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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: Ss 342/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 92 a Abs. 1
Zur Begehung des Straftatbestandes von § 92 a Abs. 1 AuslG durch Unterlassen.

Keine Verpflichtung eines Gastwirtes zur Überprüfung des aufenthaltsrechtlichen Status von Ausländern, die sich in seiner Gaststätte aufhalten.


Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

1. Strafsenat

In der Strafsache

wegen Einschleusens von Ausländern,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 2. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 11. Juni 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

Gründe:

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Inhaber der Bar "H... " in ... Ausländerinnen, die in seiner Bar angetroffen wurden, Hilfe zu ihrem gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG verstoßenden Aufenthalt in Deutschland geleistet und sich dadurch wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 92a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG strafbar gemacht zu haben. Das Amtsgericht Osnabrück hat den Angeklagten am 17. Oktober 2003 zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Berufung des Angeklagten ist vom Landgericht Osnabrück mit Urteil vom 11. Juni 2003 verworfen worden.

Die - in zulässiger Weise eingelegte und begründete - Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war Mieter des Erdgeschosses des Hauses ... Str. ... in .... , in der die Bar "H... " betrieben wurde. Zugelassen waren die Bar als "Schankwirtschaft mit Tanzdarbietungen"; Tanzdarbietungen, auch Nackttänze, und Animieren zum Getränkekonsum waren erlaubt, nicht hingegen die Ausübung der Prostitution. Der Angeklagte war Inhaber der Gaststättenkonzession des Barbetriebs.

Im Obergeschoss des Hauses, das nicht unmittelbar von der Bar aus, sondern nur nach deren Verlassen über eine vom Hinterhof aus zugängliche Treppe zu erreichen war, befanden sich Räume, in denen der Prostitution nachgegangen wurde. Diese Räume waren nicht vom Angeklagten, sondern von einem Herrn S... angemietet. In der Bar bestand Gelegenheit, Kontakt zu Prostituierten aufzunehmen, die dann mit den Freiern in das Obergeschoss gingen. Die Trennung zwischen der Bar und den Wohnungen im Obergeschoss "war nur formaler Natur". Das war dem Angeklagten bekannt.

Am 13. September 2001 wurden in der Bar 8 Ausländerinnen angetroffen, die als Animierdamen, Tänzerinnen oder Prostituierte tätig waren. Sie waren in der Bar "beschäftigt". Die Frauen gaben an, in den Räumen des Obergeschosses zu wohnen. Sie besaßen keine Genehmigung oder Duldung ihres Aufenthalts in Deutschland. Dies war dem Angeklagten bekannt, jedenfalls rechnete er mit dieser Möglichkeit und nahm es aus geschäftlichen Gründen billigend in Kauf.

Der Angeklagte, der bei der polizeilichen Überprüfung nicht anwesend war, erkundigte sich anderntags nach deren Grund und erklärte, in seiner Bar arbeiteten nur Künstlerinnen mit ordnungsgemäßen Papieren. Vor Gericht hat der Angeklagte geschwiegen. In einem verlesenen Schreiben hat er angegeben, er kenne die 8 angetroffenen Ausländerinnen nicht, er habe diese auch nicht angestellt. Das Urteil geht zugunsten des Angeklagten davon aus, er habe sich nur selten in der Bar aufgehalten und die 8 Ausländerinnen nicht gekannt.

Diese Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch einer Straftat nach § 92a AuslG.

Das Landgericht hat keine Einzelhandlung festgestellt, mit welcher der Angeklagte konkret Hilfe zum illegalen Aufenthalt leistete. So ist insbesondere schon nicht festgestellt worden, dass der Angeklagte den Barbetrieb tatsächlich leitete; eher für das Gegenteil spricht, dass das LG davon ausgeht, er habe die 8 Ausländerinnen nicht gekannt und sei selbst nur selten in der Bar gewesen. Das könnte dafür sprechen, dass er mit dem Ablauf des Barbetriebes nicht befasst, sondern bloßer Konzessionsinhaber war.

