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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 4 UF 2/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 1569
BGB § 1572
BGB § 1573
BGB § 1573 Abs. 1
BGB § 1578
Allein der Umstand, dass ein geschiedener Ehegatte nicht erwerbstätig ist, löst einen Unterhaltsanspruch nicht aus. Vielmehr muss hinzukommen, dass Bemühungen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfolglos geblieben sind.

Die Bewerbungen im September 2003 (siebenmal), im Oktober 2003 (einmal), im Juni 2005 (einmal), Juli 2005 (sechsmal), August 2005 (dreimal) und September 2005 (zweimal) sind keine ausreichenden Bemühungen (vgl. OLGR Naumburg 1997, 233 f).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 UF 2/06 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren

hat der 4. Familiensenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Zettel, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und die Richterin am Amtsgericht Meier am 23.02.2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr für die beabsichtige Berufung gegen das am 25.11.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis, Familiengericht, - Az.: 22 F 1488/01 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Antragsgegnerin kann für die beabsichtigte Berufung keine Prozesskostenhilfe gewährt werden, weil die Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Senat hält es auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht für möglich, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Begehren durchdringen wird.

Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme den erstinstanzlichen Vortrag erschöpfend und richtig beurteilt. Das Vorbringen der Antragsgegnerin in ihrem Prozesskostenhilfeantrag ist nicht geeignet, die Erwägungen des Amtsgerichts zu entkräften. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass das Amtsgericht, wie der Entwurf der Berufungsbegründung rügt, materielles und formelles Recht verletzt haben soll.

Das Amtsgericht hat im Rahmen des Verbundurteils zu Recht den Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt in Höhe von 677,85 EUR monatlich ab Rechtskraft der Scheidung abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB nicht gegeben sei, weil sich aus dem nervenärztlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. P. K. nicht ergebe, dass die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragsgegnerin eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zur Folge hätten. Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch aus § 1573 BGB lägen ebenfalls nicht vor, da die Antragsgegnerin den ihr obliegenden Erwerbsbemühungen nicht in dem geforderten Umfang nachgekommen sei und die zur Bemessung der Höhe eines Unterhaltsanspruchs notwendigen Tatsachen nicht ausreichend vorgetragen habe.

Auch der Entwurf der Berufungsbegründung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller auf nachehelichen Ehegattenunterhalt wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB ist nicht gegeben. Sie hat zwar behauptet, dass sie auf Grund einer psychischen Störung in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, konnte dies aber nicht beweisen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. K. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, in seinem Gutachten vom 02.02.2005 werde die Vermittlung der Antragsgegnerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwar problematisch sein. Jedoch sei sie für einfache manuelle Arbeiten, Tätigkeiten im Sitzen, Arbeiten mit Aufsichtsfunktion ohne sehr große Eigenverantwortung, Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne ständig wechselnden Anforderungssituationen derzeit weiterhin in einem Umfang von täglich sechs Stunden und mehr geeignet. Für die Tätigkeit als Reinigungskraft sei das Leistungsvermögen als aufgehoben zu bezeichnen, die Einschränkungen ergäben sich vor allem auf der Minderung der statischen Belastbarkeit. Auf Grund der mentalen Voraussetzung wäre sich bei berufsfördernden Maßnahmen eher auf Tätigkeiten zu orientieren, die manuell erlernbar seien, leichte Werkstattarbeiten oder anderes. Zu beachten sei dabei auch die Motivationslage der Antragsgegnerin, sie tendiere eher zur Resignation und zum Rückzug, erlebe sich eher als ungerecht behandelt und Opfer, insofern sei die Integrationswilligkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von vornherein wohl eher begrenzt. Der Senat folgt dessen in sich schlüssigen, näher begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen.

Einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1573 BGB hat die Antragsgegnerin nicht schlüssig dargelegt. Hierauf ist die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2005 durch das Amtsgericht hingewiesen worden.

Grundsätzlich ist ein geschiedener Ehegatte gemäß § 1569 BGB verpflichtet, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Gleichwohl kann er gemäß § 1573 Abs. 1 BGB Unterhalt verlangen, so lange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag (OLGR Naumburg 1997, 233 ff.).

Bis zum Jahr 1997 war die Antragsgegnerin im öffentlichen Dienst der Stadt H. als Reinigungskraft angestellt. Aus dem Dienstverhältnis schied sie mit einem Aufhebungsvertrag und Zahlung einer Abfindung aus. Seit dem Jahr 1997, in dem die Trennung der Parteien stattfand, ist sie ohne Beschäftigung. Dass die Antragsgegnerin zur Zeit arbeitslos ist, begründet jedoch keinen Unterhaltsanspruch. Denn allein der Umstand, dass ein geschiedener Ehegatte nicht erwerbstätig ist, löst den Anspruch nicht aus; es muss vielmehr hinzukommen, dass die Bemühungen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfolglos geblieben sind. Die Antragsgegnerin hätte darlegen müssen, dass sie sich um eine Erwerbstätigkeit erfolglos bemüht hat. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sie vorgetragen hätte, dass sie unter Einsatz aller Mittel angemessene Anstrengungen unternommen hat, um eine Anstellung zu finden (vgl. OLGR Naumburg 1997, 233 f.).

