Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 09.05.2006
Aktenzeichen: 12 W 254/06
Rechtsgebiete: ZPO, BVerfGG


Vorschriften:

ZPO § 769 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 108 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 793
ZPO § 719 Abs. 1
ZPO § 769
BVerfGG § 31
Die sofortige Beschwerde findet nach herrschender Meinung gegen einen Beschluss gemäß § 769 Abs. 1 ZPO nicht statt. Sie ist analog § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Dagegen bestehen Bedenken aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtsmittelklarheit. Danach ist es uerst Sache des Gesetzgebers eindeutige Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln zu schaffen. Außerordentliche Rechtsmittel sind deshalb unzulässig. Aus demselben Grund sind Tatbestände, die Rechtsmittel für bestimte Konstellationen ausschließen, nicht auf andere Fälle übertragbar, wenn sich dafür kein Anhaltspunkt im Gesetz findet. Ihre analoge Anwendung kollidiert mit dem Prinzip vom Vorrang des Gesetzes.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 12 W 254/06

in dem Rechtsstreit

wegen einer Vollstreckungsabwehrklage;

hier: Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde gegen Sicherheitsleistung.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach als Einzelrichter am 9. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars M... D... aus A... (UR-Nr. ..31/2005) gegen Sicherheitsleistung durch Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 5. April 2006 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 370.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger sind nach einem Grundstückskauf vom Beklagten durch notariell beurkundeten Vertrag vom 24. Juni 2005 Miteigentümer zu je ein halb der im Grundbuch von S... Blatt ..42 laufende Nummern 1 und 2 eingetragenen Grundstücke; die Klägerin ist ferner Alleineigentümerin der im Grundbuch von R... Blatt .45 laufende Nummern 5 bis 7 eingetragenen Grundstücke. Der Beklagte betreibt aufgrund der vollstreckbaren Urkunde des Notars M... D... aus A... (UR-Nr. ..31/2005) die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger wegen einer Hauptforderung in Höhe von 1.850.000 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht Bad Kreuznach hat deshalb die Zwangsversteigerung der genannten Grundstücke angeordnet. Zudem ist eine Pfändung von Bankkonten der Kläger erfolgt. Dagegen richtet sich die auf die Behauptung einer Stundungsabrede gestützte Vollstreckungsabwehrklage der Kläger, die zugleich unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Zeugen A... den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt haben. Der Beklagte tritt der Klage mit dem Vortrag entgegen, die Behauptung der Stundungsabrede treffe nicht zu; vielmehr sei er von der Klägerin zu 1) mit Hinweisen auf laufende Finanzierungsgespräche bei Banken vielfach durch Schreiben und E-Mails vertröstet worden, obwohl er selbst dringend auf die Zahlung des Grundstückskaufpreises angewiesen sei.

Das Landgericht hat durch Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer vom 5. April 2006 die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars M... D... aus A... (UR-Nr. ..31/2005) einstweilen bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache gegen Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 1.850.00 Euro nach Maßgabe des § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingestellt und angeordnet, dass die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen nach Erbringung der Sicherheitsleistung durch die Kläger aufzuheben seien. Die Sicherheitsleistung in Höhe nur der Hauptforderung hat es für angemessen erachtet, weil die Kläger bereits Leistungen erbracht hätten, so dass nicht auch wegen der Zinsen und Kosten eine weiter gehende Sicherheitsleistung erforderlich sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht angebrachte sofortige Beschwerde des Beklagten, die auf das Verteidigungsvorbringen gegen die Vollstreckungsabwehrklage Bezug nimmt. Zugleich hat der Beklagte darum gebeten, die Entscheidung möge aufgehoben werden, auch wenn die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung erfolgt sei.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 27. April 2006 den Antrag auf Abänderung seiner Entscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abgelehnt und der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat darauf verwiesen, dass der Kläger die Zwangsvollstreckung mangels Sicherheitsleistung durch die Kläger weiter betreiben dürfe; dadurch werde seinem Interesse angemessen Rechnung getragen. Er habe andererseits nicht konkret dargelegt, welche Hindernisse ihm die angefochtene Entscheidung derzeit bei der Zwangsvollstreckung bereite. Über die Frage einer Stundungsvereinbarung der Parteien müsse voraussichtlich im Hauptsacheverfahren Beweis erhoben werden. Unter diesen Umständen komme eine Abänderung der Entscheidung nicht in Betracht.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist jedenfalls unbegründet.

