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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 14 AR 4/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 12 | |
ZPO § 13 | |
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 36 Abs. 2 | |
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 | |
ZPO § 642 | |
ZPO § 642 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB §§ 1601 ff. |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
14 AR 4/03 OLG Naumburg
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, die Richterin am Landgericht Staron und den Richter am Oberlandesgericht Materlik am
12. Februar 2004
beschlossen:
Tenor:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht - Familiengericht - Sangerhausen bestimmt.
Gründe:
I.
Mit Schriftsatz vom 16.09.2003 reichte der am 23.09.1985 geborene Kläger beim Amtsgericht - Familiengericht - Sangerhausen Klage auf Zahlung rückständigen Kindesunterhaltes für die Zeit vom 01.06.2001 bis 22.09.2003 in Höhe von 3.407,30 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit ein (Bl. 1 bis 6 d. A.).
Aufgrund Verfügung des Amtsgerichts Sangerhausen vom 02.10.2003 (Bl. 17 d. A.) wurde die Klageschrift am 07.10.2003 dem Beklagten zugestellt (Bl. 21 Rs d. A.).
Nachdem das Amtsgericht Sangerhausen bereits mit Verfügung vom 02.10.2003 (Bl. 17 d. A.) den Kläger auf Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hingewiesen hatte, beantragte dieser mit Schriftsatz vom 16.10.2003 (Bl. 22 d. A.), das Verfahren an das Familiengericht Berlin-Hohenschönhausen zu verweisen.
Mit Beschluss vom 20.10.2003 (Bl. 20 d. A.) hat sich sodann das Amtsgericht Sangerhausen für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das "Amtsgericht - Familiengericht - Berlin-Hohenschönhausen" verwiesen.
Das Amtsgericht Berlin-Hohenschönhausen hat mit Verfügung vom 11.11.2003 (Bl. 27 d. A.) seine Zuständigkeit unter Hinweis auf § 642 ZPO sowie darauf, dass dort keine familiengerichtliche Abteilung existiere, verneint und die Akte an das Amtsgericht Sangerhausen zurückgesandt.
Mit Beschluss vom 28.11.2003 (Bl. 31 d. A.) hat sich das Amtsgericht Sangerhausen erneut für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf den Wohnsitz des Beklagten an das Amtsgericht - Familiengericht - Berlin Tempelhof-Kreuzberg verwiesen.
Mit Beschluss vom 08.12.2003 (Bl. 33 d. A.) hat sich sodann das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg unter Hinweis auf § 642 ZPO für örtlich und sachlich unzuständig erklärt.
Die Sache ist nunmehr vom Amtsgericht Sangerhausen dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt worden (Bl. 37/37 Rs d. A.)
II.
1. Sowohl das Amtsgericht Sangerhausen, dieses durch Beschluss vom 28.11.2003 (Bl. 31 d. A.), als auch das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg durch Beschluss vom 08.12.2003 (Bl. 33 d. A.) haben sich durch rechtskräftige Entscheidungen im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. BGH, NJW 1980, 1282) für unzuständig erklärt. Da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im vorliegenden Fall der Bundesgerichtshof ist, war gemäß § 36 Abs. 2 ZPO das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht zu bestimmen, in dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Das ist für den Amtsgerichtsbezirk Sangerhausen als zuerst mit der Sache befasstem Gericht das Oberlandesgericht Naumburg.
2. Als örtlich zuständiges Gericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO in Verb. mit § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im vorliegenden Fall gemäß § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Amtsgericht - Familienge-richt - Sangerhausen zu bestimmen. Nach vorgenannter Norm ist für Verfahren, die die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils oder beider Elternteile gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen, das Gericht ausschließlich zuständig, bei dem das Kind oder der Elternteil, der es gesetzlich vertritt, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Zwar ist dem vorliegenden Amtsgericht zuzugeben, dass der Kläger bei Eintritt der Rechtshängigkeit, also bei Zustellung der Klage am 07.10.2003, bereits volljährig war, indes lässt dies hier gleichwohl nicht die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Amtsgerichtes nach § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO entfallen. Bei dem eingeklagten Unterhalt in Höhe von 3.407,30 Euro handelt es sich ausweislich des Klageantrags (Bl. 2 d. A.) sowie der detaillierten Forderungsberechnung auf Seite 5 der Klageschrift ausschließlich um rückständigen Kindesunterhalt des Klägers gemäß den §§ 1601 ff. BGB für die Zeit vom 01.06.2001 bis einschließlich 22.09.2003. Während dieses Zeitraumes war der Kläger noch minderjährig. Da aber § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO seinem unmissverständlichen Wortlaut nach die ausschließliche örtliche Zuständigkeit für Klagen und vereinfachte Verfahren, welche die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern betreffen, an den allgemeinen Gerichtsstand des Kindes oder des Elternteils, der das Kind gesetzlich vertritt, anknüpft, ist die Zuständigkeitsregelung durch § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch dann (noch) abschließend und einschlägig, wenn von einem zwischenzeitlich volljährig gewordenem Kind - wie hier dem Kläger - ausschließlich Unterhalt für die Zeit seiner Minderjährigkeit gefordert wird (Philippi, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., 2003, § 642 ZPO, Rdnr. 2 a mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Da der Kläger seinen Wohnsitz und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sinne der §§ 12, 13 ZPO in Allstedt, also im Bezirk des Amtsgerichts Sangerhausen hat, war und ist demzufolge für seine Klage auf Zahlung des rückständigen Minderjährigenunterhaltes, unbeschadet seines Alters, die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Sangerhausen und nicht diejenige des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg begründet.
3. Die örtlich begründete Zuständigkeit des Amtsgerichts Sangerhausen ist auch nicht durch den als fehlerhaft und darüber hinaus als objektiv willkürlich anzusehenden Verweisungsbeschluss vom 28.11.2003 (Bl. 30 d. A.) aufgehoben worden.
Mangels Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist eine Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Tempelhof-Kreuzberg nicht begründet worden.
Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses nach jener Vorschrift wird zwar noch nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Das übergeordnete verfassungsrechtliche Prinzip der rechtsstaatlich gebundenen und insbesondere dem Gebot des gesetzlichen Richters unterworfenen Judikative (Art. 20 Abs. 3 GG in Verb. mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) lässt indes nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bindungswirkung entfallen, wenn der Verweisungsbeschluss objektiv willkürlich ist, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH, NJW 1993, 1273 und NJW 1996, 3013 ff.; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 281 Rdnr. 30, Greger, in: Zöller, a.a.O., § 281 Rdnr. 17). Letzteres ist auch dann zu bejahen, wenn das zuständige Gericht den Rechtsstreit unter Übergehung einer eindeutigen Rechtsvorschrift fehlerhafterweise verweist (Greger, in Zöller, a.a.O., § 281 Rdnr. 17).
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Sangerhausen, der sich lediglich auf - hier nicht einschlägige - Entscheidungen der Oberlandesgerichte Dresden und Naumburg und den Verweisungsantrag der klagenden Partei stützt, steht so offenkundig im Widerspruch zu dem eindeutigen Wortlaut des § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass vorliegend, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die vorgenannte Norm eine ausschließliche Zuständigkeitsregelung für den Minderjährigenkindesunterhalt enthält, die Verweisung an das damit unzuständige Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg als objektiv willkürlich angesehen werden muss.
Ende der Entscheidung
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