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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 1 U 5/05
Rechtsgebiete: VOB/A
Vorschriften:
VOB/A § 9 Nr. 2 |
Dies gilt auch dann, wenn die Testfelder lediglich 0,3 Prozent der zu beräumenden Fläche ausmachen.
2. Ein ungewöhnliches Wagnis i.S.v. § 9 Nr. 2 VOB/A wird dem potenziellen Auftragnehmer dem gegenüber jedoch aufgebürdet, wenn der Auftraggeber die Vorerkundung auf den vorab ausgewählten Testfeldern nicht vollständig durchführt und die Vorerkundungsergebnisse nicht vollständig in der Leistungsbeschreibung darstellt (hier: Abbruch der Testberäumung eines von drei Testfeldern und Verschweigen der Vorerkundungsergebnisse dieses besonders hoch belasteten Testfelds).
3. Im Falle positiver Kenntnis außergewöhnlich hoher Bodenbelastungen in Teilbereichen der zu beräumenden Fläche verstößt es auch gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot, wenn der Auftraggeber nur pauschal auf die Möglichkeit von Belastungsabweichungen von einer durchschnittlichen Belastung hinweist, und zwar selbst dann, wenn er - entgegen der Auffassung des von ihm beauftragten Sachverständigen - die Ergebnisse des hoch belasteten Testfelds als nicht repräsentativ ansieht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES GRUNDURTEIL
1 U 5/05 OLG Naumburg
verkündet am: 15.12.2005
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.12.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg aufgehoben.
Die Klageforderung ist dem Grunde nach gegeben.
Im Übrigen, insbesondere zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs wird die Sache zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt jeweils 20.000,00 EUR.
Gründe:
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Nachzahlung und Schadensersatz aus einer von ihr durchgeführten Räumung von Altmunition auf dem Truppenübungsplatz A. geltend.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Bergung und Beseitigung von Kampfmitteln befasst. Sie beteiligte sich an einer Ausschreibung zur Beräumung von Altmunition auf dem Truppenübungsplatz A. , Südteil, und gab für das Los Nr. 2 von 9 Losen ein Angebot ab, auf dessen Grundlage nach Zuschlagserteilung ein Einheitspreisvertrag zwischen den Parteien geschlossen wurde.
Die Munitionsbeseitigungsarbeiten sollten vom 16.10.2000 bis 28.02.2001 durchgeführt werden. Nach den Ausschreibungsunterlagen und dem Inhalt des späteren Vertrages war unter Ziffer 4.1.110 für erschwertes Bergen eine Zulage für bis zu 45.000 qm vorgesehen. Nach Ziffer 4.1.120 sollte für erforderlichen Bodenaushub eine höhere Zulage fällig werden. Hierfür war ein Volumen von 3.000 m3 vorgesehen.
Als Kalkulationsgrundlage und zur Vorbereitung der Angebotsabgabe waren im Vergabeverfahren Bodenuntersuchungen durchgeführt worden. Während zwei Testfelder in dem streitgegenständlichen Losflächenbereich durchschnittlich nur 2,1 Störpunkte pro Quadratmeter aufwiesen, stellte der beauftragte Gutachter Prof. M. bei dem dritten Testfeld (Parzelle 1 SB 3) eine sehr hohe Kontaminierung mit Munition fest. Daraufhin hat das Staatshochbauamt die Vorerkundungen in diesem Feld abgebrochen, denn die mit der Ausschreibung befassten Mitarbeiter der Behörde hielten das dritte Testfeld wegen der extrem hohen Belastung nicht für repräsentativ. Die bis dahin geborgenen Objekte wurden ausweislich des Sachverständigengutachtens vom 04.01.2000 (S. 7) nicht mit in die Auswertung einbezogen. Dieses stark belastete Testfeld fiel in den Bereich des Loses 2, für das die Klägerin den Zuschlag erhielt.
Am 12.03.2001 erstattete die Klägerin eine Behinderungsanzeige, in der sie darauf hinwies, dass in dem von ihr zu beräumenden Bereich 15,23 Störpunkte pro Quadratmeter im Durchschnitt festgestellt worden seien und die Erde insgesamt per Hand bzw. maschinell umgesetzt werden müsse. Hierzu erteilte sie der Beklagten am 25.04.2001 ein Nachtragsangebot verbunden mit dem Vorschlag, entweder nach Aufwand abzurechnen oder neue höhere Einheitspreise zu vereinbaren.
Hierauf ließ sich die Beklagte jedoch nicht ein. Am 11.06.2001 verwies sie die Klägerin darauf, die Erschwernisse unter den Zulagen nach Ziffer 4.1.110/120 abzurechnen. Anerkannt hat sie im Laufe der Arbeiten Erschwernisse für 190.139,30 qm, mithin mehr als das Vierfache des ursprünglich vorgesehenen Umfangs, und für Bodenaushub einen Mehraufwand im Umfang von 86.816,55 m3, also annähernd das 29-fache des von der Beklagten in den Ausschreibungsunterlagen angenommenen Umfangs.
Die Klägerin hat 12 Abschlagsrechnungen erteilt, wobei die letzte Abschlagsrechnung als Schlussrechnung angesehen werden soll. Auf die Schlussrechnungsforderung von 7.239.088,07 € (14.158.425,62 DM) hat die Beklagte zunächst insgesamt 2.457.467,13 € (4.806.387,94 DM) gezahlt. Auf den Restbetrag von 4.781.620,94 € (9.352.037,69 DM) hat die Beklagte zuletzt weitere 19.580,46 € gezahlt, so dass der Betrag von 4.761.825,90 € verblieb, den die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend gemacht hat. Sie hat außerdem den Ersatz eines Verzugsschadens von 47.011,73 € verlangt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe wesentliche Umstände wissentlich verschwiegen, die für die Kalkulation des Angebots notwendig gewesen seien. Ihr stehe daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehrkosten wegen Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses i. S. von § 9 Nr. 2 VOB/A zu.
Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, auch sie habe letztlich den tatsächlichen Umfang der Belastung des Bodens nicht gekannt. Allen Bietern sei bewusst gewesen, dass die Testflächen nur 0,3 % der zu beräumenden Gesamtfläche betrugen und deshalb nicht repräsentativ seien. Die Vereinbarung eines höheren Einheitspreises oder eine zusätzliche Vergütung wegen Mengenänderungen habe sie zu Recht abgelehnt, weil sich hier lediglich die vorgefundenen Verhältnisse, nicht aber die von ihr zu verantwortende Planung geändert habe. Außerdem, so hat die Beklagte argumentiert, reduziere sich mit zunehmender Belastung auch der Bergungsmehraufwand, so dass die Klägerin auch die in der Zulage vorgesehenen Beträge nicht für die gesamte Fläche beanspruchen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung vom 22.12.2004 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kammer hat insbesondere einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (c.i.c) verneint. Eine Pflichtverletzung sei nicht gegeben, da der tatsächliche Umfang der Kontaminierung beiden Parteien unbekannt gewesen sei. Die von dem Staatshochbauamt gewählte Methode zur Vorerkundung des Bodens sei nicht zu beanstanden, biete keine repräsentativen Erkenntnisse und schließe eine höhere Belastung nicht aus, die sich hier erst später herausgestellt habe. Insgesamt handele es sich um ein vertragsimmanentes Risiko, das nicht der Beklagten anzulasten sei. In Betracht käme allenfalls ein Anspruch nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOBB auf Erhöhung der vereinbarten Einheitspreise. Hierzu fehle es aber an einer nachvollziehbaren und schlüssigen Berechnung eines neuen Einheitspreises durch die Klägerin.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die einen Anspruch aus § 2 Nr. 3 VOB/B weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, der insoweit vom Landgericht erhobene Vorwurf unsubstantiierten Vortrages beruhe lediglich auf fehlenden bzw. falschen gerichtlichen Hinweisen. Die Kammer habe nie zu erkennen gegeben, dass sie die Klägerin in der Pflicht sehe, den geltend gemachten neuen Einheitspreis detaillierter als geschehen zu erläutern.
