Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.01.2004
Aktenzeichen: 5 U 130/03
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 9
BGB § 242
Eine Mistrade - Klausel bei Wertpapiergeschäften verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG,

- wenn sie eine Rückabwicklung des Ausführungsgeschäftes ohne eine Schadensersatzverpflichtung entsprechend § 122 BGB vorsieht oder

- wenn der Kommissionär von seiner Vertragsverpflichtung insgesamt entbunden wird, obwohl der Kommittent an der Durchführung des Auftrags ein erkennbares Interesse haben kann.


Beschluß

5 U 130/03

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch die Richter am Oberlandesgericht am 9. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Es ist beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. II ZPO durch einstimmigen Beschluß als unbegründet zurückzuweisen, weil sie keine Erfolgsaussicht bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.

Dem Berufungskläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

Die Berufung hat im Ergebnis keine Erfolgsaussichten.

I.

Am 31. Juli 2002 um 19.30.04 Uhr kaufte der Kläger 400 Stück Hebelzertifikate BNP GmbH Lif-Bear-Dax" des Anbieters Paribas, WKN 673071 über die Handelsplattform Live-Trading der Beklagten zum Preis von 11,22 € je Stück. Einschließlich Gebühren betrug der Aufwand 4.497,00 €.

Am 1. August 2002 um 9.15.45 Uhr wurden die Wertpapiere wieder an die BNP Paribas verkauft. Der im Internet angezeigte Kurs betrug zu diesem Zeitpunkt 48,88 € je Stück. Tatsächlich betrug der Kurs nur 11,70 €. Bedingt durch die technischen Rahmenbedingungen mussten solche Geschäfte in einem Zeitraum von 5 Sekunden getätigt werden. Der Kläger lieferte daraufhin die Wertpapiere zum Preis von 19.552,00 €. Der Betrag wurde dem Konto des Klägers gutgeschrieben. Am gleichen Tag 9.38.00 Uhr wurde dem Kläger von einem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch mitgeteilt, daß das Geschäft storniert werde aufgrund der Mistrade-Regelungen in den Geschäftsbedingungen für das Direct-Brokerage der Beklagten.

In § 7. 2 der "Allgemeinen und Produktbezogenen Geschäftsbedingungen" der Beklagten, deren Geltung zwischen den Parteien vereinbart worden ist, heißt es insoweit:

"Zur Ausführung der von dem Kunden erteilten Kommissionsaufträge nutzt die c.- bank die von den Handelspartnern oder dritter Seite zur Verfügung gestellten elektronischen Handelssysteme. Die in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Rahmenverträge zum außerbörslichen Handel sehen eine Rückabwicklungsmöglichkeit für den Fall der Bildung nicht marktgerechter Preise vor. Hat danach der Handelspartner dem Geschäft aufgrund einer technisch begründeten Fehlfunktion des Handelssystems oder aufgrund eines Bedienungsfehlers irrtümlich einen falschen Kurs zugrundegelegt, der erheblich und offenkundig von dem zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Geschäfts marktadäquaten Preis - dem Referenzpreis - abweicht (Mistrade) so steht dem Handelspartner gegenüber der c.- bank ein vertragliches Rücktrittsrecht/Aufhebungsrecht zu. In diesem Fall ist auch die c.-bank berechtigt von dem Vertrag mit dem Kunden zurückzutreten. Weitergehende Ansprüche des Kunden gegen die c.- bank oder gegen deren Handelspartner aus einer Anlaß einer solchen Rückabwicklung bestehen nicht."

Mit der BNP war u. a. folgende Regelung mit der Beklagten getroffen worden (§ 4):

(1.)

Die Parteien vereinbaren ein vertragliches Aufhebungsrecht für den Fall der Bildung nicht marktgrechter Preise in dem elektronischen Handelssystem XEOS.

