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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 02.03.2005
Aktenzeichen: 10 Wx 3/05
Rechtsgebiete: BGB, PStG, FGG, ZPO, AuslG, KostO
Vorschriften:
BGB § 1306 | |
BGB § 1310 Abs. 1 S. 2 HS. 2 | |
BGB § 1314 Abs. 2 | |
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5 | |
BGB § 1353 | |
PStG § 5 Abs. 4 | |
PStG § 45 Abs. 1 | |
PStG § 48 | |
PStG § 49 Abs. 1 S. 2 | |
FGG § 19 | |
FGG § 20 | |
FGG § 27 Abs. 1 S. 2 | |
ZPO § 561 Abs. 2 | |
AuslG § 92 a | |
KostO § 30 Abs. 2 | |
KostO § 30 Abs. 3 | |
KostO § 131 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
10 Wx 3/05 Oberlandesgericht Naumburg
In der Personenstandssache
betreffend eine Anmeldung zur Eheschließung
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 2. März 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und des Richters am Oberlandesgericht Manshausen
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 13. Januar 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1) ist indischer Staatsangehöriger. Gemeinsam mit der Beteiligten zu 2) betreibt er die Anmeldung der Eheschließung. Die zuständige Standesbeamtin der Beteiligten zu 3) verwehrte diese ausweislich des Bescheides vom 18. November 2002 und begründete dies damit, die Personenstandsunterlagen seien inhaltlich falsch.
Den Antrag der Beteiligten, den Standesbeamten zur Vornahme der Anmeldung zu verpflichten, wies das Amtsgericht Halle-Saalkreis mit Beschluss vom 31. Juli 2003 zurück. Der hiergegen eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. September 2003 nicht ab und legte die Sache dem Landgericht Halle vor. Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle wies die Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2004 zurück. Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 1. und 2. weitere Beschwerde ein. Der beschließende Senat hob den Beschluss des Landgerichts vom 27. Februar 2004 auf und verwies die Sache auch zur Entscheidung über die Kosten an das Landgericht zurück. Sodann wies das Landgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2004 die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts wiederum zurück. Zur Begründung führte es aus, es gehe nunmehr davon aus, dass die Identität des Beteiligten zu 1) nachgewiesen sei. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die beabsichtigte Eheschließung für den Beteiligten zu 1) eine Doppelehe im Sinne des § 1306 BGB begründen könnte. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Beteiligten die Eingehung einer Scheinehe im Sinne des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB beabsichtigten. Dies ergebe sich daraus, dass der Beteiligte zu 1) das Geburtsdatum der Beteiligten zu 2) unrichtig benannt habe. Ferner habe die Beteiligte zu 2) ausgeführt, nicht zu wissen, ob der Beteiligte zu 1) Kinder habe, glaube aber, er habe keine Kinder. Es erscheine jenseits jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass Verlobte, die circa 4 Jahre in einem gemeinsamen Haushalt lebten, die Frage nach Kindern des Lebenspartners nicht thematisiert hätten. Im Zusammenhang mit dem ungesicherten Aufenthaltsrecht des Beteiligten zu 1) und der falschen Angabe des Geburtsdatums sei davon auszugehen, dass die Beteiligten eine Scheinehe anstrebten.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten mit der weiteren Beschwerde und legen dar, das Landgericht habe in der angefochtenen Entscheidung bereits einen falschen Sachverhalt unterstellt, denn die Standesbeamtin habe den Ablehnungsbescheid ausschließlich auf den fehlenden Identitätsnachweis des Beteiligten zu 1) gestützt. Diese Zweifel habe das Landgericht als ausgeräumt angesehen. Umso überraschender sei die Schlussfolgerung, sie beabsichtigten die Eingehung einer Scheinehe. Es müsse in Erinnerung gerufen werden, dass sie bereits vier Jahre in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten. Die Formulierung der Beteiligten zu 2): "ich weiß nicht, ob Herr S. Kinder hat, ich meine, er hat keine Kinder" offenbare nicht wirkliche Unkenntnis über die Lebensumstände, sondern besage lediglich, dass sie nicht aus eigener Kenntnis wisse, ob ihr Lebenspartner Kinder habe. Die richtige Information, dass er keine Kinder habe, könne nur von dem Verlobten gegeben werden. Dem Landgericht wäre es auch unbenommen gewesen, in diesem Zusammenhang weitere Fragen zu stellen. Ferner habe das Landgericht das von dem Beteiligten zu 1) wiedergegebene Geburtsdatum der Beteiligten zu 2) fehlerhaft protokolliert. Ihr Verfahrensbevollmächtigter könne bestätigen, dass das Geburtsdatum richtig mit dem 20. Oktober 1965 angegeben worden sei. Sowohl der Akteninhalt, als auch das Befragungsprotokoll könnten die weitgehenden Schlussfolgerungen des Landgerichts nicht tragen.