Ferner habe das Landgericht zwar einen Anspruch auf Preisanpassung gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B grundsätzlich bejaht, die von der Beklagten mit ihrer eigenen Abrechnung vorgenommenen Kürzungen durch eine Reduzierung der Einheitspreise aber nicht berücksichtigt. Schon deshalb hätte das Landgericht die Klage jedenfalls nicht ohne Beweisaufnahme abweisen dürfen, wie die Klägerin meint. Wolle man der klägerischen Schlussrechnung nur die vereinbarten Einheitspreise und die anerkannten Mengen gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B zugrunde legen, dann müsse der Klägerin ein Gesamtvergütungsanspruch zuerkannt werden, der sich aus der Multiplikation der von der Beklagten in der Schlussrechnungsprüfung zugrunde gelegten Mengen mit den ursprünglich vertraglich vereinbarten Einheitspreisen ergebe. Daher, so meint die Klägerin, hätte das Landgericht die Klageforderung wenigstens in Höhe desjenigen Betrages zusprechen müssen, der die Differenz darstellt zwischen dem Vergütungsbetrag, der sich bei einer Multiplikation der ursprünglich angebotenen Einheitspreise mit den von der Beklagten zugestandenen Mengen ergibt, und dem in der Schlussrechnungsprüfung der Beklagten zugestandenen geringeren Betrag. Diese Differenz betrage 933.986,79 DM netto. Die von der Beklagten vorgenommene Reduzierung der Einheitspreise sei in keiner Weise nachvollziehbar und im Ergebnis unrichtig.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergebe sich der Anspruch der Klägerin außerdem nicht allein aus § 2 Nr. 3 VOB/B. Vielmehr lägen die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5 bzw. 2 Nr. 6 VOB/B ebenfalls vor. Ihre Mehrvergütungsansprüche wegen geänderter und zusätzlicher Leistungen hat die Klägerin im Wesentlichen mit einer Abweichung des Bau-Solls von der tatsächlich erbrachten Leistung auf Grund einer geänderten Beschaffenheit im Vergleich zu der vereinbarten Beschaffenheit des zu bearbeitenden Bodens begründet. Auch die erforderliche Anordnung durch den Auftraggeber liege vor. Sie sei unter anderem in dem Umstand zu sehen, dass die Beklagte von der Klägerin unstreitig gefordert hat, die Sondierungs- und Beräumungsleistungen unabhängig von den vorgefundenen Verhältnissen auf der gesamten vertraglich festgelegten Fläche trotz der festgestellten Beschaffenheit zu Ende zu führen. Eine geänderte Leistung liege auch insoweit vor, als die Beklagte auf einer manuellen Beräumung im Bereich der Leistungspositionen 4.3.110 und 4.3.120 bestanden habe. Auch der Befund, dass sich die aufgefundenen und zu räumenden Munitions- und Schrottteile erheblich kleinteiliger erwiesen haben, als es auf Grund der Ausschreibungsunterlagen zu erwarten gewesen sei, berechtige die Klägerin zu Mehrvergütungsansprüchen nach § 2 Nr. 5 bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B. Allein auf Grund der manuellen Beräumung in dem Bereich der Leistungspositionen 4.3.110 und 4.3.120 sowie auf Grund der erhöhten Kleinteiligkeit der Störpunkte macht die Klägerin einen Vergütungsanspruch in Höhe von 6.398.792,40 DM netto geltend, sowie 47.360,00 DM netto als Mehrvergütung für die verlängerte Baustellenvorhaltung. Beide Mehrvergütungsbeträge sollen nach der Darstellung der Klägerin vollständig in den mit der Schlussrechnung abgerechneten Nachtragspositionen enthalten sein. Hinzu komme ein geltend gemachter Mehrvergütungsbetrag i.H.v. insgesamt 1.469.365,50 DM netto für die Flächen, bei denen die Klägerin maschinell entsprechend den Leistungsposition 4.3.110 und 4.3.120 räumen durfte.
Außerdem stützt die Klägerin ihre Forderung als Schadensersatzanspruch auf culpa in contrahendo (c.i.c.), weil die Beklagte der Klägerin wesentliche Informationen, die für eine Kalkulation zutreffender und auskömmlicher Einheitspreise eine entscheidende Rolle gespielt hätten, vorenthalten habe. Die Beklagte gestehe der Klägerin bei einer Auftragssumme in Höhe von netto 2.285,796,40 DM eine Vergütung in Höhe von netto 4.373,718,63 DM zu. Das sei eine zugestandene Mehrvergütung in Höhe von nahezu 100 %. Bereits diese Zahlen zeigten ein grundlegendes Defizit der Planung und Ausschreibung seitens der Beklagten. Gleichwohl seien die tatsächlichen Kosten der Baumaßnahme auch mit der zugestandenen Summe nicht annähernd ausgeglichen worden. Einer kalkulierten und realistischen Anzahl notwendiger Arbeitsstunden von 31.920,00 h stünden effektiv benötigte - und von der Klägerin an die Mitarbeiter vergütete - Stunden in einem Umfang von 146.997,00 gegenüber. Das Risiko, das die Klägerin mit diesem Auftrag eingegangen sei, sei ihr weder in den Angebotsunterlagen noch in den Bietergesprächen auch nur ansatzweise verdeutlicht worden. Die Beklagte habe sogar Informationen, die ihr bekannt gewesen seien und die auf das erhebliche Risiko signifikanter Mehrbelastung der ausgeschriebenen Flächen eindeutig hingewiesen hätten, mit Absicht zurückgehalten, um dem Bieter die Sicherheit zu vermitteln, dass er mit den Hinweisen in der Ausschreibung und auf der Basis der angegebenen Vordersätze in der Lage wäre, die erforderlichen Leistungen zu kalkulieren.
Schließlich macht die Klägerin auch Anwalts- und Gutachterkosten in Höhe von 47.611,73 € als Verzugsschaden geltend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22.12.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1) an die Klägerin 4.761.825,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit dem 20.02.2004 zu zahlen nebst Zinsen in der genannten Höhe aus der unbeglichenen Forderung der 12. Abschlagsrechnung für den Zeitraum vom 31.07.2003 bis 19.02.2004, aus der unbeglichenen Forderung der 11. Abschlagsrechnung i.H.v. 4.670.044,146 für den Zeitraum vom 30.05.2003 bis 30.07.2003, aus der unbeglichenen Forderung der 10. Abschlagsrechnung i.H.v. 4.440.653,38 € für den Zeitraum vom 16.12.2002 bis 29.05.2003, aus der unbeglichenen Forderung der 8. Abschlagsrechnung i.H.v. 4.092.319,24 € für den Zeitraum vom 05.11.2002 bis 15.12.2202, aus der unbeglichenen Forderung der 7. Abschlagsrechnung i.H.v. 3.601.835,46 € für den Zeitraum vom 02.10.2002 bis 04.11.2202, aus der unbeglichenen Forderung der 6. Abschlagsrechnung i.H.v. 3.253.035,19 € für den Zeitraum vom 01.09.2002 bis 01.10.2002, aus der unbeglichenen Forderung der 5. Abschlagsrechnung i.H.v.2.487.968,246 für den Zeitraum vom 02.08.2002 bis 10.09.2002 und aus der 3. Abschlagsrechnung, 2. Ausfertigung, i.H.v. 3.083.288,00 € für den Zeitraum vom 14.03.2002 bis 01.08.2002,
2) an die Klägerin 47.611,73 € (nebst) Zinsen i.H.v. 5 % über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit dem 22.09.2004 zu zahlen,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 ZPO an das Landgericht Magdeburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, räumt allerdings ein, dass es unstreitig bei einigen Positionen aus dem Leistungsverzeichnis zu Mengenänderungen gekommen sei, die jedoch nach Ansicht der Beklagten nicht zu einer pauschalen und zusätzlichen Abrechnung führen könnten, da hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei.
