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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 06.02.2002
Aktenzeichen: 2 W 206/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1
Die höhere Vergütung nach § 1 Abs. 3 BVormVG setzt voraus, dass der Betreuer vor dem 01.01.1999 zwei Jahre lang als selbstständiger Berufsbetreuer tätig war.
2 W 206/01

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 31. Oktober 2001 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 10. Oktober 2001 durch die Richter und am 6. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 119,21 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. ist als Berufsbetreuer tätig. Mit Beschluss vom 3. Dezember 1998 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1. zum Betreuer der nicht mittellosen Betroffenen und bestimmte zu seinen Aufgabenkreisen die Gesundheitssorge und die Aufenthaltsbestimmung. Mit Beschluss vom 14. Oktober 1999 hob das Amtsgericht die Betreuung mit der Begründung wieder auf, die Betroffene könne ihre Angelegenheiten wieder selbst besorgen.

Der Beteiligte zu 1. hat für seine Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 12. Oktober 1999 die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von insgesamt 1.771,32 DM (1.527 Minuten zu einem Stundensatz von 60,-- DM zuzüglich 16 % MWSt) beantragt. Das Amtsgericht hat die Vergütung mit Beschluss vom 22. November 1999 unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages auf 942,50 DM (975 Minuten zu einem Stundensatz von 50,-- DM zuzüglich MWSt) festgesetzt. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2000 eine weitere Vergütung in Höhe von 223,30 DM (231 Minuten zu einem Stundensatz von 50,-- DM zuzüglich 16 % MWSt) zuerkannt. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung unter anderem mit der Frage befasst, ob dem Beteiligten zu 1. in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 3 BVormVG ein höherer Stundensatz als 50,-- DM zuzubilligen sei. Es hat die Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Vergütungen für die Betreuung nicht mittelloser Betroffener grundsätzlich bejaht und angenommen, dass der Beteiligte zu 1. seit dem 1. Januar 1996 als Berufsbetreuer tätig sei. In der Sache hat es jedoch eine Erhöhung des Stundensatzes nach § 1 Abs. 3 BVormVG abgelehnt. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde beschränkt auf die Höhe des zuerkannten Stundensatzes zugelassen. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 26. Oktober 2000 (Bl. 36 - 44 des Vergütungsheftes) Bezug genommen. Die dagegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat der Senat im Hinblick auf die beschränkte Zulassungsentscheidung des Landgerichtes mit Beschluss vom 18. Juli 2001 insoweit verworfen, als der Beteiligte zu 1. weiterhin eine Vergütung für den vom Amts- und Landgericht nicht als vergütungsfähig anerkannten Zeitaufwand (372,36 DM - 321 Minuten zu einem Stundensatz von 60,-- DM zuzüglich 16 % MWSt) begehrt hat. Im Übrigen (233,16 DM - 1206 Minuten x 10,-- DM zuzüglich 16 % MWSt) hat der Senat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landegericht zurückgewiesen. Der Senat hat die Frage der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 BVormVG auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtes ebenfalls bejaht, es aber für weiter aufklärungsbedürftig gehalten, ob es für den Beteiligten zu 1. eine unzumutbare Härte darstellte, wenn ihm ein höherer Stundensatz nicht bewilligt würde. Wegen der Einzelheiten der Senatsentscheidung wird auf den Beschluss vom 18. Juli 2001 (Bl. 77 - 86 des Vergütungsheftes) Bezug genommen. Im Laufe des weiteren Verfahrens vor dem Landgericht hat sich herausgestellt, dass der Beteiligte zu 1. erst seit April 1998 als selbständiger Berufsbetreuer tätig ist. In der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum April 1998 war er als Betreuer bei dem Betreuungsverein Rendsburg-Eckernförde e.V. angestellt. Im Hinblick darauf hat das Landgericht die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 BVormVG verneint und die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 erneut zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde hat es wiederum zugelassen. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 10. Oktober 2001 (Bl. 104 - 107 d.A.) Bezug genommen. Dagegen hat der Beteiligte zu 1. form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichtes nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass § 1 Abs. 3 BVormVG auf den Beteiligten zu 1. keine Anwendung findet. Diese Vorschrift gilt nur für Betreuer, die vor dem Inkrafttreten des § 1 BVormVG am 1. Januar 1999 über einen Zeittraum von mindestens zwei Jahren Betreuungen berufsmäßig geführt haben. Das Landgericht hat indessen ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beteiligte zu 1. diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Frage der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 BVormVG in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2001 anders beurteilt hat als der Senat in seinem Beschluss vom 18. Juli 2001. Vorinstanzen sind zwar grundsätzlich an die rechtliche Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichtes gebunden; sie dürfen hiervon jedoch abweichen, wenn sich der Sachverhalt auf Grund von tatsächlichen Erkenntnissen ändert, die erst in dem Verfahren nach der Zurückverweisung gewonnen werden (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 27 Rn. 69). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die abweichende Beurteilung des Landgerichtes beruht ausschließlich auf neuen tatsächliche Erkenntnissen über den beruflichen Werdegang des Beteiligten zu 1., die erst nach der Zurückverweisung der Sache gewonnen worden sind.

