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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.08.2008
Aktenzeichen: 14 W 54/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 253 Abs. 2 | |
ZPO § 114 |
2. Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beim Landgericht ist insgesamt zu versagen, wenn Erfolgsaussicht nur für einen Teil bejaht wird, der unterhalb des Zuständigkeitsstreitwerts des Landgerichts liegt.
14 W 54/08
Beschluss
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 18. August 2008 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28. Juli 2008 durch den Einzelrichter am 09. September 2008 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte u.a. auf Schmerzensgeld gerichtete Klage gegen den Antragsgegner wegen einer Körperverletzung.
Am Samstag, den 03. Juni 2007 hielt sich der Antragsteller in der Diskothek "A" in Rf zusammen mit dem Zeugen S, mit dem er den Abend verbrachte, auf. Gegen 3:35 Uhr kam es zwischen dem Antragsgegner und dem Zeugen S auf der Tanzfläche zu einer Streiterei. Als der Antragsteller versuchte, schlichtend auf den Antragsgegner einzuwirken, schlug dieser dem Antragsteller mit einem geraden Faustschlag ins Gesicht. Durch den Schlag erlitt der Antragsteller eine Nasengerüst- und Septumfraktur. Bis zur operativen Wiederherstellung war eine Nasenatmung nicht möglich. Der Antragsteller musste sich zwei Nasenoperationen unterziehen. Er litt mehrere Wochen lang unter Schmerzen der Nase.
Mit Strafbefehl vom 24. Januar 2008 wurde der Antragsgegner in dieser Angelegenheit rechtkräftig wegen Körperverletzung gem. §§ 223, 230 StGB verurteilt.
Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage mit folgenden Anträgen begehrt:
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 25,-- € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch eine Summe von 5.000,-- € nicht unterschreiten sollte;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 546,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2008 zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den - materiellen und immateriellen - Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die Straftat vom 01. Juli 2007 in der Diskothek "A" in R entstanden ist und noch entstehen wird.
Das Landgericht Kiel hat die beantragte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28.Juli 2008 versagt, weil ein Schmerzensgeld in Höhe von allenfalls 2.000,-- € ausreichend und angemessen erscheine. Für diesen Streitwert wäre aber das Landgericht unzuständig, mit der Folge, dass Prozesskostenhilfe insgesamt nicht bewilligt werden könne.
Hiergegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, der geltend gemachte Anspruch sei in der beantragten Höhe sachgerecht und angemessen. Seine Nase werde dauerhaft schief und nach rechts geneigt bleiben und ein Höcker auf der Nase zu sehen sein. Die Nasenatmung auf dem rechten Nasenloch werde auch in Zukunft eingeschränkt sein und die Nase stark schmerzempfindlich bleiben. Beruflich sei er in der Zeit vom 03. bis zum 24. Juli 2007 als arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Danach sei es ihm über zwei Monate nicht möglich gewesen, die Arbeit wieder voll und so wie vor der Verletzung auszuüben, vielmehr habe ihm der Vorarbeiter andere Aufgaben zugeteilt, da der Antragsteller die Schutzbrille nicht habe tragen können. Er leide an Schlafstörungen und unter Alpträumen. Aufgrund der erlittenen Schmerzen sei er auch in seinem Privatleben eingeschränkt: es sei ihm noch zwei Monate nach der Arbeitsaufnahme - also ca. 3 Monate nach der Verletzung - nicht möglich gewesen, etwas mit Freunden zu unternehmen oder auszugehen. Zudem habe er vor dem Vorfall als Stammspieler bei seinem Fußballverein gespielt, er habe mehrmals pro Woche trainiert. Durch die Verletzungen habe er drei Monate lang nicht am Training teilnehmen können, deshalb sei er aus der Stammmannschaft herausgenommen worden. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sei auch zu berücksichtigen, dass er erst 20 Jahre alt sei und damit noch am Anfang seines Lebens stehe. Er habe nur einen Streit zwischen anderen schlichten wollen und so Zivilcourage bewiesen. Der Antragsgegner hingegen sei bereits wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. In vergleichbaren Fällen habe die Rechtsprechung ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- € zugesprochen. Er meint, das Landgericht wäre zumindest verpflichtet gewesen, Prozesskostenhilfe für den Teil der Klage, für den es eine Erfolgsaussicht angenommen hat, zu bewilligen.