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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 02.11.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 47/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 1923 | |
BGB § 1924 | |
BGB § 1931 | |
BGB § 2267 | |
BGB § 2271 | |
BGB § 2303 |
3 Wx 47/02
Beschluss
In der Nachlasssache
hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 24. April 2002 durch die Richter am 2. November 2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) werden der Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 2. Februar 2002 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 24. April 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren - an das Amtsgericht Elmshorn zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, wer von ihnen Erbe nach der 1999 verstorbenen A (im Folgenden: Erblasserin) geworden ist.
Die Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem am 3. Oktober 1917 geborenen und am 29. Januar 1984 verstorbenen J A verheiratet. Sie hat einen Sohn aus erster Ehe und zwei Töchter aus zweiter Ehe, die 1972 vorverstorbene U A und die am 30. Juni 1949 geborene Beteiligte zu 2).
Am 6. Dezember 1977 errichteten die Erblasserin und ihr zweiter Ehemann ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:
"Hiermit setzen meine Frau u. ich uns gegenseitig als Erben unseres gesamten Hab u. Gut ein.
Bei einem gemeinsamen Tod, ist unsere Tochter R geb. A alleinige Erbin."
In den Folgejahren errichtete die Erblasserin mindestens sechs weitere Testamente. Das noch zu Lebzeiten ihres zweiten Ehemannes errichtete Testament vom 28. März 1978 hat folgenden Inhalt:
"Hiermit enterbe ich meinen Sohn N aus meiner ersten Ehe."
Das letzte bekannte Testament vom 2. Juni 1990 lautet:
"Hiermit setze ich H Taxiunternehmer, als meinen Erben ein. Meine Tochter R erhält nur Ihr Pflichtteil, auch mein Sohn N erhält nur das Pflichtteil. Mein Bruder D bekommt die Marmor Uhr und Zehntausend DM."
Das Testament befand sich 1999 im Besitz des Beteiligen zu 1) und wurde am 19. November 1999 beim Amtsgericht Elmshorn in besondere amtliche Verwahrung genommen. Wegen des Inhalts der am 19. Juni sowie am 10. und zweimal am 12. November 1989 errichteten weiteren Testamente wird auf die Akte des Amtsgerichts Itzehoe 12 IV 771/99 verwiesen. Die Erblasserin hat nach dem Tod ihres Ehemannes die Erbschaft als Alleinerbin angetreten.
Die Beteiligte zu 2) hat am 17. Januar 2000 beantragt, ihr auf der Grundlage des Testaments vom 6. Dezember 1977 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Beteiligte zu 1) hat einen entsprechenden Antrag auf der Grundlage des Testaments vom 2. Juni 1990 am 5. Oktober 2000 gestellt.
Die Beteiligte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dass alle nach dem Tod des Vaters von der Erblasserin neu verfassten Testamente ungültig seien, da das Testament vom 6. Dezember 1977 hinsichtlich ihrer Einsetzung als Schlusserbin wechselbezüglich sei und die Erblasserin später nicht abweichend von Todes wegen habe verfügen können.
Der Beteiligte zu 1) hat die Wechselbezüglichkeit der Erbeneinsetzung der Antragstellerin im Testament vom 6. Dezember 1977 bestritten. Die Erblasserin habe auch anschließend frei über ihren Nachlass verfügen können und dies zuletzt durch Testament vom 2. Juni 1990 getan.
