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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 26.05.2005
Aktenzeichen: 15 WF 363/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Zum Nachweis der Voraussetzungen der Verwirkung eines Unterhaltsanspruches kann die Einschaltung eines Detektivs notwendig im Sinn des § 91 I ZPO sein. Observationskosten in Höhe von über 60.000 € können erstattungsfähig sein.
15 WF 363/04

Beschluss

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 26. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Husum vom 12. November 2004 aufgehoben. Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Verfahrenskosten werden auf 62.526,75 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 2. August 2004 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 60.726,54 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Festsetzung von Detektivkosten in Höhe von 60.726,54 €.

Der Kläger und die Beklagte sind seit dem 18.5.1993 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 19.6.2002 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte ab Januar 2002 einen monatlichen Elementarunterhalt von 249,08 € sowie einen monatlichen Vorsorgeunterhalt von 61,46 € zu zahlen.

Im vorliegenden Abänderungsverfahren hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass er ab Zustellung der Klage nicht mehr verpflichtet ist, an die Beklagte monatlichen Elementar- und Vorsorgeunterhalt zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Rahmen des im April 2003 eingeleiteten Abänderungsverfahrens hat der Kläger den Detektiv und Zeugen S. im Juli 2003 mit der Observation der Klägerin mit dem Ziel beauftragt festzustellen, ob sie in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt. Für die von Juli 2003 bis Juni 2004 dauernde Observation hat der Zeuge S. dem Kläger den oben genannten Betrag in Rechnung gestellt. Die Detektivberichte sind mit Schriftsatz vom 21.6.2004 zur Gerichtsakte gereicht worden. Im Termin vom 23.6.2004 hat das Familiengericht den Zeugen N. vernommen. Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das Familiengericht den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 13. August 2003 als verwirkt gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die dort gewechselten Schriftsätze sowie auf das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Husum vom 14. Juli 2004 Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt, gegen die Beklagte Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 62.026,75 € (Bl. 468 ff.) festzusetzen. Durch Beschluss vom 12. November 2004 hat das Familiengericht lediglich Kosten in Höhe von 1.800,21 € zugunsten des Klägers festgesetzt. Im Übrigen hat es den Festsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die geltend gemachten Detektivkosten nicht erstattungsfähig seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Klägers. Zur Begründung führt er aus, die Erstattungsfähigkeit der Kosten hinge allein von der Frage ab, ob es notwendig gewesen sei, diese aufzuwenden. Der Gesetzeswortlaut lasse keinen Raum für eine zweite Voraussetzung, dass diese Kosten nämlich auch angemessen sein müssten. Entscheidend sei, dass eine vernünftige Partei einen berechtigten Grund gehabt habe, einen Detektiv einzuschalten.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und die geltend gemachten Detektivkosten in Höhe von 60.726,54 € nebst Zinsen gegen die Beklagte festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Beschwerde zurückzuweisen,

2. die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Einschaltung eines Detektivs sei nicht notwendig gewesen. Der Kläger habe bereits gewusst, dass sie mit dem Zeugen N. befreundet gewesen sei. Sie habe dem Kläger durch ihr Vorbringen auch keine Veranlassung gegeben, einen Detektiv einzuschalten. Sie vertritt ferner die Auffassung, dass die Detektivkosten, gemessen an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien und der Bedeutung des Streitgegenstandes, unverhältnismäßig seien. Die Parteien hätten zu keiner Zeit in gehobenen Verhältnissen gelebt.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger überhaupt Detektivkosten in der behaupteten Höhe beglichen habe. Sie beanstandet , dass der Detektiv in der Zeit vom 20.6. bis 23.6.2004 Verzehr- und Übernachtungskosten abgerechnet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Gegen die Beklagte sind Detektivkosten in der geltend gemachten Höhe festzusetzen. Diese Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers notwendig (§ 91 Abs. 1 ZPO). Kosten für die Beauftragung eines Detektivs sind dann als notwendig zu erachten, wenn die Ermittlungen aus der Sicht des Auftraggebers zur Erhärtung eines konkreten Verdachts erforderlich waren und sie prozessbezogen sind. Die Ermittlungen des Detektivs müssen hierbei nicht zwangsläufig den Prozessverlauf beeinflusst haben, sie müssen aber in den Rechtsstreit eingeführt worden sein (vgl. OLG Koblenz, VersR 2003, S. 1554 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Auf Grund des prozessualen Verhaltens der Beklagten war die Einschaltung eines Detektivs aus Sicht des Klägers geboten und notwendig. Nach der Beauftragung des Zeugen S. im Juli 2003 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8.8.2003 die Behauptung aufgestellt, dass die Beklagte seit mehr als drei Jahren mit einem Partner zusammenlebe. Hierfür wurde der Zeuge N. benannt. In der mündlichen Verhandlung vom 13.8.2003 hat dann die Beklagte zwar eingeräumt, einen Freund namens N. zu haben. Sie hat allerdings in Abrede gestellt, mit ihm zusammenzuleben und zu wirtschaften. Dabei wurden Übernachtungsbesuche von zwei- bis dreimal wöchentlich eingeräumt (Bl. 180).

