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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 1 Ws 312/05
Rechtsgebiete: StPO, BGB
Vorschriften:
StPO § 464 b | |
StPO § 467 Abs. 1 | |
BGB § 242 |
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss
In der Strafsache
gegen Herrn B... aus H...,
geboren am ... 1943 in S...,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 22. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und .... beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts R... gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Osnabrück vom 14. April 2005 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
Gründe:
Durch Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 9. Mai 1985, rechtskräftig seit dem 26. März 1986, wurde der Angeklagte B... teils verurteilt, teils freigesprochen. Im Umfang des Freispruchs wurden die Verfahrenskosten und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Freigesprochenen der Staatskasse auferlegt.
Mit Schreiben vom 31. Dezember 2004 hat Rechtsanwalt R..., der damalige Verteidiger des Freigesprochenen, eine Abtretungserklärung vorgelegt, wonach ihm der Freigesprochene am 19. Mai 1986 den Anspruch gegen die Staatskasse auf Auslagenerstattung abgetreten und er diese Abtretung am 21. Mai 1986 angenommen hat. Zugleich hat Rechtsanwalt R... beantragt, die dem Freigesprochenen auf Grund des Urteils des Landgerichts Osnabrück vom 9. Mai 1985 zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 913,08 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz festzusetzen.
Der Rechtspfleger des Landgerichts Osnabrück hat mit Beschluss vom 14. April 2005 den Antrag auf Festsetzung der notwendigen Auslagen mit der Begründung zurückgewiesen, die Geltendmachung des Anspruchs sei verwirkt.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts R..., der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat, ist zwar zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht eine Verwirkung des Erstattungsbegehrens angenommen. Die Verwirkung stellt einen auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung dar, dem auch prozessuale Befugnisse wie Ansprüche auf Kostenerstattung unterliegen können, vgl. OLG Frankfurt, MDR 1974, 240; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 55. Der Rechtsgrundsatz der Verwirkung ist auch in den Fällen der Kostenfestsetzung nach § 464b StPO, die nach den Vorschriften der ZPO durchzuführen ist, zu berücksichtigen. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es lange Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte (Umstandsmoment), dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 242 Rdn. 87 m.w.Nachw.). Zwar ist der dem Grunde nach rechtskräftig festgestellte Erstattungsanspruch des Freigesprochenen gegen die Staatskasse, der der 30jährigen Verjährungsfrist unterliegt (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), noch nicht verjährt. Eine Verwirkung kann indessen schon vor der Verjährung eintreten; darin liegt gerade die besondere Bedeutung der Verwirkung in der Praxis. Vorliegend hat der Freigesprochene seinen Erstattungsanspruch aus dem Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 9. Mai 1985 am 19. Mai 1986 unwiderruflich seinem Verteidiger abgetreten, der die Abtretung am 21. Mai 1986 annahm. Der Verteidiger hatte deshalb seit 1985, spätestens seit der Annahme der Abtretung Kenntnis von dem Auslagenerstattungsanspruch. Auf seinen Antrag vom 8. Juli 1986 hat der Verteidiger nochmals Akteneinsicht erhalten und die Akten am 21. Juli 1986 der Staatsanwaltschaft Osnabrück zurückgesandt. Irgendein Anhalt dafür, dass noch ein Antrag auf Auslagenerstattung folgen werde bzw. die Geltendmachung jenes Anspruchs vorbehalten bleibe, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Erst mit Telefax vom 31. Dezember 2004 hat der Verteidiger eine Auslagenerstattung beantragt.
Das sog. Zeitmoment der Verwirkung ist schon durch die mehr als 18 Jahre andauernde Untätigkeit des Berechtigten erfüllt. Mehr als 18 Jahre sind als überreichlich langer Zeitraum anzusehen, in dem dem Verteidiger die Geltendmachung des ihm abgetretenen Erstattungsanspruchs möglich und zumutbar gewesen ist. Das taten und kommentarlose Verstreichenlassen dieses Zeitraumes, insbesondere das nicht von einem Kostenantrag begleitete Zurücksenden der nach Verfahrensbeendigung eingesehenen Akten und die nachfolgende Untätigkeit stellten Umstände dar, die insbesondere auch weil es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Rechtsanwalt handelt - im Verpflichteten (Staatskasse) den Eindruck erweckten, der Berechtigte wolle eine Kostenerstattung nicht mehr geltend machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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