Auch die - nur pauschal getroffene - Urteilsfeststellung, die Ausländerinnen seien in der Bar "beschäftigt" gewesen (UA S. 5, 3. Abs.), reicht in dieser Form für einen Schuldspruch nach § 92a AuslG nicht aus. Der Begriff "beschäftigt" wird im Urteil nicht mit Tatsachen ausgefüllt. So bleibt offen, ob die Ausländerinnen in irgendeiner Weise vertraglich angestellt waren, ob es eine Vereinbarung von Arbeitszeit und Bezahlung oder irgendeine andere Form einer Eingliederung in den Barbetrieb des Angeklagten gab. Gleiches gilt, soweit das Urteil an anderer Stelle (UA S. 5, 4. Abs.) in Bezug auf den Angeklagten die Ausländerinnen als "in seinem Betrieb tätige" Personen bezeichnet. Diese Formulierung legt zwar eine betriebliche Einbindung der Frauen nahe, bleibt aber mangels konkreter Angaben vage und letztlich inhaltslos. Das Urteil läßt zudem (UA S. 3) ausdrücklich offen, ob die Ausländerinnen "in dem Objekt als Animierdamen, Tänzerinnen oder Prostituierte tätig" waren. Damit ist, da nach den Urteilsfeststellungen in der Bar selbst keine Prostitution stattfand, aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Frauen im Obergeschoss des Hauses der Prostitution nachgingen und aus eigenem Antrieb und auf eigene Rechnung, also ohne irgendein Zutun des Angeklagten, in der Bar Kontakt zu Freiern suchten.

Eine Strafbarkeit des Angeklagten im Sinne der Anklage könnte sich aufgrund der Urteilsfeststellungen somit nur daraus ergeben, dass der Angeklagte Konzessionsinhaber der Bar war, in der sich Ausländerinnen befanden, die sich unberechtigt in Deutschland aufhielten. Darin liegt aber kein nach § 92a AuslG strafbares Verhalten.

Das bloße Nichteinschreiten gegen den Aufenthalt sich illegal in Deutschland befindender Personen in einer Gaststätte durch den Konzessionsinhaber könnte nur § 92a Abs. 1 AuslG unterfallen, wenn diese Form eines Unterlassens insoweit strafbar wäre. Das ist indessen nicht der Fall.

Zwar ist - wie bei jeder Beihilfe - bei § 92a AuslG als einem Fall der zum Tatbestand verselbständigten Beihilfe eine Tatbegehung durch Unterlassen grundsätzlich möglich. Eine Strafbarkeit des Unterlassens setzt aber bei unechten Unterlassungsdelikten, also auch hier, eine entsprechende Rechtspflicht zum Handeln voraus. Diese müßte vorliegend dahin gehen, dass der Konzessionsinhaber eines Barbetriebes rechtlich verpflichtet ist zu verhindern, dass Ausländer, die sich illegal in Deutschland befinden, sich in seiner Bar aufhalten. Eine solche Rechtspflicht besteht indessen nicht. Sie überspannte die an eine Privatperson zu stellenden Anforderungen. Es ist nicht vertretbar, von jedem Gastwirt unter Strafandrohung zu verlangen, den aufenthaltsrechtlichen Status ausländischer Gäste zu kontrollieren und sich illegal in Deutschland aufhaltende Ausländer seiner Räume zu verweisen. Dadurch würde ihm die Erledigung ausschließlich öffentlicher Aufgaben auferlegt, für die nicht Privatpersonen, sondern die Ausländerbehörde bzw. die Polizei zuständig sind, vgl. Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 13 Rdn. 13 m.w.Nachw..

Auch der Umstand, dass sich unweit der Bar des Angeklagten Räume befanden, in denen der Prostitution nachgegangen wurde, erweitert den Pflichtenkreis des Angeklagten nicht, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sich unter Prostituierten häufig Ausländerinnen ohne Aufenthaltsgenehmigung oder duldung befinden. Denn nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte nicht Mieter dieser Räume; dass er zu ihnen oder zu den dort ausgeübten Tätigkeiten sonst rechtlich oder tatsächlich in irgendeiner Beziehung stand, ist gleichfalls nicht festgestellt. Aus der im Urteil mitgeteilten Auffassung der Strafkammer, die Trennung zwischen der Bar und den Bordellräumen im Obergeschoss sei "nur formaler Natur" gewesen (UA S. 5, 2. Abs.), ergibt sich nichts anderes. Tatsachen, die es erlaubten, die von den Ausländerinnen ausgeübte Prostitutionstätigkeit dem Angeklagten zuzurechnen, sind ausweislich der Urteilsgründe nicht festgestellt worden.

Für die neue Hauptverhandlung wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Erfüllung des Tatbestands des § 92a Abs. 1 Nr. 1 AuslG nur in Betracht kommen dürfte, wenn ein hinreichend konkreter Vermögensvorteil des Angeklagten festgestellt wird.



Ende der Entscheidung

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