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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 17.04.2001
Aktenzeichen: 10 W 146/01
Rechtsgebiete: ARB 94, ARB 75, BGB
Vorschriften:
ARB 94 § 4 Abs. 1 c) | |
ARB 94 § 3 | |
ARB 75 § 14 | |
BGB § 812 Abs. 1 |
2. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszusammenhang der ARB sowie dem Bedürfnis, von der Versichertengemeinschaft Rechtskonflikte fernzuhalten, die bei Versicherungsbeginn schon vorprogrammiert sind, ergibt sich dass § 4 Abs. 1 c), Abs. 3 a) ARB 94 keine Unterscheidung hinsichtlich des Verhaltens des Versicherungsnehmers trifft, für das er Rechtsschutz begehrt. Mit der Regelung der ARB soll erkennbar vermieden werden, dass die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags bereits die erste Stufe der konkreten Gefahrverwirklichung erreicht haben.
3. Für die Bestimmung des Versicherungsfalles ist gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer angreifen oder sich verteidigen will. Entscheidend ist, ob die Gegenseite die Behauptung eines Verstoßes des Versicherungsnehmers zur Stützung ihrer Rechtsposition heranzieht, ob diese Behauptung also Grundlage der außergerichtlichen Auseinandersetzung oder des Prozesses ist oder wird. Ist dies der Fall, dann gilt der Versicherungsfall im Zeitpunkt des behaupteten Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten, und zwar auch dann, wenn zunächst zeitlich später liegende Verstöße des Versicherungsnehmers den Rechtskonflikt ausgelöst haben. Nur dann, wenn es sich bei den Einwendungen der Gegenseite nur um ein nicht eigentlich streitauslösendes Kolorit handelt, bleibt dieser behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers für die Festlegung des Zeitpunkts des Versicherungsfalles außer Betracht (in Anknüpfung an BGH VersR 1984, 530f.; BGH VersR 1985, 540; 1983, 125; OLG Düsseldorf VersR 1986, 865).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss
In Sachen
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert
am 17. April 2001
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 5. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
I.
Der Antragsteller ist seit dem 18.03.1997 bei der Antragsgegnerin rechtsschutzversichert. Er verlangt von der Antragsgegnerin Ersatz der ihm im Rechtsstreit gegen die Firma L., Landgericht Mainz, Az.: ... entstandenen bzw. noch entstehenden Kosten, zum Teil im Wege der Freistellung. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die in diesem Zusammenhang bereits geleisteten Zahlungen von ihm zurückzufordern. Mit der Klage gegen die Firma L. hat der Antragsteller Ansprüche aus einem Vertrag geltend gemacht, der bereits am 16.12.1996 unterzeichnet worden war. Das Landgericht hat die Klage, für welche die Antragsgegnerin Kostenschutz zugesagt hatte, abgewiesen. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 14.12.1999 (GA 17) für die Einlegung der Berufung Kostenschutz erteilt, mit Schreiben vom 1.3.2000 und 11.4.2000 für das Berufungsverfahren Deckungsschutz versagt und die Zahlungen für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens zurückgefordert (GA 18, 23). Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass gemäß § 4 Abs. 1 c bzw. § 4 Abs. 3 a ARB 94 kein Versicherungsschutz bestehe, weil der Honoraranspruch auf einer vor Eintritt des Versicherungsschutzes getroffenen Vereinbarung vom 16.12.1996 beruhe, deren Wirksamkeit zwischen dem Antragsteller und der Firma L. streitig sei. Letztere habe sich darauf berufen, dass der Vertrag vom 16.12.1996 von dem Antragsteller gefälscht und im übrigen ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt habe.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde.
II.
Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
1) Nach § 4 Abs. 1 c) ARB 94 besteht ein Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Gemäß § 4 Abs. 3 besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach § 4 Absatz 1 c) ausgelöst hat (vgl. Harbaur ARB Kommentar 6. Aufl. ARB 94 § 4 Rn. 5; ARB 75 Rn. 40 bis 55).
