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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 13 UF 188/99
Rechtsgebiete: EGBG
Vorschriften:
EGBG Art. 14 I Nr. 1 | |
EGBG Art. 17 I | |
EGBG Art. 17 II |
SchlHOLG, 4. FamS, Urteil vom 21. Dezember 2000, - 13 UF 188/99 -
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
13 UF 188/99 48 F 9/99 AG Pinneberg
Verkündet am: 21. Dezember 2000
Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache
der Frau
Antragstellerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig -
gegen
Herrn
Antragsgegner und Berufungsbeklagten,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig -
hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 07. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Friedrichsen, den Richter am Oberlandesgericht Hansen und die Richterin am Oberlandesgericht Jantzen für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg vom 25. Juni 1999 geändert.
Die am 25. August 1997 vor dem Heiratsnotar in Teheran (Heiratsnotariat-Nr. ) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand:
Die am 1950 geborene Antragstellerin und der am 1943 geborene Antragsgegner schlossen am 25.08.1997 die Ehe vor dem Heiratsnotar in Teheran. Beide Parteien sind iranische Staatsbürger. In der Heiratsurkunde (Ref. , Heiratsnotariat-Nr. Teheran) trafen die Parteien Vereinbarungen, u. a. über die Fälle, in denen die Ehefrau die Scheidung beim Gericht einreichen kann. Wegen des Inhalts im einzelnen wird auf die Heiratsurkunde (GA Bl. 6) verwiesen.
Die Antragstellerin lebt seit 1969 in Deutschland. Sie ist als Architektin beschäftigt.
Der Antragsgegner ist gelernter Buchhalter und war im Iran erwerbstätig. Im Januar oder Februar 1998 folgte er der Antragstellerin nach Deutschland. Seitdem ist er nicht berufstätig. Die Parteien trennten sich im März 1998, im Februar 1999 ist der Antragsgegner aus dem Hause der Antragstellerin ausgezogen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die am 1997 vor dem Heiratsnotar in Teheran zur Urkunden-Nr. geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.
Der Antragsgegner hat dem Scheidungsantrag widersprochen.
Das Familiengericht hat unter Beiziehung der Dolmetscherin Frau die Parteien persönlich gem. § 613 ZPO angehört.
Sodann hat es den Scheidungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen der Ehescheidung auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffern 1. und 2. der Heiratsurkunde seien nicht gegeben. Die Antragstellerin habe von dem Antragsgegner bisher keine Unterhaltszahlungen verlangt und eine zwangsweise Durchsetzung nicht versucht. Die Antragstellerin habe nicht dargetan, dass dem Antragsgegner die Schuld für das Auseinanderleben der Parteien zuzuweisen sei. Die von der Antragstellerin behauptete einmalige Handgreiflichkeit seitens des Antragsgegners sei nicht so schwerwiegend, dass die Fortsetzung der Ehe für die Antragstellerin unzumutbar sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung.
Sie trägt vor, sie stütze den Scheidungsantrag auf die Gründe der Heiratsurkunde, die gegenüber den Scheidungsgesetzen vorrangig sei. Die Voraussetzungen für eine Scheidung nach Ziffer 1. seien erfüllt. Der Antragsgegner zahle keinen Unterhaltsbeitrag und bemühe sich nicht um eine finanziell selbständige Lebensstellung. Die Fortsetzung der Ehe sei für sie aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners unerträglich.
Die Antragstellerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Scheidung der Ehe der Parteien auszusprechen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Antragstellerin habe bei der Heirat übersehen können, was ihn in Deutschland erwarte. Sie habe ihm gesagt, sie verfüge über genug Geld und ein Haus, und habe ihm versprochen, ihn finanziell zu unterstützen, damit er sich z. B. mit einem Kiosk selbständig machen könne. Den Deutschkurs habe er nur deswegen abgebrochen, weil er dort nichts verstanden habe. Er habe sich auch bemüht, den Haushalt zu versehen, jedoch habe er der Antragstellerin nichts recht machen können. Anlässlich der Auseinandersetzung in der Nacht zum 10.02.1999 habe er die Antragstellerin lediglich zur Rede gestellt, handgreiflich sei er nicht geworden.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat unter Beiziehung der Dolmetscherin Frau beide Parteien persönlich angehört.
