordnung den Ehemann beizuladen versucht hatte, nicht erfolgen.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.496,61 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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