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage versagt, weil hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO) nur hinsichtlich eines Teils besteht, der unterhalb des Zuständigkeitsstreitwerts des Landgerichts liegt. 1. Dem Antragsteller steht ein Schmerzensgeld gem. §§ 823, 253 Abs. 2; §§ 823 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB nicht in der von ihm angenommenen Größenordnung zu. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von ca. 2.000,-- € bis allenfalls 2.500,-- € angemessen, wobei über die genaue Höhe hier nicht entschieden zu werden braucht, da die Höhe in jedem Fall unterhalb des Zuständigkeitsstreitwerts des Landgerichts bleibt. Das Schmerzensgeld hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine doppelte Funktion, nämlich eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion. Die Schmerzensgeldhöhe muss unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bewertung maßgebender Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen. Dabei kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu; Schmerzensgeldtabellen sind daher für die Bemessung ein wichtiges und unverzichtbares Hilfsmittel (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 253 Rn. 11 und 16) . Als Bewertungsfaktoren sind auf der Seite des Verletzten u.a. Ausmaß und Schwere der Verletzung und der Schmerzen, Alter, persönliche Verhältnisse, Maß der Lebensbeeinträchtigung sowie Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes zu berücksichtigen, ebenso eine Unsicherheit des weiteren Krankheitsverlaufs oder eine Fraglichkeit der endgültigen Heilung (vgl. ders. a.a.O. Rn. 17). Auf Seiten des Schädigers sind insbesondere der Grad des Verschuldens und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (ders. a.a.O. Rn. 18).
Danach war vorliegend als erhöhender Faktor zu berücksichtigen, dass der Antragsteller durch die Verletzung unter erheblichen Schmerzen litt und dass zwei Operationen durchgeführt werden mussten. Als dauerhafte Folge wird durch eine Schiefstellung der Nase nach rechts und durch einen Höcker das äußere Erscheinungsbild des noch jungen Mannes beeinträchtigt sein; außerdem wird die Nasenatmung auf dem rechten Nasenloch auch in Zukunft eingeschränkt sein. Der Antragsteller war ca. 3 Wochen lang arbeitsunfähig. Auch die berufliche Folge der Zuteilung anderer Aufgaben, die jedoch mangels dauerhafter Auswirkungen nur als gering angesehen wird, sowie die privaten Folgen, wie z.B. der Verlust der Stammspielereigenschaft im Fußballverein, die Veränderung des Spielverhaltens beim Fußball, das Leiden unter Alpträumen und Schlafstörungen sowie eine starke Schmerzempfindlichkeit der Nase sind in angemessener Weise zu berücksichtigen. Insbesondere ist - wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt -die Tatsache, dass es sich um eine Vorsatztat handelte, als ein das Schmerzensgeld erhöhender Faktor anzusehen. Dennoch erscheint ein Schmerzensgeld von ca. 2.000,-- € angemessen und ausreichend, um der Ausgleichs- und der Genugtuungsfunktion gerecht zu werden. Dies entspricht der zuerkannten Höhe an Schmerzensgeld in anderen vergleichbaren Fällen (z.B. LG Osnabrück, 12 S 693/99 in Hacks/Ring/Böhm, 26. Auflage, lfd. Nr. 26.606; ArbG Frankfurt/M., 16 Ca 2295/96 in Hacks/Ring/Böhm, 26. Auflage, lfd. Nr.26.457; AG Coesfeld, 4 C 720/94 in Hacks/Ring/Böhm 26. Auflage, lfd. Nr. 26.376; OLG Celle, 5 U 166/96 in Jaeger/Luckey, 3. Auflage, E 567). In weiteren Entscheidungen wurde auch in Fällen mit gravierenderen Verletzungen ein Schmerzensgeld von unter 2.000,-- € zugesprochen (z.B. AG Aachen, 10 C 320/03 in Hacks/Ring/Böhm, 26. Auflage, lfd.Nr. 26.463). Bei dem vom Antragsteller u.a. angeführten Fall, der vom Oberlandesgericht Nürnberg entschieden wurde (ZfSch, 1997, 127), handelte es sich bei der Verletzung um einen Nasentrümmerbruch, der nicht ohne weiteres mit einer Nasen- und Septumfraktur vergleichbar ist.
