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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 9 U 14/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 154 Abs. 2
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 565 Abs. 1 a.F.
BGB § 566 a.F.
BGB § 566 S. 1 a.F.
Die Höhe des Mietzinses gehört zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen, die dem Beurkundungszwang unterliegen. Auch eine Abrede, durch die der Mietzins dauerhaft gesenkt wird, ist formbedürftig. Die Höhe des Mietzinses ist für einen etwaigen Grundstückserwerber, dessen Unterrichtung die Schriftform vorrangig dient, von erheblicher Bedeutung. Auch unter Berücksichtigung der Warn- und Beweisfunktion ist der Formzwang sinnvoll, denn er schützt den Vermieter vor einem übereilten Entgegenkommen. Der Formmangel eines Änderungsvertrages zu einem Mietvertrag führt dazu, dass der zunächst formgültig geschlossene ursprüngliche Vertrag gleichfalls der Schriftform entbehrt und für unbestimmte Zeit als geschlossen gilt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 14/03 OLG Naumburg

verkündet am: 06.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgericht Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 6.5.2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (2 O 464/02) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Dessau vom 22.10.2002 (2 O 464/02) wird aufrechterhalten.

Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass die zwischen der Beklagten und K. Sch. geschlossenen Mietverträge vom 20.7.1995 über das Mietobjekt F. -Straße 5, D. , über das 1. und 2. Obergeschoss und vom 20.7.1995 über das Mietobjekt F. Straße 5, D. , über das 3. Obergeschoss durch die Kündigung vom 30.5.2001 zum 31.12.2001 beendet wurden.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 8.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für die erste Instanz wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 17.12.2002 auf 122.436,96 Euro und für die Berufungsinstanz auf 94.918,51 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht restlichen Mietzins für die Zeit von Oktober 2000 bis April 2002 geltend. Die Laufzeit der beiden streitgegenständlichen Mietverträge ist auf den 14.9.2005 befristet. Der vertraglich vereinbarte Mietzins beträgt monatlich (brutto) 7.776,24 Euro. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieser Mietzins im Jahre 2001 auf monatlich (brutto) 6.327,90 Euro reduziert worden ist. Eine schriftliche Vereinbarung ist darüber nicht zustande gekommen. Der Eigentümer des Grundstücks hat einen von der Beklagten erstellten und vom Geschäftsführer unterzeichneten Nachtrag zu den Mietverträgen nicht unterschrieben. Die Beklagte hat im Jahre 2001 zwei ordentliche Kündigungen ausgesprochen. Mit der Kündigung vom 30.5.2001 hat sie die Mietverhältnisse zum 31.12.2001 gekündigt. Mit Datum vom 19.12.2001 hat sie eine fristlose Kündigung erklärt und diese mit Mängeln an der Heizungsanlage begründet. In der Zeit von Oktober 2000 bis Januar 2002 hat die Beklagte den Betrag von 6.327,90 Euro gezahlt. Im Januar 2002 hat sie das Objekt geräumt. Ab Februar 2002 erfolgte keine weitere Mietzinszahlung. Die Beklagte hat Widerklage erhoben, mit der sie die Feststellung begehrt, dass die Mietverhältnisse durch die fristlose Kündigung zum 19.12.2001, hilfsweise durch die ordentliche Kündigung vom 30.5.2001 zum 31.12.2001 beendet worden sind.

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 133 - 145 I).

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von restlichem Mietzins für die Zeit von Oktober 2000 bis Januar 2002 abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte mit dem Eigentümer des Grundstücks eine Reduzierung des Mitzinses von ursprünglich 7.776,24 Euro auf monatlich (brutto incl. Nebenkostenvorauszahlung) 6.327,90 Euro vereinbart habe. Diesen Mietzins habe die Beklagte in dem genannten Zeitraum in vollem Umfang gezahlt. Die Zahlungsklage sei lediglich für die Monate Februar bis April 2002 begründet, in denen die Beklagte keine Zahlungen geleistet habe. Ein Zahlungsanspruch bestehe über den 31.12.2001 hinaus. Das Mietverhältnis sei nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 23.4.2001 bzw. 30.5.2001 beendet worden. Soweit die Vereinbarung über die Änderung der Höhe des Mietzinses gegen § 566 BGB a.F. (= § 550 BGB) verstoße, komme eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht. Eine solche Kündigung würde gegen Treu und Glauben verstoßen. Die Reduzierung des Mietzinses sei eine allein für die Beklagte vorteilhafte Regelung, weshalb sie sich auf einen Mangel der Schriftform nicht berufen könne. Das Mietverhältnis sei auch nicht durch die fristlose Kündigung vom 19.12.2001 beendet worden. Es habe zwar in einigen Fällen Probleme mit der Heizungsanlage gegeben. Es sei aber nicht ersichtlich, dass dadurch eine grundsätzliche Belastung der Vertrauensbeziehung zwischen den Mietvertragsparteien eingetreten sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie rügt die Ansicht des Landgerichts, dass sie sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht darauf berufen könne, dass der Mietvertrag nach Abschluss der Änderungsvereinbarung nicht mehr der Form des § 566 BGB a.F. entspreche. Das Landgericht habe zudem im Hinblick auf die fristlose Kündigung vom 19.12.2001 nicht alle Gesichtpunkte in die nach § 543 Abs.1 BGB zu treffende Abwägungsentscheidung einbezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 28.2.2003 (Bl. 26 - 37 II).

