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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 7 W 122/06
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 122 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 355
ZPO §§ 373 ff.
ZPO § 379
ZPO § 402
ZPO §§ 485 ff.
ZPO § 492 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 572 Abs. 2 Satz 2
GKG § 67
Gegen die Anordnung einer Vorschusspflicht im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens ist ebenso wie im Hauptprozess keine Beschwerde gegeben.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

7 W 122/06

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 22.03.2007 beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19.10.2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 12.10.2006 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 350,00 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 23.02.2005 hat das Landgericht Stralsund im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu verschiedenen Mängeln angeordnet. Nach einer schriftlichen Ergänzung des Gutachtens auf Antrag beider Parteien hat die Antragsgegnerin Einwendungen gegen die sachverständigen Feststellungen geltend gemacht und eine weitere Ergänzung des Gutachtens beantragt. Mit Beschluss vom 12.10.2006 hat das Landgericht Stralsund beschlossen, dass der Sachverständige zu Einwendungen der Antragsgegnerin Stellung nehmen soll und der Antragsgegnerin die Zahlung eines Auslagenvorschusses i.H.v. 350,00 € aufgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Landgericht Stralsund nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

1. Eine Beschwerde nach § 67 GKG (vormals: § 6 GKG a.F.) ist nicht eröffnet, da die Anforderung eines Vorschusses für die Kosten einer Beweisaufnahme ihre Grundlage nicht im Gerichtskostengesetz findet, sondern in den §§ 492 Abs. 1, 402, 379 ZPO abschließend geregelt ist (vgl. u.a. OLG München, Beschluss v. 22.02.2005, 1 W 913/05, NJOZ 2005, 1305; OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.06.2004, 4 W 34/04, MDR 2004, 1255).

2. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht aus § 567 Abs. 1 ZPO.

a. Allerdings lässt sich dies nicht schon aus § 355 ZPO herleiten. Diese Vorschrift, nach der eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet ist, nicht zulässig ist, findet im selbständigen Beweisverfahren keine Anwendung. § 492 Abs. 1 ZPO nimmt nur auf die besonderen für die Aufnahme der einzelnen Beweismittel geltenden Vorschriften Bezug, nicht auf die allgemeinen Vorschriften über die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme in einem Rechtsstreit (vgl. u.a. OLG Stuttgart, Beschluss v. 25.03.2002, 1 W 12/02, OLGR 2002, 418 f.).

b. Nach der gesetzlichen Systematik soll eine sofortige Beschwerde außer in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nur zulässig sein gegen eine Entscheidung, die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückweist, wenn die Entscheidung grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Zwar kann man die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Stralsund als die teilweise Ablehnung eines Gesuchs - die Anordnung einer Ergänzung des Sachverständigengutachtens ohne Vorschusszahlung - qualifizieren. Jedoch sind nach allgemeiner Ansicht die Voraussetzungen des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht erfüllt bzgl. solcher Anordnungen eines Gerichts, die von Amts wegen ergehen und einen Antrag nicht erfordern. Hat die Entscheidung von Amts wegen zu ergehen, ohne dass das Gesetz die Beschwerde ausdrücklich für statthaft erklärt, so liegen die Voraussetzungen von § 567 Abs. 1 Nr. 2 nicht vor und können auch nicht dadurch geschaffen werden, dass ein Beteiligter zuvor ein Gesuch gestellt hat (vgl. u.a. Stein/Jonas/Grunski, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rdn. 16; MünchKommZPO/Braun, 2. Aufl., § 567 Rdn. 7 m.w.N. zur Rspr.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist seit langem anerkannt, dass gegen die Anordnung einer Vorschusspflicht gem. § 379 ZPO, über die das Gericht von Amts wegen unter Abwägung des fiskalischen Interesses und des allgemeinen und gleichgewichtigen Beschleunigungsinteresse zu befinden hat, keine Beschwerde eröffnet ist. Gleiches muss gem. §§ 492 Abs. 1, 402, 379 ZPO für die Anordnung einer Vorschusspflicht im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens gelten (so im Ergebnis ausdrücklich OLG München a.a.O; OLG Frankfurt a.a.O.). Die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren sollen nicht weiter gehen als im Hauptprozess (vgl. u.a. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.01.2007, 5 W 71/07 m.w.N. zur Rspr.). Dieser Gleichklang muss auch für die Beschwerdemöglichkeiten gelten.