Diese Einlassung der Beklagten erfüllte nicht die Voraussetzungen der Rechtsprechung für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Kläger war folglich berechtigt, die Observation fortdauern zu lassen, zumal die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.9.2003 ausdrücklich das Bestehen einer Lebensgemeinschaft unter Gegenbeweisantritt abgestritten hat.

In der Folgezeit hat der Kläger auf baldige Terminierung und Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen N. gedrängt (Schriftsatz vom 10.10.2003, Bl. 216; Schriftsatz vom 9.12.2003, Bl. 217).

Da das Amtsgericht durch Beschluss vom 22.1.2004 zunächst eine sachverständige Begutachtung des Klägers über seine Arbeitsfähigkeit angeordnet hatte (Bl. 253), war er berechtigt, die Observation durch den Zeugen S. fortzusetzen. Er musste nämlich im Hinblick auf seine prozessualen Behauptungen damit rechnen, dass die Beklagte und der Zeuge N. ihr Verhalten im Hinblick auf eine mögliche, anstehende Beweisaufnahme kurzfristig ändern würden.

Der Kläger hat dem Verfahrensgang insoweit Rechnung getragen, als die Observation in der Zeit von Januar 2004 bis April 2004 ganz erheblich eingeschränkt wurde; observiert wurde lediglich am 31. Januar (Bl. 391), am 27. Februar (Bl. 395) und am 30./31. März 2004 (Bl. 406). Nach Zustellung der Terminsladung am 21. April 2004 (Bl. 277) sind die Observationen ab 4. Mai 2004 wieder ausgedehnt worden (Bl. 413 ff.), insbesondere in den Wochen vor dem Verhandlungstermin am 23. Juni 2004.

Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 23.1.2004 substantiierte Ausführungen zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft der Klägerin gemacht hatte (Bl. 255), hat der Zeuge N. sein Verhalten insoweit geändert, als er in der Folgezeit seinen Pkw an einem anderen Ort abgestellt hat als zuvor (Bl. 471, 405). Dieses Verhalten zeigt aus Sicht des Senates, dass der Beklagten und dem Zeugen durchaus die Möglichkeit eines späteren Unterhaltsausschlusses gegenwärtig war. Anders ist das veränderte Verhalten zum Abstellen des Pkws nicht erklärlich. Hieraus rechtfertigt sich aber gerade auch die weitere Observation der Beklagten und des Zeugen N. , um die Beweisführung sicherstellen zu können.

Mit Schriftsatz vom 8.4.2004 hat der Kläger erneut um baldige Terminierung (Bl. 262) gebeten. Mit Schriftsatz vom 21.6.2004 erfolgte weiterer Vortrag seinerseits zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Beweisantritten sowie die Einreichung der Detektivberichte (Bl. 286 - 451).

Die Beklagte hat noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.6.2004 unmittelbar vor der Vernehmung des Zeugen N. erklärt, dass sie mit diesem seit Anfang 2000 befreundet sei und nicht fortlaufend mit ihm zusammenwohne. Sie würden ungefähr zwei- bis dreimal in der Woche gemeinsam übernachten (Bl. 452). Auch zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte bereits unter dem Eindruck der vorliegenden Detektivberichte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geleugnet. Der Zeuge N. hat im Anschluss eingeräumt, drei- bis viermal in der Woche bei der Beklagten zu übernachten. Auf die Frage, ob er an ein Zusammenleben in einer Wohnung gedacht habe, erklärte er, dies habe er überlegt. Dann sei aber gesagt worden, das wäre nicht möglich. Das läge daran, weil sich Frau L. noch mit Herrn L. streite. Dann wäre ein Zusammenleben vorhanden (453).

