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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: 11 U 27/02
Rechtsgebiete: SachenRBerG
Vorschriften:
SachenRBerG § 121 Abs. 1 S. 3 Bst. b |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
11 U 27/02 OLG Naumburg
verkündet am: 19.11.2002
In dem Berufungsrechtsstreit
wegen Feststellung eines Ankaufsrechtes nach § 108 SachenRBerG,
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau, den Richter am Oberlandesgericht Krause und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 10. September 2002 (Geschäfts-Nr. 11 U 27/02) wird aufrechterhalten.
Der Beklagten werden auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 543 Absatz 1 ZPO a.F.).
Entscheidungsgründe:
I. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil ist zulässig. Das Versäumnisurteil ist aber aufrecht zu erhalten (§§ 343, 542 Absatz 3 ZPO a.F.), da die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines Rechtes auf Ankauf der im Grundbuch des Amtsgerichts Wernigerode von R. auf Blatt 175 eingetragenen Grundstücke Flur 3 Flurstücke 104 bis 106/48 nach § 121 Absatz 1 Satz 3 SachenRBerG hat und diesen nach § 108 SachenRBerG feststellen lassen kann.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Voraussetzungen des § 121 Absatz 1 Satz 3 Buchstabe a SachenRBerG vorliegen. Jedenfalls ergibt sich der Anspruch der Klägerin aus § 121 Absatz 1 Satz 3 Buchstabe b SachenRBerG. § 121 Absatz 1 Satz 3 SachenRBerG normiert insoweit nicht kumulativ erforderliche Voraussetzungen, sondern alternativ ausreichende Fallgruppen.
Ein Vertragsschluss nach § 1 des Gesetzes zum Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 setzt nicht voraus, dass diese Norm im Vertrag zitiert wird. Erforderlich ist ausschließlich, dass die gesetzlichen Vorgaben der Norm objektiv erfüllt sind (Wasmuth, RVI, B 100, § 4 VermG Rn. 163). Es kommt insoweit nicht einmal darauf an, ob die Vertragsparteien das Gesetz auch gekannt haben (BVerwG, VIZ 1999, 525, 527), wie dies die Beklagte hinsichtlich des verkaufenden Rates der Gemeinde R. in Abrede stellt. Im Übrigen orientiert sich der Vertragstext vom 30. März 1990 (Anlage K 3, Blatt 8 d. A.) in allen relevanten Details an den Vorgaben der Norm. Insbesondere ist Kaufgegenstand nicht Grundstückseigentum, was nicht ausreichend gewesen wäre (Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, 13. Lfg., § 121 SachenRBerG Rn. 46 f.; Kimme, Offene Vermögensfragen, § 4 VermG Rn. 184; Fieberg/Rei-chenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, 16. Erg.-Lfg. § 4 Rn. 133 m. w. N.), sondern ausschließlich Gebäudeeigentum.
Der Wirksamkeit des Kaufvertrages stünde nicht entgegen, wenn - wie die Beklagte behauptet - der Bürgermeister der Gemeinde der Beklagten oder einem Dritten versichert hätte, er wolle den Verkauf wieder rückgängig machen. Ebenso wenig entfällt die Wirksamkeit des Kaufvertrages nicht dadurch, dass im Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 13. März 1997 (Geschäfts-Nr. 3 A 75/94) über die Rückübertragung an die nunmehrige Beklagte Ausführungen darüber enthalten sind, dass die Klägerin kein Gebäudeeigentum erlangt hat. Zum einen ist nur die vom Verwaltungsgericht tenorierte Entscheidung über die Rückübertragung der Rechtskraft fähig, nicht aber diese Entscheidung begründenden Erwägungen. Unabhängig davon lässt der Umstand, dass es nicht mehr zur sachenrechtlichen Umsetzung des Kaufvertrages kam, nicht den Schluss zu, der Kaufvertrag sei unwirksam.
Die Zweckbestimmung für den Betrieb einer gastronomischen Einrichtung ergibt sich bereits aus Ziffer 3 des Vertrages, jedenfalls aber in der Gesamtschau mit der Gewerbeerlaubnis vom 26. März 1990 (Anlage K 4, Blatt 9 d. A.).
Allerdings wird die parallele Vorschrift des § 4 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe b VermG § 1 des Gesetzes zum Verkauf volkseigener Gebäude durch das Bundesverwaltungsgericht dergestalt ausgelegt, dass der Erwerber des Gewerbegebäudes grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gewerbetreibender (oder Handwerker) war (BVerwG, VIZ 1999, 525, 527). Ausdrücklich in Erwägung gezogen hat das Bundesverwaltungsgericht aber, dass auch genügen könnte, wenn der Käufer zwar bei Kaufabschluss noch nicht Gewerbetreibender war, jedoch die Aufnahme des Gewerbes in dem zu erwerbenden Gebäude bereits in sachlicher und zeitlicher Hinsicht sichergestellt war. Die Entscheidung dieser offen gelassenen Rechtsfrage stellt das Bundesverwaltungsgericht in Zusammenhang mit der Frage, ob die Volkskammer mit dem Gesetz nur die erlaubnisfreie Weiterführung bereits tätiger Betriebe unterstützen oder den Neuaufbau von Betrieben unterstützen wollte.