Das Landgericht hat § 1 Abs. 3 BVormVG auch mit zutreffender Begründung dahin ausgelegt, dass eine mindestens zweijährige berufsmäßige Führung von Betreuungen im Sinne dieser Vorschrift nur dann vorliegt, wenn ein Betreuer vor dem 1. Januar 1999 mindestens zwei Jahre lang als selbständiger Berufsbetreuer tätig war. Die Arbeit als angestellter Vereinsbetreuer erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 BVormVG nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht (so auch OLG Braunschweig FamRZ 2000, 1307, Damrau/Zimmermann, Betreuungs-recht, 3. Auflage, § 1836 a Rn. 65). Dazu hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Juli 2001 ausgeführt:

"Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass Berufsbetreuer, denen vor der Neuregelung des Vergütungsrechtes höhere Stundensätze zugebilligt wurden als ihnen nach dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden Recht zustünden, Einkommensbußen erleiden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, d. h. entweder durch eine Umschulung oder Fortbildung (§ 2 BVormVG) eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation zu erreichen oder ihre Kosten in einer Weise zu reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei einer geringeren Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 77, 78; OLG Karlsruhe FGPrax 2001, 117; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 1999, 223, 224 und 2000, 20). (...) Danach dient die Regelung in § 1 Abs. 3 BVormVG der Besitzstandswahrung, und sie gewährt einen gewissen Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisherigen Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor beruflicher und finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulationen darstellen (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 178, 179; OLG Hamm, FGPrax 2000, 20, 21)."

Ein angestellter Vereinsbetreuer ist jedoch grundsätzlich nicht gezwungen, die Kosten seiner Betreuungstätigkeit den geänderten Vergütungssätzen anzupas-sen. Diese Kosten werden vielmehr in der Regel von dem Betreuungsverein getragen. Der angestellte Vereinsbetreuer erhält seine Vergütung gemäß § 1908 e BGB auch nicht nach festen gesetzlichen Vergütungssätzen von den Betroffenen oder aus der Staatskasse. Seine Vergütung wird vielmehr von dem Betreuungsverein gezahlt, und sie muss sich nicht an den Vergütungssätzen eines selbständigen Berufsbetreuers orientieren (vgl. dazu grds. BAG BtPrax 1997, 32; BVerfG BtPrax 2002, 35). Sie kann vielmehr nach ganz anderen Kriterien bemessen sein - so insbesondere dann, wenn der angestellte Vereinsbetreuer für den Betreuungsverein auch so genannte Querschnittaufgaben erfüllt. Auch die Vergütung, die der Betreuungsverein gemäß § 1908 e BGB für die Tätigkeit eines Vereinsbetreuers erhält, folgte nach dem bis zum 31. Januar 1998 geltenden Recht anderen Regeln als die Vergütung für selbständige Berufsbetreuer (vgl. dazu grds. BVerfG aaO). Die wirtschaftliche Situation eines angestellten Vereinsbetreuers ist daher grundsätzlich nicht mit derjenigen vergleichbar, die durch die Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG einen gewissen Bestandsschutz erfahren sollte. Ein Vereinsbetreuer durfte im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Vergütung des angestellten Vereinsbe-treuers einerseits und des selbständigen Berufsbetreuers andererseits im Jahre 1998 grundsätzlich nicht erwarten, er werde im Falle der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit eine vergleichbare Vergütung wie zuvor erhalten. Ein etwaiges dahingehendes Vertrauen sollte nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 BVormVG zumindest nicht geschützt werden. Unerheblich ist auch, ob der Beteiligte zu 1. darauf vertraut hat, er erfülle die Voraussetzungen der Übergangsregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG. Denn der mit dieser Vorschrift bezweckte Vertrauensschutz erstreckt sich nur auf diejenigen Berufsbetreuer, die die Voraussetzungen der Übergangsregelung tatsächlich erfüllen, und nicht auch auf diejenigen, die irrtümlich angenommen haben, sie gehörten zu dem geschützten Betreuerkreis.

