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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 03.11.1999
Aktenzeichen: 2 W 154/99
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 181
FGG § 12
Will sich Amtsgericht bei der mündelsicheren Geldanlage größeren Vermögens der von den Beteiligten gewählten Form der Aktienfonds nicht anschließen, muß es sich eines externen Sachverstandes bedienen.
2 W 154/99 3 T 330/99 LG Kiel 11 XVII D 50 AG Plön

Beschluß

In der Betreuungssache

betreffend Herrn D , Lebens- und Werkgemeinschaft e. V. Grebinsrade, 24238 Martensrade,

- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt -

beteiligt: Herr als Betreuer

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 06.10.1999 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 07.07.1999 durch die Richter am 03.11.1999 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Plön vom 24.03.1999 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten und anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Plön zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Für den knapp 58jährigen Betroffenen, der seit Geburt durch Debilität behindert ist, bestand seit 1984 eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit seiner Mutter als Pflegerin. Im Oktober 1993 wurde die Mutter zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen "Vertretung gegenüber Ämtern und Institutionen" und "Sorge für die Gesundheit" bestellt. Nach deren Tod im Dezember 1995 wurde der Beteiligte mit Beschluß vom 11.01.1996 zum neuen Betreuer mit dem erweiterten Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten, insbesondere Regelung der Nachlaßangelegenheiten" bestellt. Der Betroffene erbte zusammen mit seiner Schwester ein Mietshaus und ein Einfamilienhaus, aus deren Verwertung ihm schließlich ca. 750.000,- DM an Vermögen verblieben. Er lebt seit Ende 1984 in dem oben genannten Heim in M und muß dafür seit 1998 monatlich etwas mehr als 5.000,- DM bezahlen.

Der Betreuer hat im Januar 1998 einen ersten Bericht über die Vermögensentwicklung nach Veräußerung der Häuser vorgelegt und Genehmigung eines darin dargestellten Konzepts für die Anlage des restlichen Geldes beantragt. Die Rechtspflegerin des damals noch zuständigen Amtsgerichts Hamburg-Harburg reagierte mit einer Rückfrage vom 26.01.1998 nach näheren Informationen über die Wertentwicklung und Prognose für die gewählten Anlageformen. Darauf übersandte der Betreuer Kopien aus verschiedenen Ausgaben der Zeitschrift "Finanztest" am 27.01.1998 (Aktendeckel hinten). Nach telefonischer Erörterung genehmigte das Amtsgericht Hamburg-Harburg die Anlage von 150.000,- DM in einem bestimmten Rentenfond und von 250.000,- DM in einem offenen Immobilienfond mit Beschluß vom 30.01.1998. Die beabsichtigte Anlage von weiteren 250.000,- DM in Aktienfonds wurde dagegen nicht genehmigt, vielmehr eine sicherere Anlageform gefordert. Knapp 100.000,- DM waren an das Landessozialamt, das seit dem Jahr 1996 die Heimkosten darlehensweise zur Verfügung gestellt hatte, zur Tilgung dieses Darlehens gezahlt worden.

Nach Verlängerung der Betreuung durch das Amtsgericht Hamburg-Harburg mit Beschluß vom 17.09.1998 hat dies Gericht das Verfahren absprachegemäß an das Amtsgericht Plön abgegeben. Dies hat zunächst nur ein Vermögensverzeichnis per 31.12.1997 beim Betreuer angefordert und die Bestellungsurkunde ausgewechselt, bis der Betreuer mit Bericht vom 27.01.1999 über die Anlage des Betreuten-Vermögens im Jahre 1998 informierte. Darin waren die genehmigte Anlage von ca. 150.000,- DM in einem Rentenfond und die Anlage von 100.000,- DM (statt beantragter und genehmigter 250.000,- DM) in einem Immobilienfond ausgewiesen. Weitere 140.000,- DM waren nach dem Bericht in einem Rentenfond der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS) und 280.000,- DM in Aktienfonds "UniFond" der Union Investment GmbH angelegt. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Plön teilte daraufhin am 03.02.1999 mit, daß sie die Anlage "in Investmentanteilen und in Fonds" nicht für genehmigungsfähig halte. Sie favorisiere mündelsichere Anlagen gem. § 1807 BGB. Den Antrag des Beteiligten vom 25.02.1999 auf Genehmigung der getätigten Anlagen hat sie mit Beschluß vom 24.03.1999 zurückgewiesen. Die gewählten Anlageformen unterlägen "u. a. Schwankungen des Geld- und Kapitalmarktes, der eine stabile Entwicklung nicht garantieren kann". Zur Erhaltung des Vermögens sei die Anlageform zu risikoträchtig. Das Kriterium Sicherheit habe Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit der Anlage. Die Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Investmentpapiere und Aktien kämen wegen des Risikos allein der Kursschwankungen als andersartige Anlage nach § 1811 BGB nicht in Betracht. Die Versagung der Genehmigung halte sich im Rahmen des dem Vormundschaftsgericht eingeräumten Ermessens.

