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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 09.04.1999
Aktenzeichen: 3 W 5/00
Rechtsgebiete: ZPO, GKG
Vorschriften:
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
GKG § 19 Abs. 3 |
2. Wie notariell beurkundete Willenserklärungen auszulegen sind, kann regelmäßig nicht durch die Vernehmung des Notar bewiesen werden.
OLG Koblenz
Urteil
09.04.1999
10 U 286/98 7 O 387/94 LG Mainz
abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Werner und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Weiss auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 1999 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird unter teilweiser Abänderung des Urteils der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. Januar 1998 die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Berufung ist begründet.
Die Klage ist in vollem Umfang, und zwar bereits mit der Klageforderung selbst und unabhängig von den Hilfsaufrechnungen des Beklagten, unbegründet.
Die Klägerin muss sich, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, den Forderungsverzicht vom 24. Januar 1994 (vgl. Bl. 42 d.A.) als wirksam auch für die Klageforderung entgegenhalten lassen.
Nach Auffassung des Senats kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die betreffenden Arbeiten (oder auch Vorarbeiten, Materialbestellung usw.) sämtlich oder teilweise erst in der Zeit nach dem 24. Januar 1994 ausgeführt wurden und Vergütungsansprüche vor oder nach diesem Zeitpunkt fällig wurden.
Entscheidend ist vielmehr, dass einerseits - nunmehr und in Anknüpfung an die Beweisergebnisse wohl unstreitig - die Auftragserteilung weit vor dem 24. Januar 1994 lag und andererseits die Klausel in § 7 des notariellen Vertrags vom 24. Januar 1994 eindeutig nach Wortlaut und vertragssystematischem Kontext sowie Sinnzusammenhang umfassende und definitive Ausschlusswirkung haben sollte.
Hieraus ergibt sich jedenfalls - mindestens -, dass "im Zweifel" mit der Vereinbarung vom 24. Januar 1994 die beiderseitigen Rechtsverhältnisse für die Zukunft eindeutig und endgültig im Sinne des Ausschlusses wechselseitiger Forderungen bereinigt werden sollten - mit der Folge, wiederum "mindestens", dass in prozessualer Hinsicht diejenige Vertragspartei, die abweichend vom umfassenden Regelungsgehalt des Ausschlusses Ansprüche gegen die andere geltend machen will, vollumfänglich dafür darlegungs- und beweisbelastet ist, dass die geltend gemachten Ansprüche dem Ausschluss nicht unterfallen. Das heißt aber, dass - aus der Sicht des Senats folgerichtig und zwingend - verbleibende Ungewissheiten sowohl im tatsächlichen Anknüpfungsbereich als auch hinsichtlich denkmöglicher Auslegungsvarianten voll zu Lasten der gegen die Klausel streitenden Partei gehen, dementsprechend auch kein Raum dafür besteht, in Ausübung zivilrichterlichen Beurteilungsermessens der mutmaßlich am ehesten "interessegerechten" Auslegungsmöglichkeit den Vorzug zu geben. Erforderlich wäre vielmehr die auf voller Beweisführung beruhende sichere Gewissheit der Nichteinbeziehung der betreffenden Forderung in den Regelungsbereich der Ausschlussklausel.
Diese "Sperrwirkung" der Ausschlussklausel vermag die Klägerin im vorliegenden Fall nicht zu überwinden.
Was den Vertragsinhalt als solchen angeht, hat das Landgericht durch Einholung einer schriftlichen Aussage des beurkundenden Notars Dr. L. (vgl. Bl. 253 f. d.A.) eine nähere Aufklärung versucht. Insoweit erscheint dem Senat nur von Bedeutung, dass nach der Bekundung des Notars bei den Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien über konkrete Einzelforderungen nicht gesprochen worden sei. Hieraus ergibt sich, dass die Ausschlussklausel jedenfalls nicht im Sinne der einen oder der anderen Partei in Bezug auf die vorliegend streitigen Forderungen dahin interpretiert werden kann, dass von den Parteien bewusst eine Regelung betreffend gerade diese Forderungen in die eine oder andere Richtung getroffen werden sollte. Es bleibt folglich die "allgemeine" Auslegung der Klausel maßgeblich.
Weitergehend ist die Berufung auf das Zeugnis des beurkundenden Notars nicht von prozesserheblicher Bedeutung. Der Senat sieht folglich auch keinen Anlass zu einer neuerlichen Zeugenvernehmung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist zur Auslegung von notariell beurkundeten Willenserklärungen der Beweisantritt durch Zeugnis des beurkundenden Notars in aller Regel aus praktischen Gründen zur Beweisführung weitgehend ungeeignet. Es kommt nämlich nicht auf das subjektive Verständnis des Notars vom Beurkundungsinhalt an, auch nicht auf eine allgemeine, nicht an konkrete Indiztatsachen anknüpfende Erinnerung an Sinn und Zweck des Geschäfts aus der Sicht des Notars. Entscheidend ist vielmehr der in den objektiven sprachlichen Gehalt der beurkundeten Willenserklärungen eingeflossene tatsächliche subjektive Parteiwille des oder der Erklärenden mitsamt der jeweils aus dem objektiven Erklärungssinn sowie gegebenenfalls konkreten weiteren Anknüpfungstatsachen zu erschließenden Verständnismöglichkeit auf der Empfängerseite bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen. "Taugliches" Beweismittel ist der Notar als Zeuge deshalb praktisch nur, soweit es um behauptete derartige "Anknüpfungstatsachen" als Indizien für einen bestimmten Parteiwillen oder ein bestimmtes entsprechendes Verständnis auf Empfängerseite geht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass insoweit durch eine neuerliche und ergänzende Vernehmung des Notars eine weitere Aufklärung erwartet werden könnte.