a) Für den Antragsteller besteht nach Ablauf der Wartefrist von 3 Monaten gemäß § 4 Abs. 1 c ARB 94 Versicherungsschutz ab 18.6.1997. Die von dem Antragsteller genannten Rechtsverstöße der Firma L. d. h. Nichtzahlung der Honorarrechnung vom 15.7.1997 als auch das Nichterteilen weiterer Aufträge, liegen zeitlich nach Beginn des Versicherungsschutzes. Zutreffend führt das Landgericht in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung des BGH (VersR 1984, 530 f.) aus, dass es beim Aktivprozess des Versicherungsnehmers nicht nur auf den vom Versicherungsnehmer behaupteten Rechtsverstoß des Gegners, hier die Zahlungsverweigerung und Nichterteilung von Aufträgen, ankommt, sondern auch auf den vom Gegner behaupteten zeitlich vorangegangen Verstoß des Versicherungsnehmers, der den Konflikt ausgelöst hat. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszusammenhang der ARB sowie dem Bedürfnis, von der Versichertengemeinschaft Rechtskonflikte fernzuhalten, die bei Versicherungsbeginn schon vorprogrammiert sind, ergibt sich dass § 4 Abs. 1 c), Abs. 3 a) ARB 94 keine Unterscheidung hinsichtlich des Verhaltens des Versicherungsnehmers trifft, für das er Rechtsschutz begehrt. Mit der Regelung der ARB soll erkennbar vermieden werden, dass die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags bereits die erste Stufe der konkreten Gefahrverwirklichung erreicht haben. Für die Bestimmung des Versicherungsfalles ist demnach gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer angreifen oder sich verteidigen will. Entscheidend ist, ob die Gegenseite die Behauptung eines Verstoßes des Versicherungsnehmers zur Stützung ihrer Rechtsposition heranzieht, ob diese Behauptung also Grundlage der außergerichtlichen Auseinandersetzung oder des Prozesses ist oder wird. Ist dies der Fall, dann gilt der Versicherungsfall im Zeitpunkt des behaupteten Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten, und zwar auch dann, wenn zunächst zeitlich später liegende Verstöße des Versicherungsnehmers den Rechtskonflikt ausgelöst haben (vgl. Harbaur, § 4 ARB 94 Rn. 10 unter Bezugnahme auf § 14 ARB 75 Rn. 51). Nur dann, wenn es sich bei den Einwendungen der Gegenseite nur um ein nicht eigentlich streitauslösendes Kolorit handelt, bleibt dieser behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers für die Festlegung des Zeitpunkts des Versicherungsfalles außer Betracht (BGH VersR 1985, 540; 1983, 125; OLG Düsseldorf VersR 1986, 865; Harbaur, aaO, § 14 ARB 75 Rn. 52).
b) Die von dem Antragsteller geltend gemachten Forderungen beruhen letztlich auf dem Rahmenvertrag über Ingenieurleistungen vom 16.12.1996 (GA 62). Hier hat die Firma vorgetragen, dass sie nicht Vertragspartnerin des Antragstellers sei. Vielmehr habe der Antragsteller nachträglich auf dem vom Zeugen K. unterschriebenen (Blanko-)Vertrag die Fa. L. Wohnungsbaugesellschaft als Vertragspartner eingetragen und die Positionen 3 bis 5 des Vertrages eigenmächtig nachgetragen (GA 62). Schließlich habe der Zeuge K. keine Vertretungsmacht zum Abschluss des Vertrages zum Nachteil der L Wohnungsbaugesellschaft gehabt. Die Antragsgegnerin behauptet damit einen vor Versicherungsbeginn erfolgten Rechtsverstoß des Antragstellers, der letztlich Grundlage für den späteren Rechtskonflikt geworden ist. Bei dem Einwand, der Antragsteller habe nachträglich das Vertragsformular gefälscht bzw. der Zeuge K habe keine Vertretungsmacht gehabt, handelt es auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des BGH um ein nicht streitauslösendes Kolorit, sondern um einen für die Geltendmachung der Honorarforderung und der Forderung der Erteilung von weiteren Aufträgen zentralen Streitpunkt.
Die Antragsgegnerin war demnach nicht verpflichtet, für das vor dem Landgericht Mainz geführte erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren Kostenschutz zu erteilen.
2) Soweit die Antragsgegnerin für das erstinstanzliche Verfahren zunächst Deckungszusage erteilt hat, was einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis gleichkommt, ist sie gleichwohl berechtigt die geleisteten Zahlungen aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückzufordern. Der Antragsteller war gemäß § 17 Abs. 3 ARB 94 verpflichtet, die Antragsgegnerin bei Geltendmachung des Rechtsschutzanspruchs vollständig zu unterrichten. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin nicht darüber informiert, dass er selbst nachträglich die Fa. L. Wohnungsbaugesellschaft als Vertragspartei eingesetzt hatte. Dabei hat der Senat im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens aufgrund einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ein Klage von den Feststellungen des Landgerichts Mainz im Urteil vom 8.11.1999 und der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen K auszugehen. Nach den Angaben des Zeugen K (GA 67) wurde dem Antragsteller deutlich gemacht, dass auf keinen Fall ein Vertragsverhältnis mit der Firma L zustande gekommen sei. Gemäß § 17 Abs. 6 ARB 94 wird der Versicherer bei einem Verstoß gegen die Informationspflichten des § 17 Abs. 3 ARB 94 von seiner Leistung frei, es sei denn die Pflichtverletzung beruht weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit bzw. die Verletzung hat weder Einfluss auf die Feststellung des Rechtsschutzfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen gehabt. Der Antragsteller vermochte vorliegend die Verschuldensvermutung nicht zu entkräften. Der Kausalitätsgegenbeweis ist ihm nicht gelungen. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 18.7.2000 (GA 42) die Deckungszusage zudem angefochten, ohne allerdings den Anfechtungsgrund der Rechtsnorm nach zu nennen. Der Sache nach liegt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vor, weil gestützt auf die eidesstattliche Versicherung des Zeugen K der Antragsteller von vornherein wusste, dass die L nicht Vertragspartnerin war. Der Antragsteller hat demnach ohne Rechtsgrund die Deckungszusage für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht Mainz erhalten.
Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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