II.

Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde vom 06.10.1999 ist zulässig und begründet, da die Entscheidung des Landgerichts - wie die des Amtsgerichts - auf einer Verletzung des Gesetzes, nämlich auf unrichtiger Anwendung des § 1811 BGB beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

Nach dieser Vorschrift ist darüber zu entscheiden, ob die gewählte Art der Anlegung u. a. den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwider läuft. Nur wenn das der Fall ist, sollte die Erlaubnis verweigert werden. Mit den in beiden Beschlüssen dargestellten undifferenzierten Argumenten zum "Risiko der Kursschwankungen" bei "Investmentpapieren (ebenso Aktien)", zu "Schwankungen des Geld- und Rentenmarktes" läßt sich die Voraussetzung für eine Verweigerung der Genehmigung nicht nachvollziehbar feststellen. Ebensowenig ergibt der Beschlußinhalt nachvollziehbar den Vorgang einer Ermessensausübung. Der Hinweis der Rechtspflegerin vom 03.02.1999 deutet vielmehr darauf hin, daß ohne die vom Gesetz gebotene Rücksicht auf die "Lage des Falles" andere als die im § 1807 BGB geregelten Anlagefond nicht genehmigt werden.

Schon der vom Landgericht selbst zitierten Kommentierung von Diederichsen (Palandt Rn. 2 zu § 1811 BGB) ist zu entnehmen, daß in der Beurteilung von "Aktien und Investmentpapieren" ("marktgängigen Standardpapieren") auf ihre Eignung für eine wirtschaftliche Vermögensverwaltung unter Umständen Unterschiede zu machen sind, je nach dem, ob es sich um kurz- oder langfristige Anlagen handelt. Nach dem Konzept des Beteiligten vom 12.01.1998 sollte es sich bei den bisher nicht genehmigten Anlagen um eher langfristige Anlagen handeln, die erst nach Verbrauch der genehmigten Anlagen zur Finanzierung des Heimaufenthaltes herangezogen werden sollten. Bereits 1963 findet sich das überzeugende Plädoyer für eine Anlage von Geld z. B. in Aktienfonds (Münchmeyer, Investmentanteile mündelsicher?, DRiZ 1963, 229). Bei Vermögen im vorliegenden Umfang bietet sich eine Streuung über unterschiedliche Anlagearten, wie sie der Beteiligte bisher schon vorgenommen hat (und wie der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen sie am Ende der weiteren Beschwerde für weiter verhandelbar erklärt) gerade zu an (Staudinger-Engler, 13. Aufl., 1999 Rn. 19 zu § 1811; Müko-Schwab, 3. Aufl., 1992 Rn. 9 zu § 1811). Gänzlich fehlt in den ablehnenden Entscheidungen auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, daß ein Teil der streitigen Anlegung in einem Rentenfond besteht (140.000,- DM INRENTA), dessen Sicherheit allgemein nicht angezweifelt und dessen Wahl bei einer anderen Gesellschaft bei den ersten 155.000,- DM vom Amtsgericht Hamburg-Harburg auch ohne Bedenken genehmigt worden ist.

Will das Amtsgericht bei der gebotenen erneuten Überprüfung an seinen Bedenken gegen die vom Beteiligten gewählte Anlage des Geldes vor allem in Aktienfonds festhalten, wird es sich externen Sachverstandes bedienen müssen, was im Rahmen der Ermittlungen nach § 12 FGG ohne weiteres zulässig und angesichts der komplexen Frage (was sind im vorliegenden Fall Grundsätze einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung?) auch erforderlich sein dürfte (vgl. Staudinger-Engler, a. a. O. Rn. 23).

Ende der Entscheidung

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