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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.11.2005
Aktenzeichen: 7 UF 661/05
Rechtsgebiete: BSZG, ZPO, SGB XI, BGB, EStG
Vorschriften:
BSZG § 4 | |
BSZG § 4 Abs. 1 S. 1 | |
BSZG § 4a | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 621 e Abs. 1 | |
ZPO § 629 a Abs. 2 S. 1 | |
SGB XI § 55 Abs. 1 S. 1 | |
SGB XI § 59 Abs. 1 S. 1, 2. Hs | |
BGB §§ 1587 ff | |
BGB § 1587 a Abs. 1 | |
BGB § 1587 b Abs. 2 | |
BGB § 1587 b Abs. 6 | |
BGB § 1587 c | |
BGB § 1587 h | |
EStG § 8 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Koblenz Beschluss
Geschäftsnummer: 7 UF 661/05
in der Familiensache
wegen Versorgungsausgleichs (Scheidungsfolgesache).
Der 7. Zivilsenat -4. Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Eck und die Richterin am Oberlandesgericht Dühr-Ohlmann
am 14. November 2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung Süd wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Simmern vom 12. September 2005 in Ziff. III. des Tenors - den Versorgungsausgleich betreffend - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Zu Lasten der bei der Wehrbereichsverwaltung Süd - PK.: 7/......-J-...32 - bestehenden Versorgungsanrechte des Antragsgegners werden auf dem zugunsten der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bestehenden Versicherungskonto - Vers.Nr. 16 ...... G 505 - Rentenanwartschaften von monatlich 621,20 EUR, bezogen auf den 29. Februar 2004, begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Hinsichtlich der Kosten erster Instanz verbleibt es bei der Entscheidung des Familiengerichts. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien haben am 20.11.1981 geheiratet und sind auf den dem Antragsgegner am 31.03.2004 zugestellt zugestellten Antrag der Antragstellerin durch das angefochtene Urteil geschieden worden. Beide Eheleute haben in der gesetzlichen Ehezeit (01.11.1981 bis 29.02.2004) Altersanwartschaften erworben und zwar die Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) in Höhe von 109,89 € und der Ehemann Versorgungsanwartschaften bei der Wehrbereichsverwaltung Süd, die diese mit Auskunft vom 19.10.2004 auf 1.363,88 € bezifferte. Auf dieser Grundlage hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich dem Gesetz gemäß durchgeführt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Wehrbereichsverwaltung Süd, gestützt auf eine am 29.09.2005 erteilte neue Auskunft (Bl. 49 ff GA), geltend, die durch das "Gesetz zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften" vom 04.11.2004 neu eingeführte Vorschrift des § 4a Bundessonderzahlungsgesetzes führe zu einer Verminderung der Sonderzahlung, was bei der Auskunft vom 19.10.2004 noch nicht habe berücksichtigt werden können. Hierdurch verringere sich die ehezeitbezogene Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners auf 1.352,29 €.
II.
Die gemäß §§ 629 a Abs. 2 S. 1, 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Versorgungsausgleich ist auf der Grundlage der neu erteilten Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Süd durchzuführen, weil für die Regelung des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Versorgungsrecht anzuwenden ist, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen auch das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht umfasst. Gesetzesänderungen sind danach auch dann zu berücksichtigen, wenn das Ehezeitende - wie hier - zeitlich vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung liegt, unabhängig davon, ob sie zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Versorgungsanspruchs führen (vgl. BGH NJW 2004, 1245 und FamRZ 1995, 27). Durch die Berücksichtigung von bis zur Entscheidung eingetretenen Änderungen durch gesetzliche Neuregelungen wird erreicht, dass die Regelung des Versorgungsausgleichs dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Halbteilung (vgl. dazu etwa BVerfG FamRZ 1980, 326, 333 f.; FamRZ 1984, 653, 654; BGH FamRZ 1986, 447, 448) möglichst nahe kommt.
Nach § 4a Bundessonderzahlungsgesetz vermindert sich der Betrag der nach § 4 dieses Gesetzes bemessenen jährlichen Sonderzahlung der Bundesbeamten um den hälftigen Prozentsatz nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB XI (0,85%) der für das Kalenderjahr gezahlten Versorgungsbezüge und des Betrages nach § 4 Abs. 1 S. 1 BSZG, wobei für das Jahr 2004 der Minderungsbetrag allein aus den Versorgungsbezügen der Monate April bis Dezember und der hieraus berechneten Sonderzuwendung ermittelt wird (§ 4a Abs. 3 BSZG). Mit dieser durch Art. 1 des Gesetzes zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 04.11.2004 (BGBl. I S. 2686) mit Wirkung vom 01.11.2004 eingefügten Vorschrift sollen Regelungen des Sozialversicherungsrechts wirkungsgleich auf das Recht der Beamten, Richter und Soldaten übertragen werden. Beiträge zur Pflegeversicherung aus der gesetzlichen Rente sind nämlich gemäß § 59 Abs. 1 S. 1, 2. Hs SGBXI seit 01.04.2004 von den Rentnern (die bis dahin wie aktive Arbeitnehmer nur den hälftigen Beitrag aufbringen mussten) in vollem Umfang allein zu tragen. Zwar zahlen auch Versorgungsempfänger ihrerseits Beiträge zur obligatorischen privaten Pflegeversicherung. Jedoch sind die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung für Beamte auf die Hälfte des gesetzlichen Höchstbetrages begrenzt (§§ 110 Abs. 1 Nr. 2e, 23 Abs. 3 SGB XI), weil deren Pflege nicht allein durch diese Versicherung sichergestellt sondern zum Teil im Wege der Beihilfe von ihrem Dienstherrn erstattet wird. Durch die gesetzliche Neuregelung sollen die Versorgungsempfänger ebenso wie die Rentner letztlich mit dem vollen Beitrag zur Pflegeversicherung belastet werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass die derzeitigen Versorgungsempfänger ebenso wie Rentner regelmäßig nicht oder nur kurze Zeit eigene Beiträge zur Finanzierung der Pflegeversicherung geleistet haben, weshalb sie nach dem Willen des Gesetzgebers ab 01.04.2004 in gleichem Maße wie Renterinnen und Rentner an der Finanzierung der Pflegeleistungen beteiligt werden sollen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/3444, zitiert nach Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz mit Beamtenversorgungsgesetz, Stand Juni 2005, Anh. VII/2 S. 2).