1. Ob das Rechtsmittel nach § 793 ZPO zulässig ist, kann offen bleiben.

Die sofortige Beschwerde findet nach herrschender Meinung gegen einen Beschluss gemäß § 769 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht statt. Sie ist danach wegen der gleichen Interessenlage wie im Fall des § 719 Abs. 1 ZPO analog § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen (vgl. BGHZ 159, 14 ff., HansOLG Bremen MDR 2006, 229; OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 140; KG KG-Report Berlin 2005, 970 ff.; OLG München Beschl. vom 20. Mai 2005 - 21 W 1548/05; OLG Naumburg Beschl. vom 31. Januar 2006 - 14 WF 10/06; LAG Rheinland-Pfalz Beschl. vom 25. November 2005 - 2 Ta 269/05; Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage, § 769 Rn. 13).

Dagegen bestehen jedoch Bedenken aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtsmittelklarheit (vgl. OLG Hamm Beschl. vom 24. Februar 2005 - 27 W 58/04). Danach ist es zuerst Sache des Gesetzgebers möglichst eindeutige Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln zu schaffen. Außerordentliche Rechtsmittel außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen sind deshalb unzulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit der Wirkung gemäß § 31 BVerfGG festgestellt (BVerfGE 107, 395, 416 - Plenum). Aus demselben Grund dürften Ausschlusstatbestände, die gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel für bestimmte Konstellationen ausschließen, nicht auf andere Fälle übertragbar sein, wenn sich dafür kein konkreter Anhaltspunkt im Gesetz findet. Ihre analoge Anwendung kollidiert auch mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Prinzip vom Vorrang und vom Vorbehalt des Gesetzes. Ausnahmetatbestände sind zudem keiner Analogie zugänglich, weil es an einer Regelungslücke fehlt. Wo der Ausnahmetatbestand nicht eingreift, gilt die Grundsatznorm. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob es gute Gründe für den Gesetzgeber gäbe, eine entsprechende Regelung für den vergleichbaren Fall zu treffen. Solange er dies nicht getan hat, verleiht nur die Beachtung des Gesetzes dem Richter die demokratische Legitimation für seine Entscheidung.

2. Ist die sofortige Beschwerde zulässig, so hat sie im vorliegenden Fall aber jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die Einstellungsentscheidung des Landgerichts gemäß § 769 ZPO ist als Ermessensentscheidung für das Beschwerdegericht nur eingeschränkt überprüfbar. Sie entspricht aber auch sonst uneingeschränkt der Sach- und Rechtslage. Das Beschwerdegericht folgt in vollem Umfang der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO liegt nicht vor, weil die streitbare Frage der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde hier - anders als im Fall des OLG Hamm (Beschl. vom 24. Februar 2005 - 27 W 58/04), das die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, für das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht entscheidend ist.

Der nur für die außergerichtlichen Kosten maßgebliche Beschwerdewert - für die Gerichtskosten gilt Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - ist wegen der geringeren Bedeutung des einstweiligen Anordnungsverfahrens gegenüber dem Hauptsacheverfahren auf ein Fünftel des Streitwertes der Hauptsache zu veranschlagen (vgl. OLG Saarbrücken Beschl. vom 25. Mai 2005 - 9 WF 51/05) und hier von Amts wegen festzusetzen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 2 RVG in Verbindung mit §§ 42 Abs. 1 und 5 , 47 Abs. 1 und 2 , 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sowie § 3 ZPO).



Ende der Entscheidung

Zurück