Insbesondere seien die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5 VOB/B bzw. 2 Nr. 6 VOB/B nicht erfüllt, da sie als der Auftraggeberin weder eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, noch eine Änderung der Leistung angeordnet habe. Die Beklagte legt ihre Ansicht im Einzelnen dar, dass die Klägerin im Ergebnis allein auf Grund einer Mengenmehrung zu einer Abweichung des Leistungsgegenstandes gekommen sei. Diese Meinung, eine Mengenabweichung sei eine geänderte Leistung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B bzw. eine neue Leistung im Sinne von § 2 Nr. 6 VOB/B, weist die Beklagte entschieden zurück.
Vielmehr seien sämtliche von der Klägerin zu erbringenden Leistungen, nämlich die zu räumenden Munitions- und Schrottteile, Kleinteile, Munition oder sonstige Teile, die hier von der Klägerin geborgen worden sind, ohne Ausnahme in dem Leistungsverzeichnis aufgeführt und in den verschiedenen Leistungspositionen geregelt. Lediglich die angesetzten Mengen hätten sich nachträglich geändert. Aus diesem Grunde fielen die hier aufgetretenen Mengenveränderungen, die auf einer Änderung der vorgefundenen Verhältnisse beruhen, nicht aber auf einer nach Vertragsabschluss aufgetretenen Planänderung durch den Auftraggeber, in den Anwendungsbereich des § 2 Nr. 3 VOB/B. Auf Grund der vorgefundenen Belastungssituation, die von der Beklagten nicht bestritten werde, sei zwar auf Verlangen ein neuer Einheitspreis zu bilden, die Urkalkulation bleibe dabei aber weiterhin Grundlage für die Preisermittlung der neuen Einheitspreise. Im Rahmen der Bemessung neuer Einheitspreise nach § 2 Nr. 3 VOB/ B sei nicht von unveränderten, sondern von den niedrigeren Einheitspreisen auszugehen, die die Beklagte im Rahmen ihrer Abrechnung zu Grunde gelegt habe.
Dies gelte auch für die Kosten der manuellen Räumung, deren Ersatz die Klägerin nach wie vor verlange. Die Klägerin sei, so meint die Beklagte, auch keineswegs vertraglich berechtigt gewesen, sämtliche Flächen maschinell zu beräumen, die ihr dafür geeignet erschienen, sondern nur diejenigen Flächen, bei denen die Voraussetzungen für eine maschinelle Räumung nach den Leistungspositionen 4.3.110 und 4.3.120 vorgelegen hätten. Die Entscheidung zum Einsatz von maschineller Räumungstechnik habe sie sich dabei ausdrücklich schon im Vertrag vorbehalten.
Die Beklagte betont, dass entgegen der Darstellung der Klägerin keine Vereinbarung dahingehend getroffen worden sei, dass nur 3,8 Störpunkte pro qm zu räumen seien. Bei diesem Wert handele es sich lediglich um das Vorerkundungsergebnis, das aber zu keinem Zeitpunkt Vertragsinhalt geworden sei. Vielmehr habe sie, die Beklagte, das Vorgefundene unter Berücksichtigung aller ihr vorliegenden Erkenntnisse aus der historischen Recherche und den Erkenntnissen aus bereits beräumten Flächen des Truppenübungsplatzes A. durch einen fachkundigen Bauingenieur in ein Leistungsverzeichnis gefasst.
Der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltene Hinweis der Beklagten auf die Vorerkundungsergebnisse, die bei einer Testfläche von lediglich 0,3 der Gesamtfläche nicht repräsentativ seien, könne nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit den vom Auftraggeber vorgegebenen Positionen und Belastungsannahmen gesehen werden. Das anders lautende Gutachten des Prof. M. vom 04.01.2000, nach dem davon ausgegangen werden müsse, dass eine Vorerkundung von 0,3 der Gesamtfläche in der Regel ausreichend sei, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten, sei nicht Bestandteil der Verdingungsunterlagen und daher für die Beklagte auch nicht relevant gewesen. Im übrigen, so ergänzt die Beklagte, hätten die Annahmen des Prof. M. erhebliche Fehler enthalten, was letztlich dazu geführt habe, dass die Beklagte den Sachverständigen nach Auslaufen seines Vertrages nicht mehr weiter beschäftigt habe. Gleichwohl hätte schon der geringe Anteil der vorerkundeten Fläche an der Gesamtfläche und den Positionen 4.3.10 bis 4.3.100 für die Bieter hinreichende Informationen enthalten, die ihnen eine ordnungsgemäße Kalkulation ermöglicht hätten.
Mehrkosten wegen einer längeren Dauer der Arbeiten könnten, so trägt die Beklagte des Weiteren vor, ebenfalls nur in dem Umfang erstattet werden, in dem sie von ihr zu vertreten seien. Dass die Klägerin tatsächlich 348 Arbeitstage mehr benötigt habe, als sie ursprünglich angenommen hatte, müsse nicht zwingend zu einem Mehrvergütungsanspruch führen.
Schließlich lehnt die Beklagte auch eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten ab. Wie das Landgericht Magdeburg zutreffend festgestellt habe, sei der Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie die Vorerkundung abgebrochen habe. Dies sei nicht geschehen, um von den Bietern fehlerhafte Kalkulationen abzufordern, sondern weil absehbar gewesen sei, dass die ausgewählten Testfelder nicht repräsentativ sein würden, um hinreichende Rückschlüsse auf die Belastung der Gesamtfläche ziehen zu können. Durch den entsprechenden Hinweis in den Verdingungsunterlagen, dass Abweichungen vom Testergebnis möglich seien, habe die Beklagte in zulässiger Weise das unvermeidliche Mengenrisiko gegenüber den Bietern deutlich gemacht. Gleichwohl sei die in den Testfeldern festgestellte Belastung in das Leistungsverzeichnis eingearbeitet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Berufung ist insgesamt zulässig.
I. Zwar ist den Zulässigkeitsanforderungen, die § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO an die Berufungsbegründung stellt, in der Regel genügt, wenn die Begründung zu einem einzigen Streitpunkt eines jeden prozessualen Anspruchs rechtzeitig eingereicht wird. Erforderlich ist jedoch, dass dadurch das gesamte Urteil in Frage gestellt wird. Bei einer Mehrzahl von Ansprüchen ist also eine entsprechende Begründung für jeden Anspruch nötig (Zöller/Gummer/Heßler, 25. Aufl. m2005, § 520, Rdn. 21 m.N.), um eine - gegebenenfalls teilweise - Verwerfung der Berufung als unzulässig gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu vermeiden. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestanden zunächst insoweit, als die von der Klägerin in der Berufungsbegründung bezifferten Teilbeträge in ihrer Summe nicht die Klagesumme erreichten, die sie in zweiter Instanz nach wie vor geltend macht.
II. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin jedoch erläutert, dass sie in Höhe der Differenz einen (weiteren) Schadensersatzanspruch geltend machen möchte. Sie verwies hierzu auf ihre Ausführungen unter Ziff. 5.2. der Berufungsbegründung. Soweit sie in der Berufungsbegründung (S. 49 unten) nur von der "Schlussrechnungssumme" gesprochen habe, habe sie nicht die Schlussrechnungssumme gemeint, sondern die offene Restforderung aus der Schlussrechnung, also die Klageforderung.