Er hat Beweis erhoben gemäß Senatsbeschluss vom 06.04.2000 (GA Bl. 116), auf den verwiesen wird, durch Einholung der Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 20.09.2000 (GA Bl. 129 f.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist begründet.
Gem. § 606 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO sind die deutschen Gerichte international zuständig, weil beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
Nach Artikel 17 Abs. 1 und 2 EGBGB i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ist für die Scheidung das iranische Recht anwendbar. Die Scheidung unterliegt dem Recht, dass im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören. Beide Parteien sind iranische Staatsangehörige, so dass das iranische Recht zur Anwendung kommt.
Der Senat stützt den Scheidungsausspruch auf Ziffer 1. der Voraussetzungen, unter denen die Ehefrau nach den Vereinbarungen in der Heiratsurkunde vom 25.08.1997 die Scheidung bei Gericht einreichen kann. Die Vereinbarung lautet insoweit:
"Die Fälle, in denen die Ehefrau die Scheidung beim Gericht einreichen kann, sind wie folgt:
1. Wenn der Ehemann sich weigert, die Unterhaltskosten der Ehefrau für 6 Monate, aus welchen Gründen es auch sein mag, zu bezahlen und keine Möglichkeit besteht, ihn hierzu zu zwingen, und auch wenn der Ehemann die sonstigen Rechte der Ehefrau auf 6 Monate nicht beachtet und auch hierzu nicht gezwungen werden kann.
Unterschrift der Eheleute"
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil der Antragsgegner der Antragstellerin entgegen den Vereinbarungen in der Heiratsurkunde keinen Unterhalt leistet. Dies folgt aus der Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht vom 20.09.2000, dem der Senat folgt. Danach ist nach iranischem Recht die Eheschließung ein zweiseitiger verbindlicher zivilrechtlicher Vertrag, der weitgehend dem Prinzip der Vertragsfreiheit unterliegt. Die Vertragsfreiheit ermöglicht es, im Vertrag Umstände zu definieren, bei deren Verwirklichung der Frau ein Scheidungsrecht zusteht. Um dieses Recht geltend machen zu können, erteilt der Ehemann seiner Frau vertraglich eine Vollmacht zur Scheidung. In dem Sachverständigengutachten wird weiter ausgeführt, nach der Klausel zu Ziffer 1. der Vereinbarungen der Parteien in der Heiratsurkunde vom 25.08.1997 sei die erste Voraussetzung für die Geltendmachung des Scheidungsrechts die Weigerung des Mannes, den Unterhalt zu zahlen. Das iranische Eherecht beruhe auf einem System wechselseitiger Rechte und Pflichten. Während der Ehemann das Oberhaupt der Familie sei und die Ehefrau dem Mann Gehorsam schulde, obliege dem Ehemann die Pflicht zur Leistung des täglichen Unterhalts. Wenn der Ehemann den Unterhalt nicht leiste, könne die Ehefrau ihm den Gehorsam verweigern, ohne ihre eigenen Rechte zu verwirken. Der Mann sei der Versorger der Familie, eine wechselseitige Unterhaltspflicht bestehe nach iranischem Recht nicht. Die Unterhaltsbedürftigkeit der Ehefrau spiele dabei keine Rolle. Der Ehemann könne sich von seiner Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts nicht dadurch befreien, dass er die wirtschaftliche Selbständigkeit seiner Frau geltend mache. Eine Klausel im Eheschließungsvertrag, wonach der Frau im Fall der Weigerung der Leistungserbringung ein Scheidungsrecht zur Verfügung stehe, widerspreche nicht dem Wesen der Ehe im Sinne des Artikel 1119 iZGB.
