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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 6 U 200/01
Rechtsgebiete: HOAI, BGB, ZPO


Vorschriften:

HOAI § 4
HOAI § 4 Abs. 2
HOAI § 4 Abs. 3
HOAI § 4 Abs. 4
HOAI § 11
BGB § 242
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 631 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Der Architekt (Auftragnehmer) darf in seiner Schlussrechnung nicht von der im schriftlichen "Einheits-Architektenvertrag für Gebäude" getroffenen Honorarvereinbarung und den darin festgelegten Honorarzonen abweichen und sein Honorar auf Grund der von ihm ohne Verabredung mit dem Auftraggeber nachträglich nach § 11 HOAI ermittelten höheren Honorarzonen berechnen.

Die wirksame Vereinbarung des Honorars kann der Architekt nicht durch Berufung auf den in § 4 Abs. 2 und 4 HOAI zum Ausdruck kommenden Mindespreischarakter nachträglich einseitig aushebeln.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 200/01 OLG Naumburg

verkündet am: 20. Sept. 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou, die Richterin am Oberlandesgericht Joost und den Richter am Oberlandesgericht Rüge auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Oktober 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle (Saale) - 5 O 209/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung diese Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung restlichen Honorars für seine Architektenleistungen beim Neubau des K. in H. .

Die Parteien schlossen am 14. Dezember 1992 den "Einheits-Architektenvertrag für Gebäude", in dem sie unter 2.3 die Grundlagen des Honorars wie folgt vereinbarten:

"Honorarzone (§§ 11, 12 HOAI) III bzw. für die Hochglashäuser II Honorarsatz (§ 4 HOAI) Mindestsatz" (siehe Anlagenband Blatt 1-3 Rückseite)

Unter dem 22. Oktober 1999 erstellte der Kläger seine Honorar-Schlussrechnung (Anlagenband Blatt 6-137). Er errechnete die Summe der Honorare für die Planungs- und die Ausführungsphase mit 5.403.492,21 DM. Die Beklagte zahlte dem Kläger einschließlich der geleisteten Abschläge 4.976.292,18 DM. Die Differenz von 427.200,03 DM ist die Klageforderung. Die Beklagte, die die Schlussrechnung durch die OFD Magdeburg prüfen ließ, weigerte sich, die neuen "Bewertungen für die Einordnung der Honorarzone", die der Kläger in der Schlussrechnung näher erläuterte, hinzunehmen und das sich daraus ergebende höhere Honorar zu bezahlen.

In der Schlussrechnung stellte der Kläger vereinzelt dar, warum nach seiner Meinung das Zentralgebäude und das Werkstattgebäude in die Honorarzone IV einzuordnen seien und die Honorarzone III bei den Hochglashäusern zu ermitteln sei.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er zu Beginn seiner Planungen dieses komplexen Bauvorhabens nicht gewusst habe, in welche Honorarzonen die einzelnen Gebäude einzuordnen sein würden. Die richtigen Bewertungsmerkmale für das Zentralgebäude, das Werkstattgebäude und die Hochglashäuser hätten sich erst im Laufe der Zeit herausgestellt. Er hat deshalb gemeint, dass er berechtigt sei, die Honorarzonen zu korrigieren und von der Vereinbarung im Architektenvertrag abzuweichen. Anderenfalls würde man den nach § 4 Abs. 2 HOAI nur in Ausnahmefällen zulässigen Mindestsatz durch Einordnung in eine zu niedrige Honorarzone unterschreiten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 427.200,03 DM nebst 4 % Zinsen seit 1. April 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Berechtigung des Klägers verneint, von der Vereinbarung im Einheitsarchitektenvertrag abzuweichen und die Gebäude in eine höhere Honorarzone einzuordnen. Sie hat gemeint, dass es grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Parteien unterliege, die Honorarzone bei Auftragserteilung schriftlich zu vereinbaren, zumal die getroffene Vereinbarung mit den objektiven Zuordnungskriterien übereinstimme und sich an dem üblichen Bewertungsschema des § 11 HOAI orientiert hätte. Wenn sich im Laufe der Zeit bei einigen Gebäuden eine andere als die vereinbarte Honorarzone herausgestellt hätte, hätte eine Korrektur "nur über eine Änderung der Geschäftsgrundlage geschehen" können (Seite 3 der Klageerwiderung, GA 46). Sie hat vereinzelt, weshalb die Honorarzone bei den Gebäuden richtig ermittelt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Parteien seien an die bei Auftragserteilung wirksam getroffene Honorarvereinbarung gebunden. Unter Hinweis auf BGH BauR 1988, 364, 365/366 vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Bindung an die Honorarvereinbarung die nach dem Regelungszweck des § 4 HOAI beabsichtigte Konsequenz sei, um in der Honorarfrage spätere Streitigkeiten und Unklarheiten zu vermeiden.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Ziel weiter. Er bringt vor, dass erst im Verlaufe der Planung und Realisierung klar geworden sei, dass jeweils eine zu niedrige Honorarzone angesetzt worden sei, "weil abgesehen von den Hochglashäusern in der üblichen Weise eine einheitliche Honorarzone angesetzt" worden sei (Seite des Schriftsatzes vom 21. Dezember 2001, GA 133). Eine spätere planerische Veränderung berechtige zur Veränderung der Honorarzone.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 427.200,03 DM nebst 5 % Zinsen über dem Diskontsatz seit dem 1. April 1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bringt vor, dass es keine nachträglichen Änderungen der Planungsanforderungen gegeben habe, die für die vereinbarten Honorarzonen erheblich gewesen wären. Die Honorarvereinbarung entspreche den objektiven Bewertungskriterien.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze und die zum Anlagenband genommenen Unterlagen sowie auf das Urteil der Kammer verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf das von ihm geforderte restliche Honorar für Architektenleistungen; denn der Kläger durfte bei der abschließenden Berechnung seines Honorars in der Schlussrechnung vom 22. Oktober 1999 nicht von den im Architektenvertrag wirksam vereinbarten Honorarzonen abweichen und das Zentral- und das Werkstattgebäude in die Honorarzonen IV und die Hochglashäuser in die Honorarzone III einordnen.