II.
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 45 Abs. 1, 48, 49 Abs. 1 S. 2 PStG, 19, 20 FGG zulässig. Sie hat in der Sache insoweit Erfolg, als der beschließende Senat eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht auszusprechen gehalten ist. Der angegriffene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts und hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand steht nicht mit der nach dem Gesetz erforderlichen Offenkundigkeit fest, dass Gründe vorliegen, die die Standesbeamtin gemäß §§ 1310 Abs. 1 S. 2 HS. 2, 1314 Abs. 2 BGB berechtigen könnten, die Mitwirkung an der Eheschließung zu verweigern.
Nachdem das Landgericht ausweislich des angefochtenen Beschlusses keine Bedenken gegen die Identität und die Staatsangehörigkeit der Beteiligten mehr hatte, hat es sich mit der Prüfung von Eheverboten und Willensmängeln befasst und die Versagung der Anmeldung zur Eheschließung darauf gestützt, die Beteiligten beabsichtigten, eine Scheinehe einzugehen.
Die Frage des Vorhabens einer Scheinehe der Verlobten liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Das Rechtsbeschwerdegericht ist daher an die Feststellungen des Gerichts der Tatsacheninstanz gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 FGG; § 561 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Tatsachenfeststellung des Beschwerdegerichts ist nur darauf überprüfbar, ob sie unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen ist (BayOblG, NJW-RR 1995, 653, 654). Sind die Feststellungen verfahrensgemäß zustande gekommen, ist der Sachverhalt ausreichend ermittelt und sind alle geeigneten Beweise erhoben worden (§ 12 FGG), ist ferner die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei, so besteht eine Bindungswirkung (ständige Rechtsprechung, BayOblG, FamRZ 1991, 1232, 1234). Eine Gesetzesverletzung ist dann anzunehmen, wenn Formvorschriften über die Beweisaufnahme nicht beachtet worden sind oder bei der Beweiswürdigung gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen worden ist (BayOblG, NJW-RR 1996, 583, 584; 1995, 653, 654).
Vorliegend bestehen Zweifel, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts als Folge einer ausreichenden Tatsachenfeststellung vorgenommen worden ist. Entsprechend den Ausführungen der Beschwerde ist zu berücksichtigen, dass die Standesbeamtin jedenfalls formal die Frage der Schließung einer offenkundig aufhebbaren Ehe gemäß §§ 1310 Abs.1 S.2 HS.2, 1314 Abs.2 BGB noch nicht problematisiert hat. In dem Ablehnungsbescheid vom 18. November 2002 bezog sich die Standesbeamtin zur Begründung auf inhaltlich falsche Personenstandsunterlagen. Lediglich in der Stellungnahmeschrift der Beteiligten zu 3) findet sich die allgemeine, nicht durch Tatsachen belegte Äußerung, die Beteiligte zu 2) habe nicht viele persönliche Angaben zu ihrem Verlobten machen können (Bl. 11 d.A.). Dass die Standesbeamtin Ermittlungen vorgenommen hat, wie sie in § 5 Abs.4 PStG für den Fall des Vorliegens von Anhaltspunkten im Sinne des § 1314 Abs.2 BGB vorgesehen sind, ist nicht ersichtlich. Welche konkreten Erkenntnisse die Standesbeamtin zu der oben zitierten Bemerkung veranlasst haben, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Demnach bleibt als Begründung für die beabsichtigte Scheinehe nach der Argumentation des Landgerichts, dass der Beteiligte zu 1) ein um einen Monat verschobenes Geburtsdatum der Beteiligten zu 2) angegeben hat und die Beteiligte zu 2) keine genauen Angaben zu dem Vorhandensein von Kindern des Beteiligten zu 1) machen konnte. Es sind aber vielfältige Gründe denkbar, wieso eine Person, wenn sie für die Benennung von Monaten Zahlen