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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 01.02.2000
Aktenzeichen: 1 W 53/99
Rechtsgebiete: InsO, GVG
Vorschriften:
InsO § 7 I | |
InsO § 304 I | |
InsO § 312 II | |
GVG § 17 a II. |
2. Ob die Voraussetzung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wegen der Ausübung einer nur geringfügigen selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinn von § 304 Abs. 1 InsO vorliegt, hängt von dem Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages ab und nicht vom Zeitpunkt des Insolvenzeintritts.
1 W 53/99 51 IN 15/99 AG Pinneberg 4 T 342/99 LG Itzehoe
Beschluss
In dem Verfahren
auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen
des,
Schuldner,
-Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht am 1. Februar 2000 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners vom 17. November 1999 wird zugelassen.
Auf die Beschwerde werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 1. November 1999 und der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Pinneberg vom 5. Oktober 1999 geändert. Der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist bezogen auf seine Person zulässig. Die Prüfung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen bleibt dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - vorbehalten.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.
Gründe:
I.
Der Schuldner hat unter dem 1. Januar 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Das Amtsgericht hat die gewählte Verfahrensart durch Beschluss vom 5. Oktober 1999 mit der Begründung für unstatthaft erklärt, dass das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht für Fälle gelte, in denen es der Sache nach um die Abwicklung eines "toten" Unternehmens gehe und in denen die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar seien. In diesen Fällen sei ein Regelinsolvenzverfahren durchzuführen. Die Schulden des Schuldners resultierten mit einer Ausnahme aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1995, in der der Schuldner noch Gesellschafter einer OHG gewesen sei. Die Schulden beliefen sich auf insgesamt 9 Mio. DM. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 1. November 1999 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Antrag des Schuldners auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde und für den Fall der Zulassung seine sofortige weitere Beschwerde.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.
Der Zulassungsantrag ist form- und fristgerecht getellt. Ihm ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO zu entsprechen, wenn die weitere Beschwerde darauf gestützt wird, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, und wenn die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
Unabhängig von den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 InsO würde vorliegend die sofortige weitere Beschwerde allerdings schon dann nicht statthaft sein, wenn gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - an sich kein Rechtsmittel gegeben gewesen wäre, das Landgericht also fälschlich angenommen hätte, dass gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Oktober 1999 die sofortige Beschwerde gegeben ist. Die InsO regelt nicht ausdrücklich, wie zu verfahren ist, wenn ein Schuldner ausdrücklich einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellt, der nach Auffassung des Insolvenzgerichts dem Anwendungsbereich des Regelinsolvenzverfahrens zuzuordnen ist, oder umgekehrt. Während nach einer Auffassung entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG von Amts wegen die Abgabe in die jeweils nach Ansicht des Gerichts gegebene Verfahrensart zu erfolgen hat (Bork ZIP 99, 301, 303), hat nach anderer Meinung ebenfalls eine Abgabe entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG zu erfolgen, allerdings nur auf Antrag hin (Kothe in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 304 Rdn. 29). Nach dritter Ansicht ist der Antrag nach Anhörung des Schuldners als unzulässig zurückzuweisen; der Schuldner hat allerdings die Möglichkeit, die Zurückweisung durch Antragsumstellung zu verhindern (AG Köln NZI 99, 241, 242; Vallender/Fuchs/Rey NZI 99, 218, 219). Ob die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Einstufung des Verfahrens als Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren angreifbar ist, ist ebenfalls umstritten. Während nach einer Auffassung, die sich auf § 6 Abs. 1 InsO stützt, die Entscheidung unanfechtbar ist (Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, 5. Ergänzungslieferung, § 304 Rdn. 2 a; Kögel DZWiR 99, 235, 240), ergibt sich nach anderer Meinung die Angreifbarkeit mit der sofortigen Beschwerde entweder aus § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG analog oder aus § 34 InsO analog (Bork ZIP 99, 301, 303) oder aber aus "allgemeinen Grundsätzen" (Vallender/Fuchs/Rey NZI 99, 218, 219). Der Senat schließt sich im Hinblick darauf, dass das Insolvenzeröffnungsverfahren vom Antragsgrundsatz beherrscht wird, der Auffassung an, die eine Zurückweisung als unzulässig befürwortet, falls der angehörte Schuldner seinen ursprünglichen Antrag aufrechterhält, ihn also nicht auf Hinweis hin ändert. Der Zurückweisungsbeschluss unterliegt nach Ansicht des Senats der sofortigen Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 InsO analog. Damit hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Beschluss des Amtsgerichts mit der sofortigen Beschwerde angreifbar war. Deshalb kommt die Zulassungg der weiteren sofortigen Beschwerde in Betracht.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde sind gegeben. Der Schuldner macht geltend, dass das Landgericht die Voraussetzungen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren verkannt habe, dass also die Entscheidung auf einer Verletzung des § 304 Abs. 1 InsO beruhe. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucherinsolvenzverfahren stattfindet, ist die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung geboten.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und des Landgerichts kommt für den Schuldner das Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht. Seine persönlichen Verhältnisse führen nicht zur Unzulässigkeit dieses Verfahrens.