1. Das gemäß § 631 Abs. 1 BGB begründete werkvertragliche Schuldverhältnis der Parteien ist gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen, weil die Beklagte die geschuldete Leistung an den Kläger bewirkt hat. Die Beklagte hat nämlich die auf Grund das Einheitsarchitektenvertrages mit dem Kläger schriftlich bestimmte Vergütung entrichtet. Zweifelsfrei und unbestritten haben die Parteien nicht nur den Architektenvertrag über die Architektenleistungen, die der Kläger erbringen sollte, sondern auch die Höhe der Vergütung wirksam schriftlich (§ 126 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB) vereinbart.

2. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gibt den Vertragsparteien das Berechnungsverfahren für das schriftlich vereinbarte Honorar an die Hand, damit sie überprüfen können, ob der Höchstpreis und der Mindestsatz eingehalten sind. § 4 Abs. 1 HOAI bestimmt nämlich, dass sich das Honorar in erster Linie nach der schriftlichen Vereinbarung richtet, welche die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen. Die HOAI hat aber keine zwingenden, starren Regelungen dahin getroffen, dass der Auftragnehmer mit dem Auftraggeber sein Honorar ausschließlich nach den Abrechnungsbestimmungen der Teile II bis XII verabreden muss. Den Regelungen in § 4 Abs. 2 und Abs. 3 HOAI ist vielmehr zu entnehmen, dass die Vertragsparteien bei ihrer Honorarvereinbarung von den Abrechnungsgrundsätzen der HOAI abweichen dürfen (vgl. Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 8. Aufl. 2002, § 4 Rn. 11 mit weiteren Nachweisen). Es ist also nicht so - wie der Kläger zu meinen scheint, dass jede Abweichung von der Berechnungsmethode der HOAI unzulässig ist. Die preisrechtlichen Regelungen in § 4 Absätze 2 - 4 HOAI sind nur insoweit zwingend, als sie den Höchstsatz und den Mindestsatz regeln.

3. An diese zwingenden preisrechtlichen Bestimmungen haben sich die Parteien in der schriftlichen Honorarvereinbarung des Architektenvertrages vom 14. Dezember 1992 zweifelsfrei gehalten. Die Honorarvereinbarung legt den Honorarsatz eindeutig und klar auf den Mindestsatz fest. Die Vertragsparteien haben die Berechnung des Mindestsatzes dadurch vertraglich eindeutig bestimmt, dass der Kläger die Honorarberechnung auf der Basis der für die Gebäude zutreffenden Honorarzonen III sowie für die Hochglashäuser Honorarzone II und nach den erbrachten Architektenleistungen vornehmen sollte. Es ist weder aus den Unterlagen zu entnehmen noch nach dem Vorbringen des Klägers ersichtlich, dass die Vertragsparteien beim Aushandeln und Abschluss des Einheitsarchitektenvertrages, dessen individuell ausgehandelte Teile in den (wohl vom Kläger verwendeten) Vordruck eingetragen worden sind, die Honorarzonen der Objekte unrichtig oder fehlerhaft eingeordnet haben. Vielmehr haben die Parteien den Neubau "honorarmäßig in nachstehende Teilbereiche gegliedert" (siehe dazu die im Einheitsarchitektenvertrag aufgelisteten einzelnen Gebäude, die für jedes Objekt festgelegte Honorarzone und den dazu eingetragenen Mindestsatz, Anlagenband Blatt 2 Rückseite). An dieser Honorarvereinbarung hat keine der Vertragsparteien den geringsten Zweifel gehabt, wie die geforderten und ohne Beanstandung bis zur Rechnungslegung am 22. Oktober 1999 geleisteten Abschlagszahlungen von 4.635.382,71 DM bestätigen (siehe die Auflistung der Akontozahlungen auf Seite 128 der Schlussrechnung, Anlagenband Blatt 136).