Das Amtsgericht Elmshorn hat durch Beschluss vom 2. Februar 2002 angekündigt, dass es beabsichtige, der Beteiligten zu 2) einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Formulierung des gemeinschaftlichen Testaments "bei einem gemeinsamen Tod" unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse im Jahre 1977 nicht eindeutig sei und der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB bedürfe. Die Formulierung sei dahingehend auszulegen, dass auch der Fall des Nacheinanderversterbens gemeint gewesen sei. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eheleute A mit ihrem gemeinschaftlichen Testament nur den - im Jahre 1977 - seltenen Fall des gleichzeitigen Versterbens hätten regeln wollen. Sie hätten vielmehr eine grundsätzliche Regelung ihres Nachlasses treffen wollen, wie die gegenseitige Erbeneinsetzung im ersten Teil des Testaments zeige. Sie hätten ihr einziges gemeinsames Kind als Schlusserbin einsetzen und den Sohn der Erblasserin aus erster Ehe von der Erbschaft ausschließen wollen. So hätten die Eheleute A der Antragstellerin später auch einmal ihr Testament erläutert. Dem stehe nicht die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 15. Januar 1998 entgegen, in der die Formulierung "gleichzeitig versterben" nicht als auch ein Nacheinanderversterben der Eheleute umfassende Formulierung ausgelegt worden sei, da angesichts der bei Errichtung des Testaments im Jahre 1943 immer stärker werdenden Bombenangriffe ein gemeinsamer Tod bei einem Luftangriff nahe gelegen habe. Diese Bewertung eines Testaments aus dem Jahre 1943 könne nicht für ein Testament aus dem Jahre 1977 gelten. Die so verstandenen Erklärungen seien wechselbezüglich.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 26. Februar 2002 Beschwerde eingelegt. Grammatikalisch bedeute die Formulierung "bei einem gemeinsamen Tod", dass der Tod zeitgleich eintrete. Das Wort "gemeinsam" stehe im Gegensatz zum Wort "nacheinander", was noch durch die Hinzufügung des Wortes "bei" statt z. B. einer Formulierung "nach einem gemeinsamen Tod" verstärkt werde. Zudem gebe es keine Auslegungsregel dahingehend, dass im Zweifel von den Ehegatten der Fall des Nacheinanderversterbens gemeint sei. Dafür, dass die Formulierung im Wortsinn gemeint gewesen sei, spreche, dass die Eheleute A durchaus einen gehobenen Bildungsstand gehabt hätten, der Ehemann sei als Kapitän beim Zoll zur See gefahren. Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute gerade keine abschließende Regelung hätten treffen wollen, ergäben sich aus den in der Folgezeit, erstmals noch zu Lebzeiten des Ehemannes nur vier Monate nach Errichtung des gemeinsamen Testaments, von der Erblasserin errichteten Testamenten. Bei Menschen, die den Krieg erlebt hätten, sei zudem die Möglichkeit eines gleichzeitigen Todes durchaus präsent gewesen. Die im Beschluss des Amtsgerichts wiedergegebenen Äußerungen der Erblasserin gegenüber der Beteiligten zu 2) werden vom Beteiligten zu 1) bestritten und zudem für unerheblich gehalten.
Das Landgericht Itzehoe hat durch Beschluss vom 24. April 2002 die Beschwerde unter Bezugnahme auf den amtsgerichtlichen Beschluss zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet der Beteiligte zu 1) sich mit seiner weiteren Beschwerde, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Er beantragt,
ihm unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse den beantragten Erbschein zu erteilen.
Die Beteiligte zu 2) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der Feststellungen des Amtsgerichts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthaft und auch sonst zulässig (§§ 20 Abs. 1, 29 FGG). Sie hat in dem im Tenor wiedergegebenen Umfang Erfolg.
Nach § 27 FGG kann die weitere Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes oder dieser gleich zu erachtenden Verstößen gegen Denk- oder Erfahrungssätze beruht. Dies vorausgesetzt hält die Entscheidung des Landgerichts einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht stand.
Die Frage, ob die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemanns gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB an eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) gebunden war und deshalb 1990 durch Testament keine das Recht der Beteiligten zu 2) beeinträchtigende Verfügung mehr treffen konnte, hängt davon ab, wie der zweite Satz des Testaments vom 6. Dezember 1997 auszulegen ist. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt.
Ist in dieser Formulierung eine Regelung nicht nur für den gleichzeitigen Tod, sondern auch für den Fall des Nacheinanderversterbens zu sehen, so bestünden an der Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2) keine Zweifel. Insoweit kann auf die Ausführungen im Abschnitt 2 des amtsgerichtlichen Beschlusses verwiesen werden. Umfasst diese Formulierung jedoch nur den zeitgleich eintretenden Tod, ggf. noch unter Einbeziehung des kurzfristig hintereinander eintretenden Todes, der dem Längstlebenden keine Zeit für Verfügungen von Todes wegen lässt, so kommt es auf die Frage der Wechselbezüglichkeit nicht an. Satz 2 des Testaments vom 6. Dezember 1977 hätte dann nämlich 1999 keine Bedeutung mehr, weil die Eheleute im Abstand von 15 Jahren verstorben sind.