III. Auf Grund dieser Erläuterungen der Berufungsbegründung, die keinen neuen Vortrag darstellen, sieht der Senat die Berufungsbegründung als ausreichend und daher die Berufung als in voller Höhe zulässig an. Dass die Klägerin nur versehentlich die Schlussrechnungssumme mit der Klageforderung gleichgesetzt hat, lässt sich anhand des übrigen Vorbringens in der Berufungsbegründung nachvollziehen, wenngleich die aktuelle Restforderung von 4.761.825,90 € in der Schlussrechnung noch nicht genannt wurde.
C.
Die Berufung hat dem Grunde nach Erfolg.
I.
Allerdings hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Mehrvergütung wegen Änderungen der Preisgrundlagen gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B, weil ein Eingriff des Auftraggebers i.S.d. Regelung hier nicht vorliegt und der Vertrag als solcher bereits eine abschließende Regelung zum Risikoausgleich bei möglichen Mehrmengen enthielt.
1. Voraussetzung hierfür ist, entsprechend dem Wortlaut der Regelung, dass die Ursachen für die Mengenabweichung auf einer Anordnung des Auftraggebers im Sinne der genannten Vorschrift beruhen, die dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers zuzurechnen ist (vgl. BGH, BauR 1985, 561). Unter welchen Voraussetzungen eine Anordnung des Auftraggebers im Sinne der Bestimmung vorliegt, ist im Einzelnen umstritten (vgl. zum Meinungsstand Thode, ZfBR 2004, 324); insbesondere ist streitig, ob nur vertragsgemäße Anordnungen des Auftraggebers, die zu einer Mengenabweichung führen, darunter fallen oder ob auch vertragswidrige Eingriffe des Auftraggebers, bzw. sonstige faktische Baubehinderungen oder Zwangslagen - auch, wenn sie nicht vom Auftraggeber veranlasst oder zu vertreten sind - eine Anordnung des Auftraggebers darstellen können und dementsprechend einen vertraglichen Mehrvergütungsanspruch begründen können (vgl. zum Fall der Bauzeitenüberschreitung OLG Hamm, BauR 2005, 1480 ff). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang nicht eindeutig entschieden. In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass auch vertragswidrige Eingriffe des Auftraggebers und faktische Baubehinderungen eine Anordnung im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B darstellen können, wobei dies in erster Linie mit dem praktischen Bedürfnis eines solchen Anspruchs des Auftragnehmers begründet wird (vgl. Ingenstau/Korbion/Keldungs, 15. Aufl. 2003, § 2 Nr. 5 VOB/B Rdn. 23; Kapellmann/Messerschmidt/von Rintelen, § 1 VOB/B Rdn. 57; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, § 6 VOB/B Rdn. 57; Vygen in Vygen/Schubert/Lang, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 4. Auflage, Teil A II Bauausführung und Bauzeit, Rdn. 163 ff; Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam, 10. Aufl., § 2 VOB/B Rdn. 110b.) Die Vertreter der Gegenansicht meinen, dass nur vertragsgemäße Anordnungen auf der Grundlage von § 1 Nr. 3 und Nr. 4 VOB/B oder auf Grund eines vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B begründen können (vgl. Thode, ZfBR 2004, 214).
2. Im vorliegenden Fall bedarf diese Frage letztlich keiner Klärung. Denn Einvernehmen besteht weitgehend insoweit, als die Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B jedenfalls eine Anordnung nach Vertragsschluss oder auch nur einen tatsächlichen Eingriff des Auftraggebers nach Vertragsschluss voraussetzt, der zumindest mitursächlich für die Veränderung der Grundlagen des Preises ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
a) Bloße Erschwernisse, die bei der bisher schon vorgesehenen Leistung ohne Einwirkung des Auftraggebers eintreten, z.B. die Erschwerung der Ausführung infolge der Bodenbeschaffenheit, sind kein Fall des § 2 Nr. 5 VOB/B (vgl. BGH, MDR 1969, 655; OLG Düsseldorf, BauR 1991, 774; Keldungs, a.a.O., Rdn. 11 m.w.N.). Eine Ausnahme wird nur dann in Betracht gezogen, wenn es sich nicht um Erschwernisse bei der Ausführung der ausgeschriebenen Leistung handelt, sondern andere als die ausgeschriebenen Verhältnisse vorgefunden werden, z.B. eine andere als die ausgeschriebene Bodenklasse, und der Auftraggeber die Leistung nach einem entsprechenden Hinweis auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse gleichwohl ausführen lässt (vgl. Keldungs, a.a.O.; OLG Koblenz, Bau R 2001, 1442; Vygen, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vor.
aa) Es fehlt schon an einer Abweichung der tatsächlichen Bodenbeschaffenheit von der ausgeschriebenen in dem genannten Sinne. Denn die Leistungsbeschreibung des Vertrages enthielt sehr wohl Regelungen für alle Grade der möglichen Belastung des Bodens. Es ist letztlich auch keine einzelne Bodenbeschaffenheit aufgetreten, die nach dem Vertrag nicht in Betracht gekommen wäre. Lediglich über den Umfang der tatsächlichen und durchschnittlichen Belastung bestand Unklarheit. Eine vertragliche "Sollbeschaffenheit", auf die die Klägerin abstellt, gab es jedenfalls im Hinblick auf den Kontaminierungsgrad gerade nicht. Diese Unklarheit war wiederum allen Beteiligten bewusst und führte zu einer flexiblen Gestaltung des Leistungsverzeichnisses, das unterschiedliche Abrechnungsmöglichkeiten vorsah.
bb) Auch ein nachträglicher Eingriff der Beklagten in das Vertragsgefüge liegt letztlich nicht vor. Soweit die Klägerin der Beklagten vorwirft, dass sie gegenüber allen Bietern im Ausschreibungsverfahren unvollständige Angaben über das Vorerkundungsergebnis gemacht hat, kommt zwar eine vorvertragliche Pflichtverletzung in Betracht, die zum Schadensersatz führen kann, eine nachträgliche Anordnung i.S.d. § 2 Nr. 5 VOB/B stellt dieses Verhalten jedoch nicht dar.
b) Treffen Erschwernisse mit Anordnungen des Auftraggebers zusammen, die dieser zu ihrer Überwindung erteilt, so können Ansprüche nach § 2 Nr. 5 VOB/B nur dann in Betracht kommen, wenn das Überwinden der Erschwernis nicht schon zu den vertraglich geregelten Pflichten des Auftragnehmers gehört, so dass die Anordnung lediglich den Charakter eines Verweises auf bereits bestehende vertragliche Pflichten besitzt. Nur wenn der Auftragnehmer erst auf Grund der Anordnung zu einer besonderen Art der Durchführung verpflichtet wurde, kommt eine zusätzliche Vergütung in Betracht (vgl. OLG Naumburg, Urt. V. 30.11.2000, 2 U 149/00, BauR 2001, 681). War er hingegen zur Ausführung des "Angeordneten" ohnehin verpflichtet, hat der Auftraggeber mit seiner Anordnung lediglich seine vertraglichen Rechte gewahrt. Ein Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B besteht dann nicht (vgl. BGH WM 1969, 1019).
c) So liegt der Fall hier. Die Klägerin hatte den Boden unabhängig von der tatsächlich vorgefundenen Belastung von Munition und Schrott zu befreien. Dabei war im Leistungsverzeichnis für alle Grade der Belastung eine spezielle Abrechnungsmöglichkeit vorgesehen. Solche Fälle, in denen die ganz oder teilweise geänderte Leistung bereits vom bisher bestehenden vertraglichen Leistungsumfang erfasst ist, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Nr. 5 VOB/B (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1046). Hierzu gehört insbesondere der Fall, dass der vertraglich geschuldete Erfolg - hier die vollständige Beräumung des Bodens - nicht ohne die Leistungsänderung zu erreichen ist (vgl. Keldungs, a.a.O; BGH, a.a.O.). Die geforderte Leistung war hier über den zu erreichenden Erfolg beschrieben. Im Rahmen einer solchen funktionalen Ausschreibung, die verbreitet und in Fachkreisen allgemein bekannt ist, kann einem Anbieter auch ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt bzw. auf ihn ein sonst vom Bauherrn zu tragendes Risiko verlagert werden (vgl. BGHR VOB/A § 9 Nr. 1). Allein der Umstand, dass die Belastung letztlich weitaus höher war, als von beiden Parteien vermutet, rechtfertigt daher keine Preisanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B.
