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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 03.01.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 534/99
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 203 |
Für den Geheimnischarakter einer Tatsache ist es ohne Bedeutung, wenn darüber unbestätigte Gerüchte im Umlauf sind. "Bekanntsein" ist nur der Zustand wirklich sicherer und zuverlässiger Kenntnis. Was noch der Bestätigung bedarf, ist geheim.
Geschäftsnummer: 2 Ws 534/99 2030 Js 56807/98 StA Koblenz
In dem Ermittlungsverfahren
gegen
RT, geboren am,
- Verteidiger: Rechtsanwalt Prof. Dr., -
wegen Verletzung von Privatgeheimnissen
hier: Antrag des L,Sch, wohnhaft .........., auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO
- Verfahrensbevollmächtigte: Rae.....
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Mertens und Henrich am 3. Januar 2000
beschlossen:
Tenor:
Die Erhebung der öffentlichen Klage wird angeordnet.
Der Beschuldigte ist hinreichend verdächtig, in der Zeit vom 5. bis zum 7. Oktober 1998 in K unbefugt ein fremdes Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, offenbart zu haben.
Durch notariellen Vertrag vom 16. September 1998 (Urkundenrolle Nr. 1846/98 Notar JR. in A) erwarb der Anzeigeerstatter von den Eheleuten A verschiedene in der Gemarkung K gelegene Grundstücke. Die Grundstücke gehören zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk K und grenzen unmittelbar an den bestehenden Eigenjagdbezirk des Anzeigeerstatters an. Am 30. September 1998 übergab der Anzeigeerstatter dem Verwaltungsangestellten F der Verbandsgemeinde A ein Schreiben des Notars M, in dem dieser beantragte, das zur Umschreibung des Grundbesitzes notwendige Negativzeugnis nach dem Baugesetzbuch zu erteilen. Am 5. Oktober 1998 erfuhr der Beschuldigte in seiner Eigenschaft als Ortsbürgermeister der Gemeinde .....von dem Verkauf der Grundstücke. Er gab seine Kenntnis unbefugt an den Jagdvorstand und die Pächterin des gemeinschaftlichen Jagdbezirks K weiter.
- Vergehen gemäß § 203 Abs. 2 StGB -
Der gemäß § 205 StGB notwendige Strafantrag ist gestellt.
Gründe:
Der Anzeigeerstatter erhebt gegenüber dem Beschuldigten den Vorwurf, in der beschriebenen Weise ein Dienstgeheimnis unbefugt offenbart zu haben. Der Beschuldigte hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, dass schon im August 1998 bekannt gewesen sei, dass der Anzeigeerstatter die Grundstücke erwerben werde; von einem Geheimnis könne deshalb keine Rede sein.
Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten am 3. März 1999 eingestellt, da die Einlassung des Beschuldigten, der Jagdvorstand sei bereits im ........... von dem bevorstehenden Kauf informiert gewesen, nicht widerlegt werden könne. Die gegen den Einstellungsbescheid gerichtete Beschwerde des Anzeigeerstatters hat die Generalstaatsanwaltschaft durch Bescheid vom 22. Juli 1999 als unbegründet zurückgewiesen; sie hat - unter Hinweis auf verschiedene Vorschriften des Bundesjagdgesetzes und des Landesforstgesetzes - ebenfalls das Vorliegen eines Geheimnisses verneint. Gegen die ihm am 23. Juli 1999 bekanntgemachte Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft richtet sich der am 18. August 1999 bei dem Oberlandesgericht eingegangene Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO. Der Senat hat dem Beschuldigten hierzu gemäß § 175 StPO Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der fristgerecht gestellte, auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 und 3 StPO) ist begründet. Gegen den Beschuldigten ist die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen. Er ist hinreichend verdächtig, sich wegen Verletzung eines Privatgeheimnisses strafbar gemacht zu haben.
Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen (sogenannter Geheimnisträger), ein von seinem Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse hat (Schönke/Schröder-Lenckner StGB, 25. Aufl., § 203 Rdnr. 5; Jähnke LK 10. Aufl. § 203 Rdnr. 19).