Nach dem auf dieser Erkenntnisgrundlage maßgeblichen objektiven Gehalt der Ausschlussklausel muss der Senat im Zweifel zu Lasten der Klägerin davon ausgehen, dass diese umfassend sein sollte und auch die vorliegend geltend gemachten Forderungen einbeziehen sollte. Es kann nicht die Rede davon sein, dass der den vorliegend eingeklagten Forderungen zugrunde liegende Lebenssachverhalt gänzlich in der Zeit nach Abschluss der Vereinbarung läge. Vielmehr war die Auftragserteilung längst erfolgt, auch Vorbereitungsmaßnahmen waren bereits angelaufen. Aus diesem Grund stand, anders als etwa bei später erst erteilten neuen Aufträgen, für das erkennbare Regelungsanliegen der Bereinigung der beiderseitigen Verhältnisse auch der vorliegend streitgegenständliche Auftrag als regelungs- und bereinigungsbedürftig im Raum. Dies aber kann, wiederum im Zweifel, nichts anderes als seine Einbeziehung in den Wirkungsbereich der Ausschlussklausel bedeuten.
Abweichendes, was auf die Behauptung einer verdeckten Vertragslücke hinausliefe, hätte die Klägerin darzulegen und zu beweisen. Hierfür vermag der Senat beweiserheblichen Vortrag nicht zu erkennen. Die Klägerin vermag sich auch nicht dieserhalb auf unstreitige Umstände des Falls mit letztlich durchschlagendem Erfolg zu stützen.
Zugunsten der Klägerin kann zwar angeführt werden, dass die tatsächliche Ausführung des Auftrags (gänzlich oder doch überwiegend) in der Zeit nach dem 24. Januar 1994 durch die Klägerin dazu geführt hat, dass damit korrespondierende Vergütungsansprüche im Zweifel erst mit der zeitlich nach der Vereinbarung liegenden Ausführung fällig wurden und es darüber hinaus ungeklärt erscheint, auf welcher Rechtsgrundlage die Arbeiten denn ausgeführt wurden (entgegen der Ausschlussklausel doch weiter bestehender Erfüllungsanspruch des Beklagten?). Dies bleibt jedoch letztlich in seinen Konsequenzen für die mögliche Vertragsauslegung ambivalent: Es ist zwar durchaus möglich, dass nach dem Vertragsverständnis der Parteien (oder ihrem hypothetischen Vertragsverständnis im Fall der Annahme einer Vertragslücke) ein Anspruch auf Vergütung ebenso wie ein Anspruch auf Erfüllung der Werkleistungen von der Ausschlusswirkung der Vertragsklausel ausgenommen sein sollte; gleichermaßen erscheint es jedoch auch als möglich und nicht mehr oder weniger wahrscheinlich, dass der Vergütungsanspruch für die noch ausstehenden Arbeiten mit der Ausschlussklausel "miterledigt" sein sollte und/oder auch aufgrund der Ausschlussklausel an sich ein Anspruch auf Durchführung der Werkleistungen ebenfalls nicht mehr bestehen sollte. Die insoweit verbleibende Unklarheit geht, wie dargelegt, zu Lasten der Klägerin. Der Senat sieht aus den dargelegten Gründen keinen Raum dafür, auf dieser Grundlage einer möglicherweise "wahrscheinlicheren", mutmaßlich am ehesten interessegerechten Auslegungsvariante den Vorzug zu geben.
(Entsprechend stellt sich auch die Situation für die Klägerin insoweit, als sie für die nach dem 24. Januar 1994 noch durchgeführten Arbeiten möglicherweise Ansprüche auf §§ 812 ff. BGB stützen wollte, im Ergebnis nicht günstiger dar: Unabhängig von der Frage eines Weiterbestehens eines durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs auf die Werkleistungen nach Vereinbarung der Ausschlussklausel erscheint es als - im Ergebnis zu Lasten der Klägerin - offen, ob für die Erbringung der Arbeiten ein "rechtlicher Grund" im Sinne von §§ 812 ff. BGB gegeben war oder nicht.)
Im Ergebnis scheitert folglich nach der Auffassung des Senats die Rechtsverfolgung bereits der Klage selbst an der für die Klägerin nicht zu überwindenden Ausschlusswirkung der Klausel in § 7 des notariellen Vertrags vom 24. Januar 1994.
Die Klage ist folglich abzuweisen. Auf die Berufung des Beklagten ist das angefochtene Urteil entsprechend teilweise abzuändern.
Die Anschlussberufung ist zurückzuweisen.
Einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnungen bedarf es nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Von Vollstreckungsschutzanordnungen wird gemäß § 713 ZPO abgesehen.
Der Wert des Streitgegenstands für beide Rechtszüge wird, da § 19 Abs. 3 GKG nicht zur Anwendung kommt, auf 32.352,54 DM festgesetzt. Der Streitwert für die Anschlussberufung, der den Gesamtstreitwert nicht erhöht, wird auf 7.000 DM festgesetzt.
Die Höhe der Beschwer der Klägerin wird auf 32.352,54 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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