4.1. Da die Parteien bei Auftragserteilung die Honorarvereinbarung wirksam getroffen haben, kann der Kläger sie nicht nachträglich einseitig abändern. Der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat die Frage, ob eine zunächst wirksam getroffene Honorarvereinbarung vor Beendigung der Architektentätigkeit geändert werden könne, für den Fall verneint, dass das Leistungsziel unverändert geblieben sei (Urteil vom 21. Januar 1988 - VII ZR 239/86 - zitiert nach juris, MDR 1988, 666-667 = BauR 1988, 364-366). Die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze haben auch im vorliegenden Fall Gültigkeit: "Es macht sachlich keinen Unterschied, ob die Mindestsätze nach § 4 Abs. 4 HOAI als vereinbart gelten oder ob diese Fiktion deshalb nicht eingreift, weil die Beteiligten vorrangig eine bestimmte, jedenfalls rechtlich zulässige Vergütung wirksam festgelegt haben. Stets soll vermieden werden, dass nachträglich Unklarheit oder sogar Streit entstehen" (BGH aaO).

4.2. Etwas anderes gilt allerdings für solche Fälle, in denen die Parteien das Honorar des Architekten und unter Umständen auch Gegenforderungen des Auftraggebers vergleichsweise regeln wollen. Solche vergleichsweisen Vereinbarungen gehören nicht zum Regelungsbereich des § 4 Abs. 4 HOAI; sie sind zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 25. September 1986 - VII ZR 324/85 - zitiert nach juris, MDR 1987, 311).

4.3. Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die Parteien zum einen das Honorar des Klägers schriftlich wirksam vereinbart haben und zum anderen der Kläger für einen Teil seiner Honorarberechnung die Honorarzone nach Abschluss seiner Architektentätigkeit einseitig abgeändert hat. Das ist schon nach dem Grundsatz, dass man wirksam geschlossene Verträge einhalten muss, unzulässig.

5. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger eine Änderung oder Anpassung der Honorarvereinbarung allenfalls wegen Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage hätte verlangen können. Nach den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen über das Fehlen und den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann der Inhalt eines Vertrages den veränderten Verhältnissen angepasst werden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, § 242 Rn. 113 und Rn. 130 ff.). Zur Geschäftsgrundlage gehören aber nicht einseitige Erwartungen einer Partei, die für ihre Willensbildung maßgebend waren (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, § 242 Rn. 117). Die Vorstellungen des Klägers, die in seinen Erläuterungen zur Veränderung der Honorarzonen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. z. B. Anlagenband Blatt 19), vertraglich bestimmte Eckdaten der Honorarberechnung, nämlich die Honorarzonen für bestimmte Gebäude, nachträglich abzuändern, sind bei Abschluss des Vertrages weder zutage getreten, noch hat die Beklagte diese möglichen Erwartungen des Klägers bei Auftragserteilung als wesentlich erkannt. Die Beklagte dürfte vielmehr wie jeder Auftraggeber davon ausgegangen sein, dass sie sich auf das bindende Angebot des Architekten verlassen konnte und nicht mit nachträglichen Veränderungen der Honorarforderung rechnen musste. Bei jeder Vergabe eines solchen Großauftrages erwartet der Bauherr oder Auftraggeber, dass der Auftragnehmer die bei Auftragserteilung festgelegten Parameter nicht von sich aus abändert und dadurch den Preis vorher nicht kalkulierbar in die Höhe treibt. Erst die grundsätzliche Unabänderbarkeit der wirksam getroffenen Honorarvereinbarung verschafft dem Auftraggeber die unbedingt nötige Planungssicherheit für die Finanzierung des Bauvorhabens.

6. Ob und unter welchen Umständen ein Architekt vom Auftraggeber verlangen kann, dass die schriftliche Honorarvereinbarung nachträglich geändert wird, braucht hier nicht näher erörtert und entschieden zu werden; denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er vor der Erbringung seiner Architektenleistungen bei den Gebäuden, die er in eine höhere Honorarzone eingeordnet wissen will, mit der Beklagten darüber gesprochen und verhandelt hat. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die andere Bewertung und Ermittlung der Honorarzonen auf Änderungen der Gebäude und ihrer Bewertungsmerkmale oder auf besonderen Anordnungen der Beklagten beruht hat.

7.1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Ausspruch der Abwendungsbefugnis beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

7.2. Die Revision ist nicht zuzulassen (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO); denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung dieses Einzelfalls gebietet es auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Eine einheitliche Rechtsprechung muss hier nicht gesichert werden, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.

Ende der Entscheidung

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