Die zweite Voraussetzung für die Geltendmachung der Scheidung durch die Frau nach Ziffer 1. der Eheschließungsvereinbarung sei die Unmöglichkeit, den Ehemann zur Zahlung zu zwingen. Diese Klausel sei Artikel 8 FSG nachgebildet, so dass dessen Interpretation für die Auslegung des Wortlautes der Eheschließungsvereinbarung herangezogen werden könne. Der Tatbestand des Artikel 8 Ziffer 2 FSG sei erfüllt gewesen, wenn der Mann vor der Eheschließung zur Leistung des Unterhalts nicht im Stande gewesen sei, dennoch geheiratet habe und auch nach der Eheschließung innerhalb einer angemessenen Zeit keiner Beschäftigung nachgehe oder sich um seine berufliche Fortbildung kümmere, sich herumtreibe und sich weigere, eine Stellung zu suchen. In diesen Fällen könne die Ehefrau unabhängig davon, ob sie bei Eheschließung vom Vermögensstand ihres Mannes Kenntnis gehabt habe oder nicht, den Antrag auf Erteilung der Bescheinigung über die Unmöglichkeit des Zusammenlebens stellen, um auf deren Grundlage die Scheidung zu registrieren. Sie habe nicht vorher ein Urteil über die Leistungsunfähigkeit des Mannes durch gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsrechts erwirken müssen. Es habe genügt, wenn der Ehemann in der Verhandlung erklärt habe, dass er keinen Unterhalt zahlen werde. Daraus folge für den Fall der Geltendmachung des vertraglichen Scheidungsrechts wegen Unterhaltsverweigerung, dass im Gegensatz zur Geltendmachung des gesetzlichen Scheidungsrechts wegen Unterhaltsverweigerung eine gesonderte vorangehende Klage auf Unterhaltsleistung dann nicht erforderlich sei, wenn der Ehemann keiner Beschäftigung nachgehe, sich nicht um eine Existenz bemühe und in der Verhandlung erkläre, er werde den Unterhalt nicht zahlen. Auf weitere Gründe für die Nichtzahlung komme es dabei nicht an.
Danach sind in dem vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Durchsetzung des vertraglichen Scheidungsrechts gemäß Ziffer 1. der Vereinbarungen in der Heiratsurkunde gegeben. Die erste Voraussetzung - Weigerung des Antragsgegners, den Unterhalt zu zahlen - ist erfüllt. Der Antragsgegner zahlt seit der Eheschließung keinen Unterhalt an die Antragstellerin, woraus sich die nachhaltige Weigerung ergibt. Auch die zweite Voraussetzung - Unmöglichkeit, den Ehemann zur Zahlung zu zwingen - liegt vor. Obwohl der Antragsgegner seit Anfang des Jahres 1998 in Deutschland lebt, geht er bisher keiner Beschäftigung nach und bemüht sich auch nicht um eine berufliche Fortbildung. Den Sprachkurs, in dem er Deutschkenntnisse hätte erwerben können, hat er mit der Begründung abgebrochen, er habe dort nichts verstanden. Der Antragsgegner, der im Iran als Buchhalter und Kaufmann tätig war, hätte wie jeder andere Ausländer im Laufe des Kurses zunehmend Deutschkenntnisse erworben, die seine Chancen erhöht hätten, Arbeit in Deutschland zu finden. Da somit der Antragsgegner es nachhaltig ablehnt, sich um eine Existenz zu bemühen, ist es auf der Grundlage des vertraglichen Scheidungsrechtes der Antragstellerin ausreichend, dass sich der Antragsgegner weigert, den Unterhalt für die Antragstellerin aufzubringen. Eine gesonderte vorangehende Klage auf Unterhaltsleistung ist bei Geltendmachung des vertraglichen Scheidungsrechtes nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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