Ob diese Absenkung der Versorgungsbezüge bei der Ermittlung des Wertes der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte zu berücksichtigen ist, hat der BGH in seinem auf der neuen Gesetzeslage beruhenden Beschluss vom 20.07.2005 - XII ZB 99/02 - (veröffentlicht in FamRZ 2005, 1529) nicht angesprochen. Der erkennende Senat folgt insoweit nicht den Entscheidungen des OLG Nürnberg vom 07.04.2005 (FamRZ 2005, 1749) und des Schleswig-Holsteinischen OLG vom 27.09.2005 (bisher nicht veröffentlicht), wonach die Kürzung unberücksichtigt bleiben soll, weil es sich nicht um eine allgemeine Kürzung der Versorgungsbezüge oder der Sonderzuwendung sondern lediglich um eine vereinfachte Abrechnung erhöhter Zahlungen an die Pflegeversicherung handele. Nach der vom OLG Nürnberg in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 26.01.1994 (FamRZ 1994, 560) - jüngst bestätigt durch Beschluss vom 10.08.2005, XII ZB 191/01 - ist bei Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs grundsätzlich von den Bruttobeträgen der in den Ausgleich einzubeziehenden Versorgungen auszugehen, weshalb Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die auf diese Versorgungen entfallen, bei der Ermittlung des Ausgleichs im Prinzip unberücksichtigt bleiben und allenfalls über die Härtefallregelungen der §§ 1587 c, 1587 h BGB Berücksichtigung finden können. Indes definiert § 4 a iVm § 4 BSZG den Bruttobetrag der Sonderzuwendung; bei der hierin vorgenommenen Kürzung handelt es sich nicht um die Abführung eines Versicherungsbeitrages. Dementsprechend ist die nach § 4 a BSZG geminderte Versorgung auch Besteuerungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 EStG. Dass durch diese Kürzung der Versorgungsbezüge ein Ausgleich für die höhere Belastung der Rentner mit Pflegeversicherungsbeiträgen geschaffen wurde, ändert hieran nichts. Dies hat seinen Grund in den völlig unterschiedlichen Systemen der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung in Verbindung mit der den gesamten Pflegebedarf abdeckenden gesetzlichen Pflichtversicherung einerseits und der staatlichen Altersfürsorge andererseits, die neben den Versorgungsbezügen durch die Beihilfe auch eine Teilabsicherung für den Krankheits- und Pflegefall umfasst, sodass die private Pflegeversicherung nur ein Restrisiko absichert. Da die für die private Pflegeversicherung zu zahlenden, auf die Hälfte des gesetzlichen Höchstbetrages begrenzten Beiträge sich an diesem Risiko zu orientieren haben und zudem auch bisher bereits in vollem Umfang von den Versorgungsempfängern selbst getragen werden mussten, konnte die höhere Belastung der Rentner mit der zweiten Hälfte der Pflegeversicherungsbeiträge nur auf dem Wege einer allgemeinen Kürzung der Versorgungsbezüge auf die Versorgungsempfänger übertragen werden. Hierdurch wird die Kürzung aber nicht ihrerseits zu einem Versicherungsbeitrag; vielmehr dient die höhere Belastung der Rentner mit Versicherungsbeiträgen lediglich als Begründung für eine aus Gründen der Gleichbehandlung vorgenommene allgemeine Absenkung des Bruttobetrages der Sonderzuwendung der Versorgungsempfänger. Die vom OLG Nürnberg und dem Schleswig-Holsteinischen OLG vorgenommene - fiktive - Erhöhung dieses Betrages führt zu einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes, weil nach Durchführung des Versorgungsausgleiches der Antragstellerin für die Ehezeit höhere Anwartschaften zustünden als dem Antragsgegner. Das ist mit den Grundsätzen der §§ 1587 ff BGB nicht zu vereinbaren. Entgegen der vom Schleswig-Holsteinischen OLG geäußerten Vermutung vermag der Senat auch der Nichterwähnung des § 4a BSZG im Beschluss des BGH vom 20.07.2005 nicht zu entnehmen, dass diesem ein gegenteiliges Verständnis zugrunde liegt.
Hiernach gestaltet sich die gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB vorzunehmende Ausgleichsberechnung wie folgt:
Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners (s.o.) 1.352,29 EUR Rentenanwartschaften der Antragstellerin 109,89 EUR Differenz 1.242,40 EUR.
In Höhe der Hälfte dieses Unterschiedsbetrages, mithin in Höhe von 621,20 EUR sind im Wege des Quasisplittings zulasten der Versorgung des nach § 1587 a Abs. 1 BGB ausgleichspflichtigen Antragsgegners zugunsten der Antragstellerin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen (§ 1587 b Abs. 2 BGB).
Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt aus § 1587 b Abs. 6 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93 a ZPO, 49 GKG.
Der Senat lässt wegen der Abweichung von den Entscheidungen des OLG Nürnberg sowie des Schleswig-Holsteinischen OLG und im Hinblick auf den Beschluss des BGH vom 20.07.2004 - XII ZB 99/02 - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zu (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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