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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 09.01.2003
Aktenzeichen: 1 VAs 26/02
Rechtsgebiete: BtMG
Vorschriften:
BtMG § 35 Abs. 1 | |
BtMG § 35 |
Oberlandesgericht Oldenburg
1. Strafsenat 1 VAs 26/02 630 Js 34628/01 - StA Osnabrück
Beschluss
In dem Strafverfahren
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 9. Januar 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... beschlossen:
Tenor:
Die Bescheide der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 17.10.2002 und der Generalstaatsanwaltschaft vom 13.11.2002 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht trägt die Staatskasse, die auch die dem Antragsteller in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller wurde am 26.06.2002 (Urteil des Amtsgerichts Meppen 7 Ls 630 Js 34628/01 - 7/02) wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in drei Fällen und wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen war der Antragsteller seit längerer Zeit drogenabhängig und hat sich im Juli - September 2001 zusammen mit dem gesondert Verfolgten O... L... in die Niederlande begeben und dort zumindest dreimal jeweils 60 g Marihuana zum Eigenverbrauch erworben, welches er in die Bundesrepublik Deutschland einführte. Außerdem wurden am 22.09.2001 4,5 g Marihuana im Aschenbecher eines Pkw gefunden, das der Antragsteller dort für sich aufbewahrte.
Seinen Antrag, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG zurückzustellen hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit Bescheid vom 17.10.2002 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aus dem Verfahren würden sich außer den Angaben des Verurteilten keine Hinweise auf eine Drogenabhängigkeit ergeben. Die Einfuhr von Cannabis lege den Verdacht auf Cannabismissbrauch nahe, Drogenmißbrauch reiche für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 BtMG nicht aus. Die Beschwerde des Antragstellers hat die Generalstaatsanwaltschaft am 13. November 2002 zurückgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 35 Abs.2 BtMG, 23 ff EGGVG führt zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Nach § 35 Abs. 1 BtMG steht die Zurückstellung der Strafvollstreckung für den Fall des Vorliegens der in der Vorschrift aufgezählten Voraussetzungen im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Der Senat kann daher die angefochtenen Bescheide nach § 28 Abs. 3 EGGVG nur daraufhin überprüfen, ob die Vollstreckungsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zuständigen Ermessens eingehalten hat (vgl. BGHSt 30, 320, 327). Die Überprüfung ergibt, dass die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde von einer fehlerhaften Ermessensgrundlage ausgegangen ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt, in den Gründen des Urteils des Amtsgerichts Meppen werde eine Drogenabhängigkeit pauschal konstatiert, allein der Konsum von Marihuana könne eine echte Drogenabhängigkeit allenfalls in Ausnahmefällen begründen. Nur wenn die Betäubungsmittelabhängigkeit feststehe, könne eine Zurückstellung bewilligt werden. Den ihm obliegenden Beweis habe der Antragsteller nicht geführt.
Diese Begründung rechtfertigt die Ablehnung der Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers zur Tatzeit nicht . In der Regel entfalten angesichts des klaren Gesetzeswortlautes, wonach sich "aus den Urteilsgründen" ergeben kann,dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde (§ 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG), die gerichtlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit im Urteil eine Bindungswirkung für die Staatsanwaltschaft (vgl. Körner, BtMG 5. Auflage, Rdnr. 61). Diese Bindungswirkung der Urteilsfeststellungen entfällt nur, wenn im Rahmen der Hauptverhandlung die Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die Straftaten keine entscheidende Rolle gespielt haben und entsprechende Behauptungen nicht überprüft wurden. In diesen Fällen kann die Staatsanwaltschaft eigenständige Feststellungen entgegen den Urteilsgründen treffen (vgl. Körner a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist das Amtsgericht aufgrund der Hauptverhandlung von einem glaubhaften Geständnis des Angeklagten ausgegangen und hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben zur Betäubungsmittelabhängigkeit und zu deren Kausalität für die Straftaten gehabt. Wie sich aus dem Urteil ergibt, war dem Amtsgericht bekannt, dass der damalige Angeklagte bereits zweimal wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden war, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten mit Bewährung (Urteil vom 31.05.2001). Angesichts dieser Urteilsfeststellungen hätte die Staatsanwaltschaft von sich aus eigenständige Feststellungen zur Betäubungsmittelabhängigkeit treffen müssen, um die Bindungswirkung aufzuheben ( vgl OLG Stuttgart NStZ 1999,626). Derartige Feststellungen sind nicht getroffen worden. Hier war weiter zu berücksichtigen, dass es nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragstellers im Juli 2002 zu einer erneuten betäubungsmittelrechtlichen Straftat gekommen ist, die zunächst zur Einweisung in die Forensische Abteilung des ...krankenhauses O... führte (Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Lingen vom 14.07.2002 - 7 Gs 597/02). Der Unterbringungsbefehl wurde anschließend mit der Maßgabe außer Vollzug gesetzt, dass sich der damalige Beschuldigte am 14.08.2002 zwecks Durchführung einer Therapie in die ... - ... - Klinik in G... begibt. Unstreitig hat der Antragsteller die Drogentherapie ordnungsgemäß angetreten und inzwischen fast 5 Monate in der Einrichtung verbracht. Auch die ärztlichen Bescheinigungen der ...-...-Klinik G... vom 25.10. und 22.11.2002 stehen den Urteilsfeststellungen nicht entgegen, sondern bekräftigen diese eher.
Angesichts des dargestellten Sachverhalts spricht alles dafür, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs.1 BtMG vorliegen, zumal es sich bei den Straftaten um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehandelt hat. Da eine gerichtliche Zustimmungserklärung erst nach der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde Bindungswirkung entfaltet (vgl. Körner a.a.O. Rn. 169) und eine Entscheidung des zuständigen Gerichts des ersten Rechtszuges noch nicht vorliegt hat sich der Senat darauf beschränkt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Sache zur erneuten Überprüfung , insbesondere auch der konkreten Therapievoraussetzungen an die Staatsanwaltschaft Osnabrück zurückzugeben, die den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat ( vgl. Körner a.a.O. Rn. 218).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30 KostO.
Ende der Entscheidung
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