Angesichts der zum Ende der DDR nur noch geringen Zahl privater Betriebe kann nur letzteres angenommen werden. Schon deshalb ist § 1 VerkaufsG 1990 im beschriebenen Sinne weit auszulegen. Hierfür spricht zusätzlich auch der systematische Zusammenhang zu § 4 der DVO-VerkaufsG, wonach für den Verkauf von Wohngebäuden ausdrücklich genügte, wenn die künftige persönliche Nutzung des Wohnraumes gewährleistet war (so: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, 13. Lfg., § 121 SachenRBerG Rn. 45).
Da die Klägerin über eine Gewerbeerlaubnis verfügte und den Kiosk sogleich betreiben konnte und sollte, liegen damit die Voraussetzungen des § 121 Absatz 1 Satz 3 Buchstabe b SachenRBerG vor.
Soweit die Beklagte jedenfalls im ersten Rechtszug geltend machte, die Klägerin entsorge Abwasser nicht fachgerecht, hätte dies rechtlich allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Belang sein können, als in sachlicher Hinsicht die Aufnahme des Gewerbes nicht sichergestellt gewesen wäre. Indes hat die Klägerin ausweislich der vorgelegten Schreiben vom 20. September und 16. Oktober 2001 mit der Abwasserbehörde eine einvernehmliche, wenn auch provisorische Lösung gefunden. Dass möglicherweise ausweislich des vorgelegten Bescheides des Landrates des Landkreises W. vom 27. November 2001 Herr H. F. und damit ein Dritter keine vergleichbare Regelung erreichen konnte, lässt nicht erkennen, inwieweit dies die Betreibbarkeit des Gewerbes der Klägerin verhindern könnte.
Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht daran, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages und unmittelbar danach nicht im Besitz der verkauften Gebäude gewesen sein mag. Es genügt, dass sie im späteren Verlauf Besitz erlangt hat. Die Verwendung des Begriffs "Nutzer" in § 121 SachenRBerG schafft insoweit keine zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Norm. Dies ergibt sich daraus, dass nach § 9 Absatz 1 Ziffer 7 SachenRBerG der in § 121 SachenRBerG bezeichnete Käufer als Nutzer gilt.
Anderes lässt sich entgegen der im Termin von der Beklagten vertretenen Auffassung auch nicht aus den Stellungnahmen von Bundesrat (BT-Drs. 12/5992, S. 188), Bundesregierung (BT-Drs. 12/5992, S. 204), des Rechtsausschusses (BT-Drs. 12/7425, S. 82) und der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 12/8204, S. 2) entnehmen, die im Gegenteil im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf eine zunehmend weitere Fassung der Regelung und ihres Anwendungsbereiches hinwirkten, die jeweils zuvor noch vorhandene Begrenzungen überholten (vgl. Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens bei Eickmann, Rn. 1 ff.).
Die Frage, auf welche Flächen sich das damit bestehende Ankaufsrecht der Klägerin bezieht, bestimmt sich nach den §§ 65 Absatz 1 und 66 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 21 ff. SachenRBerG. Danach ist jeweils für das gesamte Grundstück das Bestehen eines Ankaufsrechtes festzustellen, wenn sich auch die vertragliche Nutzungsbefugnis auf das gesamte Grundstück erstreckt (§ 21 Satz 1 SachenRBerG). Dies ergibt sich aus Ziffer 1 Satz 2 des Vertrages vom 30. März 1990, wobei das dort bezeichnete Flurstück 48 sich sogar über die streitgegenständlichen Flurstücke 104 bis 106/48 hinaus auch auf das Flurstück 107/48 erstreckte. Auch faktisch erlangte die Klägerin jedenfalls das Nutzungsrecht der Flurstücke 104 bis 106/48, die sie allein erwerben will.
2. Der Beklagte wendet gegen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf die gesamten Flurstücke 104 bis 106/48 ohne Erfolg ein, im notariellen Vermittlungsverfahren habe sie zuletzt nur noch Teilflächen geltend gemacht.
Da durch die Beschränkung des Gegenstandes des Vermittlungsverfahrens ein Verzichtsvertrag schon mangels hinreichender Bestimmtheit nicht geschlossen wurde, versteht der Senat dieses Vorbringen so, dass der Beklagte meint, es liege damit nicht hinsichtlich der gesamten Flurstücke ein Vorverfahren als Verfahrensvoraussetzung vor.
Indes ist ein solches Vorverfahren nur für eine Feststellungsklage nach § 104 SachenRBerG auf Feststellung des Inhaltes eines Ankaufsrechtes erforderlich, dagegen nicht für die hier zu entscheidende Klage nach § 108 SachenRBerG auf Feststellung des Bestehens der Anspruchsberechtigung überhaupt.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Absatz 1, 344 und 542 Absatz 2 ZPO a.F.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
IV. Die Revision lässt der Senat nicht zu, da nicht ersichtlich ist, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat beziehungsweise die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Absatz 2 Ziff 1 und 2 ZPO). Insbesondere erfordert die von dem Senat vorgenommene Auslegung der Voraussetzungen von § 1 des Gesetzes zum Verkauf volkseigener Gebäude nicht die Zulassung der Revision, da die Entscheidung des Senats in Übereinstimmung mit den bisher in Literatur und Rechtsprechung erörterten Erwägungen steht und eine Divergenz zu anderen Entscheidungen nicht ersichtlich ist.
Ende der Entscheidung
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