Die Beklagte beantragt,

das am 17.12.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (2 O 464/02) abzuändern, das Versäumnisurteil des Landgerichts Dessau vom 22.10.2002 (2 O 464/02) aufrechtzuerhalten

und widerklagend

festzustellen, dass die zwischen der Beklagten und K. Sch. geschlossenen Mietverträge vom 20.7.1995 über das Mietobjekt F. -Straße 5, D. über das 1. und 2. Obergeschoss und vom 20.7.1995 über das Mietobjekt F. -Straße 5, D. über das 3. Obergeschoss durch die fristlose Kündigung vom 19.12.2001, spätestens durch die ordentliche Kündigung zum 31.12.2001 beendet wurden.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 17.4.2003 (Bl. 48 - 50 II).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Mietzins für die Zeit von Februar bis April 2002. Die Mietverhältnisse wurden durch die Kündigung der Beklagten vom 30.5.2001 zum 31.12.2001 beendet. Auf diese ordentliche Kündigung sind die Kündigungsregelungen in der bis zum 31.8.2001 geltenden Fassung (Art. 229 § 3 Abs.1 Nr. 1 EGBGB) anzuwenden. Nach § 565 Abs.1a BGB a.F. konnte ein Mietvertrag über Geschäftsräume bis zum 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ende des nächsten Kalendervierteljahres gekündigt werden (vorliegend bis 3.7.2001 zum 31.12.2001). Die Kündigung vom 23.4.2001 (zum 31.7.2001) war hingegen unwirksam, weil sie die vorgenannte Kündigungsfrist nicht berücksichtigt. Der Wirksamkeit der Kündigung vom 30.5.2001 steht nicht entgegen, dass die Mietverträge auf 10 Jahre befristet (14.9.2005) abgeschlossen wurden. Bei einem befristeten Mietvertrag kommt grundsätzlich eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht. Da die Vereinbarung über die Reduzierung des Mietzinses aber nicht der Form des § 566 S.1 BGB a.F. entspricht (der Eigentümer hat den Nachtrag vom 26.7.2001 unstreitig nicht unterzeichnet), gilt nunmehr der gesamte Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 566 S.2 BGB a.F.). Die Höhe des Mietzinses gehört zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen, die dem Beurkundungszwang unterliegen (BGH NJW 2000, 1105, 1106). Auch eine Abrede, durch die der Mietzins dauerhaft gesenkt wird, ist formbedürftig. Die Höhe des Mietzinses ist für einen etwaigen Grundstückserwerber, dessen Unterrichtung die Schriftform vorrangig dient, von erheblicher Bedeutung. Auch unter Berücksichtigung der Warn- und Beweisfunktion (dazu: BGH MDR 1998, 1216, 1217) ist der Formzwang sinnvoll, denn er schützt den Vermieter vor einem übereilten Entgegenkommen (OLG Rostock OLGR 2002, 34, 36). Der Formmangel eines Änderungsvertrages zu einem Mietvertrag führt dazu, dass der zunächst formgültig geschlossene ursprüngliche Vertrag gleichfalls der Schriftform entbehrt und für unbestimmte Zeit als geschlossen gilt (OLG Karlsruhe OLGR 2001, 233, 234). Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich die Beklagte mit dem Eigentümer über die Reduzierung des Mietzinses auf 6.327,90 Euro geeinigt hat. Neben den Ausführungen des Landgerichts ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen W. zu berücksichtigen, der den Betrag von 12.376,30 DM (= 6.327,90 Euro) als Gegenstand des Gesprächs im Juli 2001 bestätigt hat. Selbst wenn man nach der Aussage des Zeugen W. davon ausgeht, dass der Eigentümer die Vereinbarung schriftlich fixiert haben wollte (so ausdrücklich Bl.75 I), steht auch § 154 Abs.2 BGB der Annahme einer wirksamen Vereinbarung nicht entgegen. Die Regel des § 154 Abs.2 BGB ist nicht anwendbar, wenn die Parteien den nur mündlich geschlossenen Vertrag einverständlich durchführen (BGH NJW-RR 1997, 669, 670; BGH NJW 2000, 354, 357). Der Eigentümer hat rund 1 Jahr den reduzierten Mietzins ohne Beanstandung entgegengenommen. Der Zeuge Sch. (= Eigentümer) hat zwar bekundet, dass es - schriftliche - Beanstandungen der reduzierten Mietzinszahlungen gegeben habe (Bl. 79 I). Konkrete Anhaltspunkte dafür hat aber weder der Zeuge noch der Kläger vorgetragen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, nachdem die Beklagte diese Beanstandungen ausdrücklich bestritten hat. Letztlich spricht somit auch der Umstand, dass der reduzierte Mietzins entgegengenommen wurde, dafür, dass die Vereinbarung getroffen wurde, so wie dies der Zeuge W. bekundet hat.