Unerheblich ist ferner, ob es für den Beteiligten zu 1. eine Härte darstellt, dass er die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 BVormVG nicht erfüllt. Denn eine solche Härte allein vermag eine Anwendung des § 1 Abs. 3 BVormVG nicht zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat die Anwendung dieser Bestandsschutzrege-lung ausdrücklich auf Betreuer beschränkt, die am 1. Januar 1999 schon mindestens zwei Jahre berufsmäßig Betreuungen geführt hatten. Eine entspre-chende Anwendung dieser Vorschrift auf andere Betreuer kommt deshalb nicht in Betracht. Dafür besteht auch kein Bedürfnis, weil diejenigen Betreuer, die ihre selbständige Tätigkeit erst im Jahre 1998 aufgenommen haben, bereits damit rechnen mussten, dass sie geringere Vergütungen erhalten würden als die im Jahre 1998 üblichen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11.3.1997 (Bundestags-Drucksache 13/7158) zum Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BtÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580) lag zu Beginn des Jahres 1998 schon vor. Bereits daraus ergaben sich die Grundsätze des neuen Vergütungsrechtes und die Größenordnung der neuen Vergütungssätze. Im Jahre 1998 konnte daher jeder Betreuer erkennen, dass bei der Betreuervergütung mit Einschnitten zu rechnen war. Wer sich zu der Zeit gleichwohl als Berufsbetreuer rechtlich selbständig machte, nahm erkennbar das Risiko in Kauf, später eine geringere Vergütung für seine Betreuungstätigkeit zu erhalten. Etwaige höhere Einkommenserwartungen des Beteiligten zu 1. erweisen sich auch aus diesem Grunde nicht als schutzwürdig. Im Übrigen ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerich-tes vom 6. Juni 2000 (BtPrax 2000, 212) ohnehin sehr zweifelhaft, ob den Berufsbetreuern überhaupt ein Bestands- und Vertrauensschutz hätte gewährt werden müssen. Auch im Hinblick darauf ist es jedenfalls nicht geboten, den Schutz des § 1 Abs. 3 BVormVG auf Berufsbetreuer auszudehnen, die am 1. Januar 1999 noch keine zwei Jahre berufsmäßig Betreuungen geführt hatten.

Der Beteiligte zu 1. kann sich auch nicht mit Erfolg auf seine "ernsthafte Absicht" berufen, eine Fortbildung nach § 2 BVormVG durchzuführen. Denn ein Anspruch auf eine höhere Vergütung besteht erst dann, wenn der Beteiligte zu 1. eine solche Ausbildung tatsächlich erfolgreich absolviert hat - und dies auch nicht rückwirkend, sondern erst für die Zeit nach dem Abschluss der Fortbildungsmaßnahme.

Die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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