2. Das Landgericht geht auch zutreffend davon aus, dass im Prozesskostenhilfeverfahren für den Fall der bloß beabsichtigten und noch nicht erhobenen Klage die beantragte Prozesskostenhilfe insgesamt zu versagen ist, wenn Erfolgsaussicht nur für einen Teil bejaht wird, der unterhalb des Zuständigkeitsstreitwerts des Landgerichts liegt, da das Landgericht dann gem. §§ 23, 71 GVG sachlich unzuständig ist (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1437 m.w.N.; Zöller-Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 114 Rn. 23 m.w.N.). Denn zur Prüfung der Erfolgsaussicht gehört auch die Prüfung, ob das angerufene Gericht zuständig, die Klage also zulässig ist; ist dies nicht der Fall, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insgesamt zu verweigern, denn eine unzulässige Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BGH a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Der Streitwert des Antrags zu 1) beträgt ca. 2.000,-- €, allenfalls bei großzügiger Schätzung 2.500,-- €. Durch eine Addition des Antrags zu 1) und des Feststellungsantrags zu 3) gem. § 5 ZPO wird ein Streitwert von über 5.000,-- € nicht erreicht; der Antrag zu 2) erhöht als Nebenforderung den Streitwert nicht.
Die Gegenansicht (OLG Dresden NJW-RR 1995, 382) überzeugt nicht. Insbesondere führt die dort vertretende Ansicht nicht zu einer verfahrensverzögernden Zuständigkeitsspaltung. Gelangt das Landgericht - wie hier - zu dem Ergebnis, dass eine seine Zuständigkeit begründende Klageforderung nicht besteht, so verbleibt dem Antragsteller die Möglichkeit, gleichwohl in der vorgestellten Höhe (zum Teil auf eigene Kosten) Klage zu erheben oder beim Amtsgericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine reduzierte Klageforderung zu stellen (vgl. BGH a.a.O.). Für dieses Ergebnis spricht auch, dass andernfalls das Landgericht, wenn es nur wegen des in der Sache aussichtsreichen Teils Prozesskostenhilfe bewilligen würde, die anschließend in entsprechender Höhe erhobene Klage bei einer Zuständigkeitsrüge des Gegners mangels Zuständigkeit abweisen (vgl. OLG Hamm, VersR 1996, 774) oder auf Antrag des Klägers an das zuständige Amtsgericht verweisen müsste; im zweiten Fall wäre dann aber - entgegen dem Leitbild von § 127 Abs. 1 S. 2 ZPO - Prozesskostenhilfe eben nicht durch das zuständige Prozessgericht erster Instanz gewährt worden, sondern das Landgericht hätte in die Zuständigkeit des Amtsgerichts durch die Gewährung der Prozesskostenhilfe eingegriffen (vgl. BGH a.a.O.).
Über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag entsprechend § 281 ZPO hat das Landgericht zu entscheiden.
3. Der Ausspruch über die Kosten folgt aus §§ 97, 127 Abs. 4 ZPO sowie § 1 GKG i.V.m. 1812 KV zum GKG.
Ende der Entscheidung
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