Die Auslegung von Testamenten ist im Grundsatz ausschließlich Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die tatsächliche Auslegung solange gebunden, als sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist (sie muss nicht zwingend sein), mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 27 Rn. 48). In Anwendung dieser Grundsätze hält die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Testaments einer Überprüfung durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht stand. Sie berücksichtigt wesentliche Tatsachen nicht.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landgerichts, dass das Testament vom 6. Dezember 1977 auslegungsbedürftig ist. Da der zeitgleich eintretende Tod ein seltenes Ereignis ist, ist dem Sinngehalt von Formulierungen, die nahe legen, dass die Erblasser gerade und nur eine Regelung für diesen Sonderfall treffen wollten, im einzelnen nachzugehen (vgl. die umfangreiche Rechtsprechung zu dieser Frage (BayObLG Rpfleger 1987, 69, FamRZ 1990, 563, FamRZ 1997, 389, FamRZ 1997, 1570, FamRZ 1997, 1571, OLG Frankfurt Rpfleger 1988, 483, FamRZ 1998, 1393, OLG Köln NJW-RR 1996, 394, OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 9, LG München I FamRZ 1999, 61). Dem Landgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass der Beschluss des Kammergerichts vom 15. Januar 1968, FamRZ 1968, 37, mangels Vergleichbarkeit mit dem hier zu entscheidenden Fall keine Auslegungshilfe bietet. Abgesehen davon, dass die dort zu überprüfende Formulierung "sollten wir .... gleichzeitig versterben, ... " von der im vorliegend zu entscheidenden Fall verwendeten Formulierung abweicht, und vom Kammergericht als eindeutig und nicht auslegungsfähig angesehen worden ist, ist weiterer tragender Gesichtspunkt der Entscheidung, dass diese Formulierung 1943 verwendet wurde, als der Bombenkrieg immer stärker wurde und der Gedanke, dass man während eines Luftangriffs gemeinsam umkommen könnte, durchaus naheliegend war. Dieser Gedanke lässt sich jedenfalls mehr als 30 Jahre nach Kriegsende nicht allgemein auf Personen übertragen, die den Krieg, möglicherweise sogar in einer von Bombenangriffen besonders bedrohten Großstadt, miterlebt haben.
Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, sind heranzuziehen (Palandt-Edenhofer, 62. Aufl., § 2084 Rn. 1 ff.).
Der Wortlaut der Urkunde spricht dafür, dass die Eheleute den Fall des zeitgleichen Versterbens gemeint haben. Sie haben nämlich die auslegungsbedürftige Formulierung "gemeinsam" nicht ergänzt durch die Formulierung "Nach (einem gemeinsamen Tod)" oder - noch deutlicher - formuliert "nach unserem (gemeinsamen) Tod", sondern mit den Worten "bei einem", die für einen einzigen zum Tode beider Eheleute führenden Lebenssachverhalt sprechen, eine auf einen zeitgleichen Tod hindeutende Wortwahl getroffen.
Dieser Fall mag zwar selten sein, bei einem so stark in diese Richtung gehenden Wortlaut ist jedoch davon auszugehen, dass die Eheleute diesen Fall tatsächlich regeln wollten, wenn eine solche Regelung nach ihren Lebensumständen sinnvoll erscheint. So ist es hier, wie aus der Regelung des § 1923 Abs. 1 BGB folgt. Danach kann Erbe nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls noch lebt. Sterben Eheleute, die im Verhältnis zueinander gesetzliche Erben nach § 1931 BGB sind oder sich gegenseitig zu Erben eingesetzt haben, gleichzeitig, so werden sie wechselseitig nicht Erbe. Jeder wird von seinen Abkömmlingen als gesetzlichen Erben der ersten Ordnung beerbt, § 1924 Abs. 1 BGB. Hätten nun beide Eheleute nur die Beteiligte zu 2) als einzigen Abkömmling, so würde diese sowohl bei einem zeitgleichen Versterben als auch bei einem Nacheinanderversterben ihrer Eltern als gesetzliche Erbin in den Genuss des ganzen Vermögens kommen. Eine Regelung für den Fall des zeitgleichen Todes wäre aus wirtschaftlicher Sicht entbehrlich. Anders ist es jedoch, wenn - wie hier - ein Erblasser weitere Kinder aus anderen Verbindungen hat. Treffen die Eheleute dann keine Regelung für den Fall des zeitgleichen Todes, so wird das Kind aus der anderen Verbindung gesetzlicher Erbe nach seinem Elternteil. Dies bedeutet z. B. im vorliegenden Fall angesichts des hälftigen Miteigentums der Eheleute an dem Haus, das den wesentlichen Gegenstand der Erbmasse ausmacht, dass der Sohn der Erblasserin aus erster Ehe gesetzlicher Erbe zur Hälfte und folglich in den Genuss eines Viertels des Hauses kommen würde. Nur mit der hier getroffenen Regelung erreichen die Eheleute, dass der Sohn der Erblasserin auch im Fall des gleichzeitigen Todes auf seinen Pflichtteil, also ein Viertel des Nachlasses der Erblasserin gemäß § 2303 Abs. 1 BGB beschränkt wird.