II.
Eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Nr. 6 VOB/B kann die Klägerin ebenfalls nicht verlangen.
1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung (§ 2 Nr. 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B), den er dem Auftraggeber vor der Ausführung der Leistung ankündigen muss (§ 2 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B). Im Gegensatz zu § 2 Nr. 5 VOB/B gilt die zitierte Regelung für solche Fälle, in denen nicht eine ursprünglich vereinbarte Leistung geändert, sondern vom Auftraggeber eine Leistung gefordert wird, die im Vertrag überhaupt noch nicht vorgesehen war. § 2 Nr. 6 VOB/B setzt also eine echte Zusatzleistung voraus (vgl. z.B.: OLG Celle, BauR 2005, 1776 ff; Ingenstau/Korbion/ Keldungs, 15. Aufl. 2003, § 2 Nr. 6 VOB/B, Rdn. 1, 3). Für die Abgrenzung zwischen unmittelbar vertraglich geschuldeten und zusätzlichen Leistungen kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an (BGH, NJW 2002, 1954 f.; BauR 1994, 625).
2. Eine außervertragliche Leistung in diesem Sinne hat die Beklagte im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gefordert. Die Beklagte hat keine andere, zusätzliche Leistung verlangt, denn die Beräumung auch der besonders stark kontaminierten Flächen war bereits im Vertrag vorgesehen. Auch hierfür war ein Einheitspreis vereinbart worden, wenngleich die Parteien den tatsächlichen Umfang der stark belasteten Flächen nicht kannten. Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, die Beklagte habe eine Zusatzleistung verlangt, sondern kann ihr allenfalls vorwerfen, den tatsächlichen Umfang der von vornherein geschuldeten Leistung nicht korrekt dargestellt zu haben. Dieses Verhalten erfüllt aber nicht den Tatbestand des § 2 Nr. 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B.
III.
§ 6 Nr. 6 VOB/B scheidet als Anspruchsgrundlage für eine Mehrvergütung ebenfalls aus.
1. Nach § 6 Nr. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, wenn der Auftraggeber eine Behinderung der Bauausführung zu vertreten hat. Entgangener Gewinn kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit verlangt werden (vgl. z.B. BGH, BauR 2002, 1249; NJW 2005, 1653 ff.).
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B scheitert daran, dass die als solche dargestellten Behinderungen nicht im Einflussbereich der Beklagten lagen, sondern allein auf den vorgefundenen tatsächlichen Verhältnissen beruhen. Bei der unerwartet starken Belastung des Bodens handelt es sich nicht um nachträglich entstandene, hindernde Umstände, die die Beklagte zu vertreten hätte. Zu vertreten hat sie lediglich das Vorenthalten von Informationen über den tatsächlichen Leistungsumfang vor Vertragsschluss. Hierin kann man zwar eine Verletzung der Informationspflicht sehen, aber keine Behinderung der Bauarbeiten i.S.d. § 6 Nr. 6 VOB/B.
3. Aus diesem Grunde kann § 6 Nr. 6 VOB/B letztlich auch insoweit nicht als primäre Anspruchsgrundlage dienen, als es hier auf Grund des Umfangs der Bodenbelastung zu einer Bauzeitverlängerung kam (s. aber unten Ziff. 6.c) zum Haftungsumfang).
IV.
Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo (c.i.c.), heute rudimentär normiert in § 311 Abs. 2 und 3 BGB.
1. Nach § 9 Ziffer 2 VOB/A ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Auftragnehmer nicht bewusst ein außergewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Entwicklung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Eine nicht ordnungsgemäße und daher unvollständige Beschreibung einer Leistung im einem Leistungsverzeichnis kann deshalb grundsätzlich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. auslösen (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 9 VOB/A, Rn. 38, 41 ff.). Dies gilt erst Recht, wenn der Auftraggeber schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben über solche ihm bekannte Umstände macht, die für die Preisermittlung von Bedeutung sind.
a) Unter § 9 Nr. 2 VOB/A fallen weder allgemeine Bauwagnisse noch besondere Wagnisse, die mit einer bestimmten Bauausführung oder einem Teil derselben ursächlich verbunden sind (Kratzenberg, a. a. O., Rdn. 31). Nicht "ungewöhnlich" i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A sind in der Regel auch solche Wagnisse und Risiken, auf die der Auftraggeber ausdrücklich hinweist, so dass der Auftragnehmer sich entscheiden kann, ob er sie übernehmen möchte. Ein ungewöhnliches Wagnis i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A liegt auch dann nicht vor, wenn der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, das Wagnis in wirtschaftlicher Hinsicht abzusichern, indem er z.B. einen Risikozuschlag einkalkuliert (Kratzenberg, a. a. O., Rn 32). Auf Grund dieser Abgrenzungsmöglichkeit wird § 9 Nr. 2 VOB/A teilweise in erster Linie als eine Auftraggeber schützende Norm angesehen (so Quack, BauR 2005, 1080 ff).
b) Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall ein außergewöhnliches Wagnis nicht schon darin gesehen werden, dass der tatsächliche Umfang der Bodenbelastung weder der Beklagten noch den Bietern bekannt war.
Wie in anderen Fällen der Munitionsberäumung war auch hier der Aufwand zur Abarbeitung des Auftrages im Wesentlichen davon abhängig, in welchem Umfange der Sondenführer "Störpunkte" entdeckt, und inwieweit an diesen Störpunkten Fundstücke zu bergen und zu entsorgen sind. Unstreitig wusste die Beklagte ebenso wenig wie die Klägerin oder andere an der Ausschreibung teilnehmende Unternehmen, in welchem tatsächlichen Umfang die verschiedenen Streitkräfte, die die hier relevante Fläche benutzt haben, Munitionsreste hinterlassen haben. Der genaue Leistungsumfang wäre auch durch keine andere Methode als die Abarbeitung des ausgeschriebenen Auftrages vorab zu ermitteln gewesen. Die von der Beklagten gewählte Methode, zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses die ermittelten Ergebnisse einiger beräumter Testfelder "hochzurechnen", ist daher grundsätzlich nicht als fehlerhaft anzusehen, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urt. vom 22.01.2002, 1 U (Kart) 2/01, und vom 22.03.2005, 1 U 65/04). Jede Abrechnungsmethode ist in diesem Fällen von vornherein dadurch gekennzeichnet, dass der tatsächliche Aufwand zur Beseitigung der Munitionsreste und auch die Höhe der Vergütung letztendlich von den vertragsimmanenten Risiken abhängt, die sich daraus ergeben, dass der Umfang der Kontaminierung bei Vertragsschluss unbekannt war. Grundsätzlich ist es daher die Aufgabe der Bieter, diesem typischen Risiko durch eine entsprechend angepasste Kalkulation Rechnung zu tragen, indem angemessene Zuschläge einkalkuliert werden.