Nach § 304 Abs. 1 InsO ist das Verbraucherinsolvenzverfahren auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die keine oder nur eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Ob die Vermögensverhältnisse der Person überschaubar sind und ob die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist, spielt keine Rolle. Dass es auf diese Umstände für die Frage, ob ein Verbraucher- oder ein Regelinsolvenzverfahren durchzuführen ist, nicht ankommt, zeigt abgesehen vom Wortlaut des § 304 Abs. 1 InsO die Bestimmung § 312 Abs. 2 InsO. Nach ihr kommen bei Vorliegen der aufgezeigten Umstände, also bei überschaubaren Vermögensverhältnissen des Schuldners und geringer Zahl der Gläubiger oder geringer Höhe der Verbindlichkeiten, weitere Verfahrensvereinfachungen im Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht (so auch Krug/Haarmeyer in Smid, InsO, § 304 Rdn. 9; a.A. Schmidt-Räntsch, InsO mit Einführungsgesetz, Einführung Rdn. 146).
Der Schuldner ist eine natürliche Person. Er übt keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit aus. Auf die Höhe seiner Schulden und die Zahl seiner Gläubiger kommt es, wie ausgeführt, für die Verfahrenszuordnung nicht an.
Unterstellt man, dass der Schuldner zu der Zeit, in der seine Schulden mit einer Ausnahme entstanden sind, nämlich vor dem 31. Dezember 1995, nicht nur in geringfügigem Umfang selbstständig wirtschaftlich tätig war, so führt dies gleichwohl nicht zu einer Unzulässigkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 304 Abs. 1 InsO gegeben sind, ist frühestens der Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages. Bei Antragstellung am 1. Januar 1998 war der Schuldner jedenfalls nicht mehr selbstständig wirtschaftlich tätig, in welchem Umfang auch immer.
Welcher Zeitpunkt für die Feststellung der nicht nur geringfügigen selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit maßgeblich ist, ist umstritten. Nach einer Meinung ist der Zeitpunkt vor Eintritt der Insolvenz entscheidend (Landfermann in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 304 Rdn. 4). Nach anderer Auffassung kommt es auf den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages an (AG Köln NZI 99, 241; AG Frankfurt InVO 99, 313; Hess, InsO, § 304 Rdn. 12; Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, 5. Ergänzungslieferung, § 304 Rdn. 4; Vallender ZIP 99, 125, 129; Kögel DZWiR 99, 235, 240). Eine dritte Ansicht hält den Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Eröffnungsantrag für maßgeblich (Kothe in Frankfurter Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 304 Rdn. 17; Bork ZIP 99, 301, 304; Fuchs ZInsO 99, 185, 188). Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag abzustellen sei, dass aber einem Ex-Unternehmer auf seinen Wunsch hin die Möglichkeit zu eröffnen sei, das Regelinsolvenzverfahren durchzuführen (Klaas ZInsO 99, 545, 546).
Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen: Vorliegend beantragt der Schuldner ja gerade die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und nicht die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens. Es kann auch offen bleiben, ob der zweiten oder dritten genannten Ansicht der Vorzug zu geben ist. Beide Auffassungen führen vorliegend zu demselben Ergebnis, da der Schuldner sowohl bei Antragstellung als auch bei der erst- und zweitinstanzlichen Entscheidung über seinen Antrag keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat und auch zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung keine solche Tätigkeit ausübt.
Der zuerst genannten Ansicht, nach der auf den Zeitpunkt des Insolvenzeintritts abzustellen ist, ist nicht zu folgen. Für diese Meinung wird allein ins Feld geführt, dass es sachgerecht erscheine, die Vorschriften über die Regelinsolvenz anzuwenden, wenn es um die Liquidierung eines, wenn auch nicht mehr tätigen, Unternehmens gehe. Dieses Argument vermag indes nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber knüpft in § 304 InsO nur an die Person des Schuldners und nicht daran an, ob ein Unternehmen abzuwickeln ist oder nicht. Dass es frühestens auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommen soll, belegt auch der Umstand, dass in § 304 Abs. 1 InsO die Gegenwartsform gewählt ist ("ausübt"). Weiter wird mit Recht darauf hingewiesen, dass, sofern man nicht die Antragstellung als frühesten maßgeblichen Zeitpunkt ansieht, sondern z.B. den Insolvenzeintritt, sich für einen Schuldner- und einen Gläubigerantrag wegen deren unterschiedlicher Voraussetzungen (§§ 17, 18 InsO) verschiedene maßgebliche Zeitpunkte ergeben könnten mit der Folge, dass sich durch eine Antragsrücknahme die Verfahrensart ändern könnte (Fuchs ZInsO 99, 185, 187). Schließlich spricht für die Antragstellung als frühestes maßgebliches Datum die Praktikabilität. Käme es auf die Verhältnisse vor Eintritt der Insolvenz an, müsste das Insolvenzgericht schon für die Frage nach der richtigen Verfahrensart erhebliche Ermittlungen anstellen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 8 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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