verwendet, im Rahmen einer gerichtlichen Aussage, eine Falschangabe macht; dies erst recht, wenn die Person ausländischer Staatsbürger ist. Auch sind vielfältige Gründe denkbar, die die Beteiligte zu 2) bei ihrer Anhörung dazu veranlasst haben könnten, mit den Angaben zu Kindern des Beteiligten zu 1) zurückhaltend zu sein. Letztlich kann die von ihr benutzte Formulierung auch darauf hindeuten, dass sie aus eigener Erkenntnis davon ausgeht, dieser habe keine Kinder. Da dem Protokoll weitere Fragen zu diesem Komplex nicht zu entnehmen sind, rechtfertigt die bloße Formulierung der Beteiligten zu 2) nicht die Schlussfolgerung des Landgerichts, über diese Problematik sei zwischen den Beteiligten nicht gesprochen worden. Es wäre beispielsweise naheliegend gewesen, eine Nachfrage zu tätigen, ob Gespräche über diese Frage stattgefunden haben. Da über die persönlichen Lebensverhältnisse der Beteiligten indes derzeit keine Erkenntnisse vorliegen, ist der Senat daran gehindert, die Schlussfolgerung des Landgerichts, die Beteiligten strebten eine Scheinehe an, ebenfalls ziehen zu können. Denn die Beteiligte zu 2) hätte sich möglicherweise des Einschleusens von Ausländern gem. § 92 a Ausländergesetz schuldig gemacht, sollte die Vermutung des Landgerichts zutreffen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstands der drohenden Abschiebung des Beteiligten zu 1) reicht die derzeitige Begründung hierzu nicht aus. Nach dem derzeitigen Sachstand führen die Beteiligten nämlich seit circa vier Jahren eine Lebensgemeinschaft und betreiben seit nunmehr über zwei Jahren ihre Eheschließung. Ob die Ernstlichkeit allerdings den Tatsachen entspricht oder gegebenenfalls nur vorgeschoben ist, dürfte bei den weiteren Ermittlungen, an deren Durchführung der beschließende Senat aus Rechtsgründen gehindert ist, festgestellt werden können.
Für das weitere Verfahren sei darauf hingewiesen, dass auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des Eheschließungsrechts zum 1. Juli 1998 nach allgemeiner Ansicht davon auszugehen ist, dass eine von den Verlobten beabsichtigte Ehe, die der Eingehung der Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1353 BGB dient, der Regelfall ist, während die mit § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB normierte Scheinehe der Ausnahmefall bleibt. Unter Berücksichtigung dieser Ansicht gehen verbleibende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Ehe nicht zu Lasten der Eheschließungswilligen. Erst wenn konkrete Anhaltspunkte für das Fehlen des Willens der Verlobten zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, die über die Annahme bloßer Vermutungen hinausgehen, ist der Standesbeamte gehalten, auf die in § 5 Abs. 4 PStG genannten Ermittlungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Der Beteiligte zu 2) hat kein gesichertes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, so dass die Standesbeamtin bzw. nunmehr das Landgericht als Tatsacheninstanz weitere Ermittlungen durchzuführen hat. Erst wenn die Nachforschungen zweifelsfrei ergeben, dass die Eheschließung allein der Aufenthaltssicherung der Beteiligten dienen soll, kann die beabsichtigte Eheschließung verweigert werden (vgl. zu den Anforderungen: OLG Schleswig, Beschluss vom 11. Juli 2002, Az.: 2 W 118/01, zitiert nach Juris, OLG Jena, FamRZ 2000, 1365; KG, NJW-RR 2001, 1373 ff.; LG Saarbrücken, FamRZ 2000, 819; Hepting/Gaaz, PStR, § 5 PStG, Rn. 47 f.).
III.
Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde setzt der Senat nach den §§ 131 Absatz 2, 30 Absätze 2 und 3 KostO fest.
Ende der Entscheidung
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