3. Der Senat vermag sich aus den dargelegten Gründen der von der Antragsgegnerin ins Feld geführten Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss v. 17.04.2003, 3 W 249/03, NJOZ 2003, 3009) nicht anzuschließen. Auch die Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens geben keinen Anlass, den Beschwerdeweg zu eröffnen.

a. Das OLG Koblenz begründet seine Ansicht zur Statthaftigkeit einer Beschwerde zum Einen damit, dass eine Beschwerde nicht ausnahmslos für unstatthaft erachtet werde. Werde in einem Klageverfahren einer Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt worden sei oder die nach § 122 Abs. 2 ZPO von der Vorschusspflicht befreit sei, eine Vorschusspflicht auferlegt, sei seit jeher die Anfechtbarkeit dieser Entscheidung anerkannt. Denn eine solche Entscheidung bedeute eine teilweise Entziehung der Rechte aus der Prozesskostenhilfe, wogegen grundsätzlich das Rechtsmittel des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Verfügung stehe.

Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht. Ordnet das Gericht eine Vorschusspflicht für die Partei an, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ergibt sich zwar die Statthaftigkeit der Beschwerde gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 ZPO unmittelbar aus aus dem Gesetz. Entsprechendes gilt, wenn dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und dem Beklagten ein Vorschuss abverlangt wird. Denn § 122 Abs. 2 ZPO soll verhindern, dass der Beklagte von ihm verauslagte Gerichtskosten dem Kläger abverlangen kann, wenn die Klage abgewiesen worden ist und dem Kläger die Gerichtskosten auferlegt worden sind (vgl. hierzu u.a. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 122 Rz. 21 m.w.N.).

Dass diese gesetzliche Regelung jedoch auf den vorliegenden Fall mittels einer Analogie übertragbar wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch vom OLG Koblenz nicht dargelegt. Vor allem steht einer Analogie entgegen, dass die vorgenannte Beschwerdemöglichkeit ihre Rechtfertigung in den Besonderheiten des Prozesskostenhilfeverfahrens findet.

b. Ebensowenig lässt sich aus den Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens die Statthaftigkeit der Beschwerde herleiten.

Das OLG Koblenz hat seine gegenteilige Ansicht damit begründet, eine Überprüfung der Anordnung eines Auslagenvorschusses durch ein Rechtsmittelverfahren finde im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nicht statt. Auch in einem sich dem selbständigen Beweisverfahren anschließenden Klageverfahren spiele die Anordnung keine Rolle mehr. Ob das Unterlassen einer Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren auf einem Verfahrensfehler beruhe, werde im anschließenden Klageverfahren nicht mehr geprüft. Zwar werde im Rahmen einer dort eingeleiteten Beweisaufnahme erneut über die Frage zu entscheiden sein, welche Partei vorschusspflichtig sei. Habe sich in diesem Stadium jedoch die Gefahr eines Verlustes des Beweismittels oder der Erschwerung seiner Benutzung verwirklicht, so sei die im selbständigen Beweisverfahren erfolgte Rechtsverweigerung endgültig.

Der Senat teilt diese Argumentation nicht. Zwar kommt grundsätzlich eine Wiederholung oder Fortsetzung der Beweiserhebung durch das Prozessgericht in einem späteren Klageverfahren nur ausnahmsweise in Betracht. Anders ist es aber, wenn die selbständige Beweiserhebung fehlerhaft erfolgt ist. Insbesondere sind auf Beweiseinrede einer Partei Verfahrensfehler hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Beweiserhebung i.S.d. §§ 492 Abs. 1, 402, 373 ff. ZPO zu beachten. In diesem Falle ist die Beweisaufnahme fortzusetzen bzw. zu wiederholen (vgl. hierzu allg. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 493 Rz. 2 f. m.w.N.). Ein solcher Verfahrensfehler ist u.a. dann anzunehmen, wenn es dem Antragsgegner zu Unrecht verwehrt worden ist, ergänzende Fragen durch den Sachverständigen klären zu lassen. Der denkbare Sonderfall, dass eine Fortsetzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme in einem nachfolgenden Klageverfahren aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, kann es nicht rechtfertigen, den dargestellten Grundsatz der Unanfechtbarkeit allgemein aufzugeben.

4. Gegen die Anordnung eines Vorschusses ist damit allein die Anhörungsrüge (§ 321 a ZPO) bzw. eine Gegenvorstellung eröffnet (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.06.2004, 4 W 34/04 a.a.O.; OLG München a.a.O.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 379 Rdn. 6). Über die Anhörungsrüge bzw. Gegenvorstellung ist nicht in dieser Instanz, sondern durch das Landgericht Stralsund zu entscheiden. Dies ist bereits in dem Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 11.12.2006 geschehen. Gegen diesen Beschluss ist nichts zu erinnern.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert beläuft sich auf 350,00 €

6. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind gem. § 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO gegeben, weil die vorstehend aufgezeigte Streitfrage grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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