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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 15 WF 297/04
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 126 Absatz 1 Satz 2 1. Halbsatz |
Beschluss
In der Familiensache (Festsetzung der Vergütung aus der Landeskasse)
hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig am 25. Oktober 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 23. August 2004 - 13 F 56/03 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zugelassene, in Albersdorf/Dithmarschen kanzleiansässige Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der diesem im Rahmen der am 13. Juli 2004 bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, verlangt die Vergütung von Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld aus der Landeskasse für den am 15. Juli 2004 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht wahrgenommenen Verhandlungstermin.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung abgelehnt. Die dagegen erhobene Erinnerung hat der Richter durch Beschluss vom 23. August 2004 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten.
Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 50 €. Die geltend gemachten Fahrkosten betragen 32,40 €, das Abwesenheitsgeld macht 15 € aus; zuzüglich 16 % Umsatzsteuer ergeben sich 54,98 €.
§ 128 BRAGO ist ebenso wie die für die Festsetzung von Reisekosten der im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung beigeordneten Rechtsanwälte maßgebliche Bestimmung des § 126 BRAGO anwendbar. Die BRAGO ist zwar in Artikel 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl I Seite 718) seit dem 1. Juli 2004 durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ersetzt worden. Da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des RVG in dem Berufungsrechtszug schon tätig war - die nicht von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemachte Berufung ist am 9. Dezember 2003 eingelegt worden -, ist altes Recht anzuwenden (§§ 60 Abs. 1 Satz 2, 61 Abs. 1 Satz 2 RVG, vgl. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., Rdn. 28 ff. zu § 60 RVG).
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 126 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BRAGO sind Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht befindet, nicht zu vergüten. Eine Ausnahme besteht nach dem zweiten Halbsatz dieser Vorschrift nur, wenn ein Rechtsanwalt beigeordnet wird, der weder bei dem Prozessgericht noch bei einem Gericht zugelassen ist, das sich an demselben Ort wie das Prozessgericht befindet.
Demnach ist die Vergütungsfähigkeit der Reisekosten eines beigeordneten, beim Prozessgericht zugelassenen auswärtigen Anwalts selbst in den Fällen verneint worden, in denen das Prozessgericht zuvor die Erforderlichkeit der Reise des Rechtsanwalts festgestellt hatte (vgl. etwa OLG München, MDR 1998, 439). Das ist auch für Fälle entschieden worden, in denen - anders als früher in Schleswig-Holstein - ein Rechtsanwalt simultan bei einem Landgericht und einem Oberlandesgericht zugelassen ist, in der Berufung beim OLG tätig wird und seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das OLG befindet (OLG Bamberg, JUR Büro 1986, 606; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Oktober 1987 - 17 UF 171/86 -, Justiz 1988, 160).
Dabei kommt es anders als der Beschwerdeführer meint nicht darauf an, dass seine Beiordnung ohne die Einschränkung "zu den Bedingungen eines Schleswiger Anwaltes" erfolgt ist. Eine solche Einschränkung ist nur erforderlich, um die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 126 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BRAGO - die Vergütung von Reisekosten eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts - dadurch auszuschließen, dass der Weg für die Anwendung des ersten Halbsatzes der Vorschrift frei wird (so ausdrücklich neuestens BGH FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 unter Ziff. 2 b am Ende; siehe auch LAG München, MDR 2002, 1277, 1278). Der Beschwerdeführer fällt als "Schleswiger Anwalt" unmittelbar unter § 126 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BRAGO.
Dem Ausschluss der Mehrkosten von der Vergütung des auswärtigen, am Prozessgericht zugelassenen PKH-Anwalts steht nach Auffassung des Senats auch nicht entgegen, dass der bei dem Prozessgericht nicht zugelassene, gleichwohl im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung uneingeschränkt beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 BRAGO Reisekosten vergütet erhält, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei erforderlich waren. Zwar ist seit dem am 1. Januar 2000 in kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl I S. 2278) und dessen Änderungsgesetz vom 17. Dezember 1999 (BGBl I S. 2448) die Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte bei den Landgerichten auf alle bei einem Landgericht oder Amtsgericht zugelassenen Rechtsanwälte und durch das am 1. August 2002 in kraft getretene Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2850) die Postulationsfähigkeit bei den Oberlandesgerichten auf alle bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälte erweitert worden. Nach dem Wegfall der beschränkten Postulationsfähigkeit ist, wie der BGH in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2002 (FamRZ 2002, 441 = NJW 2003, 898, 900) ausgeführt hat, für eine unterschiedliche Behandlung der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten von an einem Gericht zugelassenen und nicht zugelassenen Rechtsanwälten gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO ein sachlicher Grund nicht mehr gegeben. Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch Art. 4 Abs. 20 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes seit dem 1. Juli 2004 ersatzlos mit der Begründung aufgehoben worden ist, die unterschiedliche Erstattungsfähigkeit von Reisekosten für Rechtsanwälte beseitigen zu wollen, weil die Beschränkung der Postulationsfähigkeit weggefallen sei (BT-Drucksache 15/1971, S. 233).
Es kann dahinstehen, ob vor diesem Hintergrund § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO alter Fassung nur noch einschränkend dahingehend anzuwenden ist, dass auch Reisekosten des beim Prozessgericht zugelassenen auswärtigen Rechtsanwalts zu erstatten sind, sofern die Zuziehung dieses Rechtsanwalts notwendig war. Denn hier geht es nicht um die Kostenerstattung zwischen den Parteien, sondern um den Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse (vgl. KG, KG-Report Berlin 2004, 17). Eine einschränkende Anwendung des im Prozesskostenhilfeverfahren geltenden § 126 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BRAGO ist auch nach der Änderung der Postulationsfähigkeit gemäß § 78 ZPO nicht angezeigt (LAG München MDR 2002, 1278). Dafür ergibt sich im übrigen auch nichts aus der Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts in den letzten zwei Jahren (vgl. NJW 2003, 898; NJW 2003, 901; AnwBl 2003, 311; NJW 2003, 2027; BGH-Report 2004, 70; BGH-Report 2004, 345; MDR 2004, 839; Juristisches Büro 2004, 322; BGH-Report 2004, 706; BGH-Report 2004, 780; BGH-Report 2004, 920; AGS 2004, 359), auch nicht aus dem neuesten Beschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 61/04 -, der sich soweit ersichtlich erstmals zur Vergütung von Reisekosten eines PKH-Anwalts äußert (FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749).
Die hinsichtlich der Mehrkosten an Auslagen differenzierende Regelung des § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist danach nicht zu beanstanden. Der verfassungsrechtlich gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes wird auch nach Einführung der erweiterten Postulationsfähigkeit dadurch genüge getan, dass § 121 Abs. 4 ZPO die Beiordnung eines Verkehrsanwalts vorsieht, wenn besondere Umstände dies erfordern; der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Umstände ist verfassungsgemäß auszulegen (BGH, FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749).
Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 128 Abs. 5 BRAGO).
Ende der Entscheidung
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