Der Beklagten ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht verwehrt, sich auf den Formmangel zu berufen. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn der Mieter oder Vermieter eine allein zu seinen Gunsten getroffene formlose Vereinbarung zum Anlass nimmt, sich unter Berufung auf den Formmangel vorzeitig aus dem befristet abgeschlossenen Mietvertrag zu lösen (BGHZ 65, 49, 55; OLG Düsseldorf ZMR 2002, 510, 511; OLG Koblenz OLGR 2001, 149, 150, OLG Rostock a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). In diesem Zusammenhang sind indes zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zum einen machte es aus Sicht der Beklagten Sinn, im Hinblick auf das Sonderkündigungsrecht (Anlage 1 zum Mietvertrag - Bl. 8 I) Mitte des Jahres 2000 mit dem Vermieter in Verhandlungen über die Konditionen des Mietvertrages einzutreten. Der Zeuge W. hat ausgesagt, dass dies der Zweck der Verhandlungen war. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass der Zeuge Sch. erklärt habe, "bei mir zieht keiner aus, wir finden schon eine Lösung". Es ging dem Zeugen Sch. somit darum, die Beklagte weiter an sich vertraglich zu binden und von der Ausübung des Sonderkündigungsrechts abzuhalten. Wenn ihm dies mit einem reduzierten Mietzins möglich war, lag die Vereinbarung eben auch in seinem und nicht allein im Interesse der Beklagten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihrerseits das Erforderliche getan hat, um die Schriftform zu wahren. Es war der Zeuge Sch. , der den ihm übersandten schriftlichen Nachtrag über die zuvor geschlossene Vereinbarung nicht unterzeichnet hat. Da die Berufung auf den Formmangel grundsätzlich ohne besondere Umstände nicht gegen Treu und Glauben verstößt (OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.), muss der Umstand, dass die Beklagte die Wahrung der Form nicht vereitelt hat, vielmehr ihrerseits das Erforderliche dafür getan, bei der Würdigung einer Treuwidrigkeit besonders berücksichtigt werden. Bei Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen die Änderungsvereinbarung zustande kam und wie der Vertrag danach durchgeführt wurde, sieht der Senat keinen Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte den Formmangel nunmehr für ihre ordentliche Kündigung zu nutze macht. Die Verträge wurden somit im Ergebnis durch die Kündigung vom 30.5.2001 zum 31.12.2001 beendet.

Die Mietverträge wurden nicht durch die fristlose Kündigung vom 19.12.2001 mit sofortiger Wirkung beendet. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens sieht der Senat einen Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs.1, Abs.2 Nr.1 BGB (auf die Kündigung vom 19.12.2001 sind die Kündigungsregelungen in der ab dem 1.9.2001 geltenden Fassung anzuwenden) nicht als gegeben an.

Die Widerklage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs., 92 Abs.2 ZPO (soweit der Mietvertrag nicht bereits zum 19.12.2001, sondern erst zum 31.12.2001 beendet wurde) .

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

Zum Streitwert:

a ) erste Instanz:

Zahlungsklage 46.502,16 Euro Widerklage (12 x 6.327,90 Euro - § 16 Abs.1 GKG) 75.934,80 Euro Gesamt 122.436,96 Euro

Die Werte von Klage und Widerklage sind zusammenzurechnen (§ 19 Abs.1 S.1 GKG), weil die Klage auf Zahlung von Mietzins und die Widerklage auf Feststellung der Beendigung eines Mietvertrages keinen identischen Streitgegenstand i.S.v. § 19 Abs.1 S.3 GKG haben. Die Abänderung des Streitwertbeschlusses im angefochtenen Urteil beruht auf § 25 Abs.2 S.2 GKG.

b ) Berufungsinstanz

Zahlungsklage (gemäß LGU) 18.983,71 Euro Widerklage 75.934,80 Euro Gesamt 94.918,51 Euro

Ende der Entscheidung

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