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Zeuge gerade auch im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bekannt gewordene Observation zu einer wahrheitsgemäßen Aussage angehalten worden ist. Insofern hatte die Observation unmittelbare Auswirkung auf den Prozessverlauf. Das Familiengericht hat auf Grund der Zeugenaussage den Unterhaltsanspruch der Beklagten zutreffend als verwirkt angesehen.

Unter Berücksichtigung des gesamten Verfahrensablaufs und der beharrlichen Weigerung der Beklagten, die tatsächlichen Gegebenheiten einzuräumen, war die Observation auch über einen Zeitraum von gut 11 Monaten aus Sicht des Klägers notwendig und erforderlich. Bei einem vorzeitigen Abbruch der Observation musste er ständig mit der Möglichkeit rechnen, dass die Beklagte und der Zeuge im Hinblick auf einen anstehenden Termin zur Beweisaufnahme ihr bis dahin an den Tag gelegtes Verhalten ändern würden. Folglich bestand fortwährend die konkrete Gefahr, beweisfällig hinsichtlich der behaupteten eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu bleiben.

Wie sich aus den Detektivberichten ergibt, stand der Zeuge S. auch regelmäßig im Kontakt mit dem Kläger und hat mit ihm über Art und Umfang einer sachgerechten Observation im Hinblick auf den Verfahrensstand des Familiengerichts und das Verfahrensziel gesprochen.

Die geltend gemachte Forderung ist auch der Höhe nach begründet.

Soweit die Beklagte beanstandet, in den Detektivrechnungen befänden sich auch Übernachtungskosten, steht dem gegenüber, dass sich die jeweilige Observation bis in die Nachtstunden erstreckte und der Detektiv aus diesem Grund berechtigt war, statt einer Heimfahrt eine Übernachtung zu wählen, wie er in den Berichten auch dokumentiert hat.

Der Einwand der Beklagten, der Name ihres Freundes, N. , habe vom Detektiv gar nicht ermittelt werden müssen, da sie diesen Namen bereits in der mündlichen Verhandlung vom 13.8.2003 genannt habe, verkennt, dass der Detektiv die Ermittlungen bereits im Juli 2003, also vor der Einlassung der Beklagten, aufgenommen hatte.

Die Frage, in welcher Höhe der Kläger den Honoraranspruch des Zeugen S. bislang erfüllt hat, ist im Festsetzungsverfahren unerheblich.

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob neben einer Notwendigkeitsprüfung auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden hat (OLG Koblenz, VersR 2003, 1554 ff.; Kammergericht, JurBüro 2004, 32 - 34; gegenteiliger Auffassung: OLG Frankfurt, NJW 1971, S. 1183). Zugunsten der Beklagten hat der Senat eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Diese führt aber nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der geltend gemachten Kosten.

Der Kläger war auf Grund des abzuändernden Titels verpflichtet, monatlich insgesamt 310,54 € an die Beklagte zu zahlen. Zum Zeitpunkt seines Abänderungsbegehrens war die Beklagte (am 7.10.1946 geboren) fast 58 Jahre alt. Bei Fortlaufen des Titels bis zum regulären Renteneintritt wäre zumindest ein Betrag von rund 26.000,00 € an Unterhalt aufgelaufen. Annehmbar hätte die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aber über den Eintritt des Rentenalters hinaus gereicht, so dass mögliche Unterhaltsforderungen der Beklagten durchaus die Höhe der geltend gemachten Detektivkosten ohne weiteres erreichen konnten. Dies gilt um so mehr, als das Bestehen eines Aufstockungsunterhaltsanspruchs zugunsten der Beklagten für die Zukunft als wahrscheinlich erschien. Bei dieser Betrachtung ist eine mögliche Abänderungsklage der Beklagten, gerichtet auf höheren Unterhalt, noch unberücksichtigt geblieben.

Auch an dieser Stelle ist noch einmal hervorzuheben, dass der Kläger die Intensität der Observation dem Verfahrensstand angepasst und dadurch vermeidbare Kosten vermieden hat.

Nach alledem sind die geltend gemachten Kosten in der beantragten Höhe festzusetzen. Aus Klarstellungsgründen wird der gesamte Beschluss geändert und neu gefasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Frage, ob die geltend gemachten Detektivkosten notwendig und verhältnismäßig sind, stellt eine tatrichterliche Würdigung dar. Es handelt sich hierbei nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Ebenso wenig ist die Fortbildung des Rechts von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abhängig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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