Voraussetzung für die Bejahung eines Geheimnisses ist zunächst, dass die Tatsache nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt ist (Schönke/Schröder-Lenckner, a.a.0., Rdnr. 6). Die insoweit von dem Beschuldigten behauptete Einlassung, schon im August 1998 sei bekannt gewesen, dass der Anzeigeerstatter die Grundstücke von den Eheleuten B kaufen werde, ist durch die durchgeführten Ermittlungen nicht bestätigt worden. Nach den Angaben des Zeugen ........, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft K, fanden schon ganz sicher seit ........ Gespräche mit dem Pächter statt, in denen es darum ging, dass der Pachtvertrag verlängert werden sollte; zu diesem Zeitpunkt sei allerdings überhaupt nicht abzusehen gewesen, dass der Anzeigeerstatter vorgehabt habe, Grundstücke zu kaufen. Nach den Angaben des Zeugen T, Schriftführer des Jagdvorstandes, führte er im August mit dem Verkäufer B ein Gespräch, in dem ihm dieser mitteilte, dass für den Fall, dass "ein Herr S" ihm 4 ha abkaufen würde, er Geld genug habe, um die restlichen Grundstücke von H abzukaufen. Wie die Verhandlungen zwischen den beiden vonstatten gingen, hätten sie zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, das hätte sie auch wenig interessiert. Der Verkäufer B hat bestätigt, im August 1998 ein Gespräch mit dem Schriftführer T geführt zu haben. Es könne durchaus sein, dass er so verstanden worden sei, dass vielleicht der Anzeigeerstatter von ihm Land kaufen könne, konkrete Angaben habe er aber nicht machen können, da er zu diesem Zeitpunkt das Land ja selbst noch gar nicht gekauft habe. Aus diesen Aussagen folgt, dass es lediglich Gerüchte darüber gab, dass der Anzeigeerstatter von den Eheleuten B Grundstücke kaufen wolle. Für den Geheimnischarakter einer Tatsache ist es jedoch ohne Bedeutung, wenn darüber nur unbestätigte Gerüchte im Umlauf sind (Schönke/Schröder-Lenckner, a.a.0. Rdnr. 6 m.w.N.). Denn Bekanntsein ist nur der Zustand wirklich sicherer und zuverlässiger Kenntnis. Was noch der Bestätigung bedarf, ist noch geheim (RGSt 74, 111).
Der Senat vermag auch nicht den von der Generalstaatsanwaltschaft hierzu im Bescheid vom 22. Juli 1999 angestellten Erwägungen zu folgen. Dem Schreiben des Forstamtes A vom 21. Juli 1998 ist lediglich zu entnehmen, dass dieses über den Verkauf von Grundstücken durch den ehemaligen Eigentümer H an die Eheleute B informiert war. Dies hat mit dem hier in Rede stehenden Verkauf von Grundstücken durch die Eheleute B an den Anzeigeerstatter nichts zu tun und ist davon scharf zu trennen.
Der Geheimnisträger muss ferner an der Geheimhaltung ein bei Berücksichtigung seiner persönlichen Situation sachlich begründetes ("verständliches", "berechtigtes" oder "schutzwürdiges") Interesse haben (Schönke/Schröder-Lenckner, a.a.0. Rdnr. 7; Jähnke, a.a.0. Rdnr. 27). Ein solches Interesse des Antragstellers ist - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - ohne weiteres zu bejahen. Ihm war - wie die Entwicklung gezeigt hat, zu Recht - daran gelegen, den Grundstückskaufvertrag abzuwickeln, ohne dass Versuche - seien sie tauglich, seien sie untauglich - gestartet würden, die darauf hinausliefen, dass die erworbenen Grundstücke nach Ablauf des ursprünglichen Pachtvertrages im Bestand der Jagdgenossenschaft verblieben und nicht in seinen eigenen Jagdbezirk fielen. Gerade ein solcher Versuch ist durch den offensichtlich kurzfristigen Abschluss des Verlängerungsvertrages am 7. Oktober 1998 unternommen worden, und zwar unter Verstoß gegen § 17 LJGDVO, wonach vor einer Verlängerung des Pachtverhältnisses die dabei eintretenden Änderungen des Pachtvertrages mindestens acht Tage öffentlich auszulegen sind. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Verlängerung des Pachtvertrages auf die Rechtsposition des Anzeigeerstatters keinen Einfluss hat, da der Schutz des § 14 Abs. 2 BJG nur bis zum Ablauf des ursprünglichen Pachtvertrages gilt, nicht aber für die verlängerte Pachtzeit (BGH NJW 1974, 1655). Denn das Kriterium der "sachlichen Berechtigung" des Geheimhaltungsinteresses erfordert nicht dessen positive Bewertung in der Weise, dass es bei Anlegung eines objektiven Maßstabes als vernünftig anzusehen sein müsste und dass jeder andere in der Lage des Geheimnisträgers dessen Interessenbewertung teilen würde. Der Schutzzweck des § 203 StGB verlangt vielmehr, auch rein persönliche, von anderen nicht geteilte Auffassungen anzuerkennen, so dass dem Erfordernis der "sachlichen Berechtigung" lediglich die Funktion einer negativen Abgrenzung gegenüber reiner Willkür und Launenhaftigkeit des Geheimnisträgers zukommt (Schönke/Schröder-Lenckner, a.a.0. Rdnr. 7 m.w.N.). Davon kann ersichtlich keine Rede sein.
Das danach gegebene Geheimnis war dem Beschuldigten in seiner Eigenschaft als Amtsträger (§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB), nämlich Ortsbürgermeister der Gemeinde ............, bekannt geworden.
Eine Befugnis, das Geheimnis zu offenbaren, bestand nicht. Es ist nicht Aufgabe eines Ortsbürgermeisters, dafür zu sorgen, dass Vorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes oder sonstige Bestimmungen eingehalten werden; dies ist vielmehr Aufgabe der jeweils zuständigen Fachbehörden.
Nach allem ist gemäß § 175 Satz 1 StPO die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen. Die Durchführung des Beschlusses obliegt der Staatsanwaltschaft K (§ 175 Satz 2 StPO).
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 177 Rdnr. 3).
Ende der Entscheidung
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