c) Der vorliegende Fall weist jedoch im Vergleich zu den bisher von Senat entschiedenen Fällen eine Besonderheit auf, die hier eine andere Beurteilung gebietet.
aa) Wie die Klägerin zutreffend dargestellt hat, hat der Gutachter, der die Vorerkundung durchgeführt hat, diese auf Veranlassung der Beklagten unstreitig abgebrochen und anders als es die Anlage 2.1 der Ausschreibungsunterlagen darstellt, gerade nicht alle Testfelder abschließend untersucht. Das besonders hoch belastete Testfeld 1 SB 3, bei dem der Gutachter die Untersuchung abbrechen musste, ist folglich nicht in die Belastungsergebnisse der Anlage 2.1 der Ausschreibungsunterlagen einflossen. Damit sind die den Bietern zur Kalkulation zur Verfügung gestellten Vorerkundungsergebnisse eindeutig falsch dargestellt worden.
bb) Die Vorerkundungsergebnisse konnten zwar auf Grund des geringen Anteils der Testflächen von 0,3 % keine sichere Prognose zulassen, für die Bieter waren sie aber gleichwohl der einzige greifbare Anhaltspunkt dafür, mit welcher Belastungsstärke und welcher Art von Belastung sie zu rechnen hatten. Auf Grund der Gewichtsangaben und der Anzahl der gefundenen Teile kann auf das Gewicht bzw. die Größe der einzelnen Munitions- und Schrottteile geschlossen werden. Somit kann der Bieter auf der Basis der Vorerkundungsergebnisse berechnen, welche Kleinteiligkeit der Munitions- und Schrottteile pro Gewichtsklasse der Parzelle zu erwarten ist, d. h. mit wie vielen Munitions- und Schrottteilen durchschnittlich (bzw. minimal und maximal) in einer Gewichtsklasse, also einer der Leistungspositionen 4.3.60 bis 4.3.100, als Beschaffenheitssoll gerechnet werden muss. Die Ergebnisse auf den Testfeldern bestimmten deshalb zumindest auch die Vorstellungen der Bieter zur Beschaffenheit der zu beräumenden Fläche im Hinblick auf die zu erwartenden Belastung mit Munition, Munitionsteilen und Schrott. Wie in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, wäre der Sachverhalt dann anders zu beurteilen, wenn im Unterschied zu der gewählten Ausschreibung den Ausschreibungsunterlagen keine Vorerkundungsergebnisse beigelegen hätten, oder die Beklagte den Bietern die Ergebnisse aller drei Testfelder korrekt mitgeteilt hätte.
Dass die Beklagte auf Belastungsabweichungen ausdrücklich hingewiesen hat, ändert nichts daran, dass sie die Vorerkundungsergebnisse als solche einseitig und unrichtig dargestellt hat. Denn gerade der Hinweis, mit Abweichungen müsse gerechnet werden, legt den Schluss nahe, dass die mitgeteilten Vorerkundungsergebnisse grundsätzlich eben die Belastung so darstellen, wie die Beklagte sie im Rahmen ihrer Tests tatsächlich festgestellt hat. Im Unterschied zu den bisher vom Senat zu entscheidenden Sachverhalten hat die Beklagte die Vorerkundungsergebnisse hier nicht nur intern genutzt, um Vordersätze zu berechnen. Sie hat vielmehr ihrer Ausschreibung die Vorerkundungsergebnisse beigefügt, um dem Bieter die Möglichkeit zu geben, die Kalkulation seiner Einheitspreise auf einer realistischen Basis vorzunehmen. Wenn die Vergabestelle allerdings solche Informationen herausgibt und zum Bestandteil ihrer Ausschreibung macht, dann darf sie nicht wesentliche Teile des Vorerkundungsergebnisses zurückhalten. Dies gilt erst Recht, wenn ihr Gutachter feststellt (Gutachten des Büros Prof. M. vom 04.01.2000, Ziffer 3, Seite 8), dass die Vorerkundung für ein munitionsbelastetes Gebiet eine Untersuchung der Belastung an Teilflächen ist, die im Rahmen statistischer Grenzen zu hinreichend zuverlässigen Aussagen über die Belastung der Gesamtfläche führen kann.
cc) Die Beklagte hätte daher in ihren Ausschreibungsunterlagen zumindest erwähnen müssen, dass es im streitgegenständlichen Los ein drittes Testfeld gab, das sie wegen seiner außergewöhnlich hohen Belastung nicht als repräsentativ angesehen und deshalb aus der Begutachtung herausgenommen hat. Indem sie den Bietern diese Information im Rahmen der Ausschreibung vorenthalten hat, hat sie gegen das Transparenzgebot verstoßen, von dem das Vergabeverfahren beherrscht wird, und außerdem den Bietern - und damit insbesondere der Klägerin, die den Zuschlag für das dritte Testfeld erhielt - ein außergewöhnliches Wagnis aufgebürdet.
dd) Die Pflichtverletzung geschah auch schuldhaft, da der Sachverständige noch vor Vertragsabschluss Bedenken erhob, dass dritte Testfeld unberücksichtigt zu lassen, und darauf hinwies, dass die festgestellten Befunde und Maximalwerte in diesem Bereich voraussichtlich noch erheblich übertroffen werden würden (S. 30 des Gutachtens). Gleichwohl hat das Staatshochbauamt die Vorerkundungen dort bewusst abgebrochen, gerade weil eine sehr starke Kontaminierung festgestellt worden war, und hat stattdessen nur die weniger kontaminierten Testfelder angegeben. Später hat sie die Ausführungen dieses Gutachters als fehlerhaft bezeichnet und nach Ablauf seines Vertrages einen anderen Sachverständigen beauftragt, wie die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung betont.
Der Senat geht zwar auf Grund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagte nicht den Vorsatz hegten, die Bieter über die tatsächlichen Umfang der Kontaminierung zu täuschen. Sie haben es jedoch bewusst unterlassen, die Belastung des dritten Testfeldes in ihrer Darstellung des Vorerkundungsergebnisses zu erwähnen, und damit fahrlässig eine unzureichende Kalkulationsgrundlage geschaffen.
2. Die Beklagte ist daher zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der der Klägerin durch das Vorenthalten der Information über das dritte Testfeld entstanden ist. Sie ist so zu stellen, als hätte sie (und alle anderen Bieter) die Erkenntnisse über das dritte Testfeld bei ihrer Angebotskalkulation einbeziehen können.
3. Dem Grunde nach ist ein adäquat-kausaler Schaden zu bejahen. Hätte die Klägerin gewusst, dass es ein drittes Testfeld gab, das eine vielfach höhere Belastung aufwies, hätte sie diesen Umstand nach der Überzeugung des Senates bei der Kalkulation ihrer Kosten und damit bei der Bemessung ihrer Angebotspreise berücksichtigen können und - jedenfalls im Ergebnis - höhere Preise angeboten, so dass ein Schaden jedenfalls dem Grunde nach außer Zweifel steht. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die vorenthaltene Information entgegen allen Grundsätzen einer soliden Preiskalkulation nicht zu höheren Angebotspreisen der Bieter geführt hätte, liegen nicht vor. Dies gilt in besonderem Maße für die Klägerin, die sich um das Los beworben hat, in dem das besonders kontaminierte Teilstück lag.