Nur dieses Verständnis vorausgesetzt ergibt auch das Testament vom 28. März 1978, durch das die Erblasserin ihren Sohn enterbt, zwanglos einen Sinn. Würde nämlich das gemeinschaftliche Testament auch den Fall des Nacheinanderversterbens regeln, so wäre er schon durch dieses Testament enterbt. Umgekehrt könnte die Erblasserin durch eigenhändige Testamente auch zu Lebzeiten ihres Ehemannes wechselbezügliche Verfügungen mangels Einhaltung der Formvorschriften nicht widerrufen, § 2271 Abs. 1 BGB. Bei dem dargelegten Verständnis des gemeinschaftlichen Testaments bleibt folglich eine Regelungslücke für den Fall des Nacheinanderversterbens, die die Erblasserin durch ein eigenes Testament schließen konnte.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) die dem gemeinschaftlichen Testament nachfolgenden Testamente der Erblasserin für sich allein kein wesentliches Indiz dafür sein können, dass mit dem gemeinschaftlichen Testament keine wechselbezüglichen Verfügungen zugunsten der Tochter getroffen worden sind. Die spätere Errichtung von Testamenten kann auch Ausdruck der bewussten oder unbewussten Missachtung des gemeinsam geäußerten Willens sein (so BayObLG, FamRZ 1988, 879).
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenseitige Erbeinsetzung zeige, dass die Eheleute eine grundsätzliche Regelung ihres Nachlasses treffen wollten. Die Eheleute waren 1977 63 bzw. 60 Jahre alt. In diesem Alter erscheint es nach der Lebenserfahrung als durchaus möglich, dass die Eheleute in ihre Überlegungen einbeziehen, dass das weitere Leben des Längstlebenden noch Wendungen nehmen kann, die es sinnvoll und notwendig erscheinen lassen, ihm Verfügungsfreiheit zu geben. Zu denken ist z. B. an einen neuen Lebenspartner, aber auch an eine Entfremdung von den eigenen Kindern bei z. B. gleichzeitiger aufopferungsvoller und langjähriger Pflege im Krankheits- und Pflegefall durch einen neuen Partner oder Dritte.
Gegenüber diesen wesentlichen zur Auslegung heranzuziehenden Tatsachen kommt der von der Beteiligten zu 2) als Antragstellerin behaupteten und von ihr zeitlich nicht eingeordneten Erklärung der Eltern, dass ein Testament da sei und sie nach dem Tod Alleinerbin sein solle, keine durchgreifende Bedeutung zu. Eine solche gemeinsame Erklärung der Eltern mag zum Zeitpunkt ihrer Abgabe, die vor dem Tod des Vaters im Januar 1984 gelegen haben muss, durchaus dem Willen der Eheleute entsprochen haben. Dies steht späteren Änderungen nicht entgegen. Auch eine etwaige spätere Erklärung der Erblasserin mag im Moment der Abgabe ernst gemeint gewesen sein. Denn am 10. November 1989, als die Erblasserin ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn das gemeinschaftliche Testament übersandt haben soll, hat sie (erneut) ein Testament verfasst, das ihren Sohn auf seinen Pflichtteil beschränkt, und am 12. November 1989 ein Testament, mit dem sie ihre Tochter als Erbin eingesetzt hat. Solche Erklärungen schließen spätere durch Verfügung von Todes wegen umgesetzte Willensänderungen nicht aus.
Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass in einem Einzelfall entschieden worden ist, dass in der Formulierung "bei unserem gemeinsamen Tod" die Einsetzung der Kinder als Erben des zuletzt versterbenden Ehegatten liegen kann (so BayObLG FamRZ 1988, 879). Denn in dieser Entscheidung wurde tragend darauf abgestellt, dass es sich bei einem anderen Verständnis der Formulierung für die Eheleute aufgedrängt hätte, in einer solchen Sonderregelung für den seltenen Ausnahmefall des gleichzeitigen Todes eine vorangegangene Vermächtnisanordnung zu wiederholen, die ausweislich anderer Anhaltspunkte auf jeden Fall gewollt war.
Obwohl der Sachverhalt hinsichtlich der Auslegung des Testaments geklärt ist, ist es dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht verwehrt, abschließend zu entscheiden und das Amtsgericht zur Erteilung des vom Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins anzuweisen. Es bedarf noch einer abschließenden Feststellung zur Frage der Echtheit des Testaments vom 2. Juni 1990. Da das Amtsgericht hierzu eine umfassende und ausreichende Beweiserhebung durchgeführt hat, übt der Senat das ihm zustehende Ermessen dahin aus, die Sache nicht an das Beschwerdegericht, sondern an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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