Dies ist nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat lediglich vorgetragen, sie habe sich siebenmal im September 2003, einmal im Oktober 2003, einmal im Juni 2005, sechsmal im Juli 2005, dreimal im August 2005 und zweimal im September 2005 um eine Arbeitsstelle bemüht.

Ein Arbeitssuchender muss darlegen, um welche Stellen er sich in der fraglichen Zeit beworben hat, was aus den Bemühungen geworden ist und was er sonst unternommen hat, um Arbeit zu finden. Die Dokumentationspflicht erfordert eine detaillierte und übersichtliche Aufstellung der Bewerbungen und Antworten, insbesondere der entsprechenden Schreiben, damit auch die subjektive Arbeitsbereitschaft geprüft werden kann (Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1361 Rn. 41 m. w. N.).

Wenn die Antragsgegnerin für die Zeit nach der Trennung im Jahr 1997 bis zum Jahr 2005 lediglich 20 Bewerbungen vorträgt und hierbei hauptsächlich vorformulierte Bestätigungsschreiben vorlegt, ist nicht zu erkennen, dass sie sich ernstlich und nachhaltig bemüht hat, eine Beschäftigung zu finden, um ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegnerin um eine Arbeitsstelle als Reinigungskraft beworben hat, was jedoch unverständlich erscheint, wenn nach den Ausführungen des Sachverständigen feststeht, dass für eine solche Tätigkeit ihr Leistungsvermögen als aufgehoben zu bezeichnen ist.

Auch die zur Bemessung der Höhe eines Unterhaltsanspruchs notwendigen Tatsachen hat die Antragsgegnerin trotz Hinweises des Amtsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2005 nicht ausreichend vorgetragen.

Gemäß § 1578 BGB richtet sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies erfordert in jedem Fall eine konkrete Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Parteien. Dabei ist das bis zur Ehescheidung tatsächlich und nachhaltig erzielte Einkommen entscheidende Grundlage für die Bemessung. Es reicht deshalb nicht aus, ausschließlich die Einkünfte zum Zeitpunkt der Scheidung zu beachten, sondern der gesamte Ehezeitraum ist zur Beantwortung der Frage, ob letztlich überhaupt ein Bedarf besteht, entscheidungserheblich (OLGR Naumburg a.a.O.).

Auf Dauer angelegte Einkommensveränderungen zwischen der Trennung und der Scheidung prägen in der Regel die ehelichen Lebensverhältnisse, da die Ehegatten auch während der Trennungsphase bis zur Rechtskraft der Scheidung an der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich teilnehmen. Dieser Grundsatz gilt bei vermögensrechtlichen Dispositionen und beruflichen Entwicklungen, insbesondere Veränderungen der Einkommensverhältnisse nur insoweit, als die Veränderungen nicht auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung der Einkommensverhältnisse seit der Trennung beruhen oder nur wegen der Trennung eingetreten sind (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1578 Rn. 14).

Zwar hat die Antragsgegnerin angegeben, dass das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers im Jahre 2001 sich auf monatlich 2.126,74 EUR belaufe. In der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2005 hat jedoch der Antragsteller vorgetragen, dass die Einkünfte der Ehepartner während der Ehe nur geringfügig differiert hätten. Er habe z. B. im Jahr 1996 ca. 1.800,00 DM verdient. Sein Einkommen habe sich erst erhöht, als er in die alten Bundesländer gegangen sei.

Da derjenige, der die Zahlung von Unterhalt begehrt, die Beweislast für die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse hat (vgl. BGH NJW 1984, 292), hätte die Antragsgegnerin darlegen müssen, worauf die Veränderungen der Einkommenssteigerung bei dem Antragsteller von monatlich 1.800,00 DM im Jahr 1996 bis zu über 2.000,00 EUR im Jahr 2001 beruhen und wie weit das eheliche Zusammenleben von dieser Entwicklungsoption nachhaltig geprägt worden ist. Das einfache Bestreiten der Antragsgegnerin genügt nicht. Auch in dem Entwurf der Berufungsbegründung erfolgte hierzu kein Vortrag.

Unter diesen Umständen hat die Berufung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr für die beabsichtigte Berufung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1 GKG, 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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