4. Der Höhe nach kommen vor allem zwei Schadensbereiche und damit zwei Berechnungswege in Betracht. Zum einen hätte die Klägerin in Kenntnis der Belastung des dritten Testfeldes einen höheren Material- und Personalaufwand einkalkulieren, zum anderen mit einer längeren Ausführungszeit rechnen können.
a) Das Landgericht wird daher im Wege der Beweisaufnahme einerseits feststellen müssen, ob die Klägerin mit den von ihr behaupteten höheren Kosten hätte rechnen können, wenn sie das Vorerkundungsergebnis des dritten Testfeldes gekannt hätte. Inwieweit sich diese Kenntnis aus objektiver Sicht bereits im Rahmen der Kalkulation ausgewirkt hätte, kann nur mit Unterstützung durch einen Sachverständigen beantwortet werden, der nach Feststellung der tatsächlichen Kalkulationsgrundlagen ein fiktives Angebot der Klägerin berechnen soll, das die vorenthaltenen Erkenntnisse berücksichtigt. Dass die Klägerin mit einer anderen Kalkulation und einem entsprechend höheren Angebot den Zuschlag möglicherweise nicht erhalten, und damit auch keinen Schaden erlitten hätte, muss im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität außer Betracht bleiben. Eine Berechnung fiktiver Angebote anderer Bieter ist daher nicht vorzunehmen. Zum einen hat die Klägerin den Auftrag tatsächlich ausgeführt, so dass der konkrete Schaden nur bei ihr eingetreten ist, zum anderen hätten die übrigen Bieter bei Bekanntgabe der vollständigen Vorerkundungsergebnisse ebenfalls eine andere Kalkulation anstellen und höhere Angebote unterbreiten können.
Der Senat stellt außerdem klar, dass die Klägerin im Rahmen der Schadensberechnung nicht jede eingetretene Kostensteigerung geltend machen kann, die sich aus der tatsächlich vorgefundenen, erheblich höheren Belastung des Bodens ergeben hat. Denn sie beruhen im Wesentlichen nicht auf der Pflichtverletzung der Beklagten, sondern auf den tatsächlichen Bodenverhältnissen, die auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten vor der Auftragserteilung zum größten Teil unklar geblieben wären. Die Pflichtverletzung der Beklagten führt nicht zu einer vollständigen Verlagerung dieses nach wie vor grundsätzlich auf Seiten der Klägerin liegenden Kalkulationsrisikos. Die Klägerin ist nur so zu stellen, als hätte sie die Erkenntnisse über das dritte Testfeld bei ihrer Angebotskalkulation einbeziehen können. Sie ist aber nicht so zu stellen, als hätte sie die tatsächliche Belastung der gesamten von ihr zu beräumenden Flächen gekannt. Es kommt daher zur Schadensermittlung wohl nur ein Vergleich der tatsächlich kalkulierten Kosten der Klägerin mit den fiktiv zu kalkulierenden Kosten (bei unterstellter Kenntnis der Belastung des dritten Testfeldes) in Betracht.
b) Soweit sich ein Schaden ausschließlich aus der Verlängerung der Leistungszeit ergibt, kommt alternativ oder als Kombination mit der Berechnung des kalkulatorischen Schadens auch eine Schadensberechnung nach den zu § 6 Nr. 6 VOB/B entwickelten Grundsätzen in Betracht, auch wenn eine Behinderung i. S. d. Regelung nicht vorliegt (s.o. B. I. 3.). Denn der Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B beschränkt sich nicht auf Rechte, die sich in ihrer Grundlage aus § 6 VOB/B ergeben. Vielmehr hat § 6 Nr. 6 VOB/B für den Fall der Aufrechterhaltung des Bauvertrages eine selbständige Bedeutung innerhalb der die Ausführungsfrist und die Folgen einer Verzögerung der Ausführung insgesamt regelnden Vorschriften der §§ 5, 6 VOB/B und darüber hinaus auch dann, wenn dem Auftragnehmer der Auftrag nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B entzogen worden ist (vgl. OLG Braunschweig, BauR 2001, 1739 ff.). § 6 Nr. 6 VOB/B ist daher Auffangtatbestand für alle Fälle der Leistungsverzögerung, die sowohl vom Auftragnehmer als auch vom Auftraggeber als auch von beiden herbeigeführt worden sein können. Diese Regelung erfasst sowohl Behinderungen als auch Unterbrechungen der Ausführung (vgl. Ingen-stau/Korbion/ Döring, a.a.O., § 6 Nr. 6, Rdn. 1, 26). Der Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B tritt hinsichtlich der Haftungsfolgen an die Stelle von anderen gesetzlichen Ansprüchen (auch c.i.c.), sofern diese eine Leistungsverzögerung zum Gegenstand haben (vgl. BGHZ 48, 78, 81).
V.
Daneben hat die Klägerin dem Grunde nach auch einen Anspruch auf Anpassung der Vergütung gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B, wie die Beklagte selbst einräumt. Ob sich hieraus letztlich ein weiter gehender Zahlungsanspruch ergibt, hängt davon ab, ob die Ermittlung des neuen Vertragspreises im Rahmen der durchzuführenden Beweisaufnahme zu einem höheren Einheitspreis führt oder nicht.
1. Da sich Leistung und Gegenleistung angemessen gegenüberstehen sollen, muss sich unter Umständen die Vergütung, also der Einheitspreis ändern, wenn es zu einer bestimmten Über- oder Unterschreitung der für die jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses vorgesehenen Mengen kommt. Nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ist deshalb bei einer über 10 % hinausgehenden Überschreitung des Mengenansatzes im Leistungsverzeichnis auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Diese Klausel begründet hinsichtlich der Mehrmengen einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis (BGH, MDR 1969, 655; Kleine/Möller, Hdb. priv. BauR, 3. Aufl., § 10 Rdn. 410, 416). Kommt es trotz der insoweit bestehenden Kooperationspflicht der Parteien zu keiner Vereinbarung, kann der neue Preis unmittelbar zum Gegenstand eines Rechtsstreits gemacht werden (vgl. BGH, NZBau 2005, 455 f.; Keldungs, a.a.O., § 2 Nr. 3 VOB/B Rdn. 27). Nach § 2 Nr. 3 VOB/B entsteht der Anspruch unabhängig von einer unverzüglichen Ankündigung. Gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B soll zwar die Vereinbarung eines Preises vor der Ausführung erfolgen. Geschieht dies nicht, so hindert das jedoch die Entstehung des Anspruchs auf den neuen Preis nicht (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 534 f.; BGHZ 50, 25, 30).
2. Zu Recht geht das Landgericht unausgesprochen davon aus, dass § 2 Nr. 3 VOB/B im vorliegenden Fall nicht abbedungen worden ist. Da die Vertragsbestimmungen, insbesondere die Ausschreibung, unstreitig keine genauen Angaben zu den tatsächlichen Mengen enthielten und auch nicht enthalten konnten, wäre es nahe liegend gewesen, die Regelung des § 2 Nr. 3 VOB/B auszuschließen und unabhängig von den veranschlagten Mengen jeweils strikt nach den vorgegebenen vertraglichen Einheitspreisen abzurechnen, die für die jeweilige Belastungssituation einschlägig sind. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr besteht auch die Beklagte auf einer Anpassung der Einheitspreise nach § 2 Nr. 3 VOB/B - allerdings nach unten.
3. Die Mengenüberschreitungen sind zum großen Teil unstreitig. Die Beklagte hat im Laufe der Arbeiten gesondert abzurechnende Erschwernisse auf einer Gesamtfläche von 190.139,30 qm, und für Bodenaushub einen Mehraufwand im Umfang von 86.816,55 m3, also annähernd das 29-fache des von der Beklagten in den Ausschreibungsunterlagen angenommenen Umfangs, anerkannt. Der Anspruch der Klägerin auf Vereinbarung eines neuen Einheitspreises für erschwerte Räumung wird dem Grunde nach auch von der Beklagten ausdrücklich nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte ist allerdings der Ansicht, dass wegen der erheblichen Überschreitung der von ihr geschätzten Mengen in diesem Bereich nicht eine Erhöhung, sondern eine Reduzierung der vertraglichen Einheitspreise vorgenommen werden müsse, die sie mit Minderkosten beim Einzelpreis auf Grund des größeren Umfangs der schwer belasteten Flächen begründet hat.
4. Die Regelung des § 2 Nr. 3 VOB/B hat das Landgericht also zu Recht als einschlägig angesehen. Soweit die Kammer den Anspruch gleichwohl mangels substantiierter Darlegung der Berechnung des geltend gemachten neuen Einheitspreises abgewiesen hat, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Die Klägerin hatte schon vorgerichtlich ihre Preisvorstellungen dargelegt. Daher beruht die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils insoweit auch auf § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Ob die Forderung der Klägerin nach einer Anpassung des Preises berechtigt ist, ist keine Frage der Schlüssigkeit, sondern muss im Rahmen der Beweisaufnahme geklärt werden. Gleiches gilt auch für die Kürzung der vertraglichen Einheitspreise, die die Beklagte vorgenommen hat, ohne dass das Landgericht hier ebenfalls eine Substantiierungspflicht gesehen hätte. Letztlich wird es darauf ankommen, welchen Einheitspreis ein vom Gericht zu beauftragender Sachverständiger als angemessen ansehen wird. Im Berufungsverfahren besteht jedenfalls auf Grund des ergänzenden Vortrages der Klägerin kein Zweifel an der Schlüssigkeit der Klagebegründung in diesem Punkt. Die Klägerin hat nicht nur die geltend gemachten Mehrkosten für eine manuelle Beräumung detailliert dargelegt, sondern und auch eine hier relevante kalkulatorische Fortschreibung der Preise der Leistungspositionen 4.3.60 bis 4.3.100 vorgenommen, die sie auf Grund der unstreitigen Belastungsmengen für angemessen hält:
- 4.3.100/neu 1 (4.500 kg - 5.400 kg): 3,50 DM
- 4.3.100/neu 2 (5.400 kg - 6.300 kg): 4,80 DM
- 4.3.100/neu 3 (6.300 kg - 7.200 kg): 6,35 DM
- 4.3.100/neu 4 (7.200 kg - 8.100 kg): 8,20 DM
- 4.3.100/neu 5 (8.100 kg - 9.000 kg): 10,45 DM
- 4.3.100/neu 6 (9.000 kg - 9.900 kg): 13,15 DM
- 4.3.100/neu 7 (9.900 kg - 10.800 kg): 16,40 DM
- 4.3.100/neu 8 (10.800 kg -11.700 kg): 20,30 DM
- 4.3.100/neu 9 (11.700 kg - 12.600 kg): 24,95 DM
- 4.3.100/neu 10 (12.600 kg - 13.500 kg): 30,55 DM
- 4.3.100/neu 11 (13.500 kg -14.400 kg): 37,25 DM
- 4.3.100/neu 12 (14.400 kg - 15.300 kg): 45,30 DM
Dieser kalkulatorischen Fortschreibung liegen die in den Leistungspositionen 4.3.60 - 4.3.100 angebotenen Einheitspreise zugrunde. Ob diese Kalkulation der Klägerin und ein zusätzlicher, sich gar "potenzierender Mehraufwand" dadurch eintritt, dass bei der stärkeren Belastung eine Überlagerung der einzelnen Störpunkte vorliegt, wie die Klägerin meint, so dass weitere Aufwendungen erforderlich werden, wird im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären sein. Die an die Substantiierungspflicht zu stellenden Anforderungen hat die Klägerin jedenfalls bereits in erster Instanz erfüllt.
5. Bei mehrfacher rechtlicher Begründung des gleichen Streitgegenstandes (hier Restbetrag aus der Schlussrechnung) muss das Grundurteil in der Regel alle Anspruchsgrundlagen erfassen (vgl. BGHZ 72, 36 m.w.N.). Sind mehrere Anspruchsgrundlagen erfüllt und dem Grunde nach gegeben, kann der Anspruch der Höhe nach auf beide gestützt werden. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 2 Nr. 3 VOB/B auf Anpassung des Einheitspreises wegen Mengenabweichung sind dem Grunde nach hier ebenfalls gegeben. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf gerichtliche Feststellung eines neuen Preises, auch wenn dessen Höhe nicht ohne Beweisaufnahme bestimmt werden kann. Die Feststellung, dass im Rahmen des Anspruchs aus § 2 Nr. 3 VOB/B in jedem Fall ein höherer Preis zu erwarten ist, als die Beklagte zugestanden hat, muss aber zunächst nicht getroffen werden, weil die Klageforderung aus den oben dargestellten Gründen schon als Schadensersatzforderung dem Grunde nach gegeben ist. Gleichwohl kann die Höhe des gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B zu bestimmenden Einheitspreises im Betragsverfahren nicht offen bleiben. Sind mehrere Anspruchsgrundlagen erfüllt, kommt es im Betragsverfahren auf diejenige an, die den höheren Anspruch bietet. Sollte sich im Rahmen der auch insoweit erforderlichen Beweisaufnahme (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) herausstellen, dass der neue Einheitspreis, den beide Vertragspartner nach § 2 Nr. 3 VOB/B verlangen können, nicht höher ist, als von der Beklagten zugestanden, so bliebe der o.g. Schadensersatzanspruch der Klägerin hiervon rechtlich unberührt. Sollte die Beweisaufnahme hingegen einen höheren Einheitspreis ergeben, bestünde ein entsprechender Vergütungsanspruch der Klägerin neben dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch, auf den die etwaige Mehrvergütung allerdings schadensmindernd anzurechnen wäre. Maßgeblich für die Höhe des Erfolgs der Klage wird daher letztlich derjenige der beiden Ansprüche sein, der sich als der höhere erweisen wird.
6. Vom Erfolg des Mehrvergütungsanspruchs hängt auch der Erfolg der Nebenforderung in Höhe von 47.611,73 € ab, die die Klägerin als Verzugsschaden geltend macht. Denn nur hierauf, nicht aber auf den Schadensersatzanspruch, bezogen sich die Anwalts- und Gutachterkosten. Ist die Beklagte insoweit zu keiner Nachzahlung verpflichtet, befand sie sich auch nicht im Zahlungsverzug (§ 286 BGB).
VI.
Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann die Klägerin sich aus grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen nicht berufen. § 2 Nr. 3 VOB/B regelt für seinen Anwendungsbereich gerade den Fall, dass die tatsächlichen Verhältnisse von dem abweichen, was beide Parteien bei Vertragsschluss angenommen haben. § 2 Nr. 3 VOBB geht daher als spezielle Norm vor, auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann darüber hinaus nicht zurückgegriffen werden. (st. Rspr. seit BGH, MDR 1969, 655).
VII.
Ein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) oder gar wegen Betruges (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) scheidet nach den Feststellungen des Senates in der mündlichen Verhandlung aus. Der Verdacht einer Täuschung durch Mitarbeiter des Staatshochbauamtes konnte sich zwar aus objektiver Sicht auf Grund der Tatsache ergeben, dass die Vergabestelle in Anlage 2.1 zum Leistungsverzeichnis lediglich zwei Testfelder genannt und diese als Ergebnis der Vorerkundung bezeichnet hat, ohne das dritte, stark kontaminierte Testfeld zu berücksichtigen oder auch nur zu erwähnen. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben den Senat jedoch mit ihren mündlichen Erläuterungen davon überzeugt, dass sie hierbei nicht zum Nachteil der Bieter handeln wollten, sondern lediglich eine aus ihrer Sicht nicht sachdienliche Darstellung des Vorerkundungsergebnisses vermeiden wollten, weil sie das stark belastete dritte Testfeld nicht als repräsentativ angesehen haben.
C.
Die Kostenentscheidung bleibt der landgerichtlichen Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Ende der Entscheidung
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