Danach wird BNP Geschäfte aufheben, wenn nur eine der beiden Parteien begründet die Löschung eines Geschäfts (Mistrade)

- aufgrund eines Fehlers im technischen System BNP oder comdirect oder des dritten Netzwerkbetreibers oder

- aufgrund eines Irrtums (z. B. durch Vertippen) bei der Eingabe eines Geld- oder Briefkurses in XEOS

beantragt.

(2.)

Der Mistrade-Antrag kann nur von den Parteien selbst gestellt werden. Die einwendenden Partei hat an den Antrag unverzüglich gegenüber der jeweils anderen Partei geltend zu machen.

Eine fristgerechte Geltendmachung erfolgt, wenn die von der Aufhebung des Geschäfts betroffene Partei auf den Mistrade bis spätestens 5 Minuten nach dem letztmöglichen Handelszeitpunkt für die jeweiligen Wertpapiere des gleichen Bankarbeitstages telefonisch angesprochen wurde.

(3.)

Als marktgerechter Preis für Aktien wird grundsätzlich ein Durchschnittspreis aus den Preisen der letzten drei unmittelbar vor dem fraglichen Geschäft im Handelssystem zustande gekommenen Geschäfte gebildet.

Von einem nicht marktgerechten Preis ist auszugehen, wenn bei der Aktien der Preis des fraglichen Geschäfts um mehr als 5 % vom letzten an der Heimatbörse zustande gekommenen Preises abweicht."

Der Kläger verkaufte die Papiere am 6. August 2002 zu einem Kurs von 14,22 € pro Stück.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Mistrade-Klausel sei unwirksam; die Beklagte hafte für die ordnungsgemäße Erfüllung des Ausführungsgeschäftes. Mit der Klage macht der Kläger einen Betrag von 13.802,00 € geltend, den er berechnet aus dem Gesamterlös von 19.552,00 € abzüglich Kommissionskosten von 80,00 €, von weiteren 4.488,00 € für den Kauf der 400 Zertifikate zu je 11, 22 € sowie abzüglich eines Gewinns aus einem späteren Geschäft in Höhe von 1.182,00 €.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Broker-Konto Nr. 3843612 des Klägers bei der Beklagten einen Betrag von 13.802 € gutzuschreiben nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 14. August 2002.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Mistrade-Klausel für wirksam angesehen und einen Schadensersatzanspruch verneint. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen Anspruch weiterverfolgt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat keine Erfolgsaussichten. Es handelt sich bei dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft entgegen der Ansicht des Klägers nicht um ein Festpreisgeschäft (1); jedoch ist dem Kläger darin zuzustimmen, daß die Mistrade-Klausel unwirksam ist (2); dies kann der Klage jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, weil dem Anspruch auf Wiedereinbuchung die auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Einwendung des "dolo agit qui petit quod statim redditurus est" aus § 242 BGB entgegensteht (3).

1. Der Kläger kann seine Klage nicht mit Erfolg darauf stützen, daß es sich bei dem abgeschlossenen Geschäft um ein Festpreisgeschäft handelte. Der Kläger übersieht, daß Wertpapiergeschäfte gem. AGB-WP Geschäfte 1 Absatz 1 Satz 1 regelmäßig Kommissionsgeschäfte sind und Abweichendes daher grundsätzlich vereinbart werden muß (Baumbach/Hopt, HGB 51. Aufl.,(8) AGB-WP Geschäfte 1 Rdn. 1; BGH ZIP 2002, 1436, 1437). Es kommt hinzu, daß die Beklagte berechtigt war, nicht nur den Kurswert für die Hebelzertifikate in Rechnung zu stellen, sondern darüber hinaus eine Provision. Dem hat der Kläger selbst dadurch Rechnung getragen, daß er diese Kosten bei seiner Berechnung der Klageforderung in Abzug gebracht hat. Können aber Provisionen in Anrechnung gebracht werden, dann spricht dies deutlich gegen ein Festpreisgeschäft, weil ein solches voraussetzt, daß die Parteien keine zusätzlichen Gebühren für eine Geschäftsbesorgung in Rechnung stellen dürfen. Damit ist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als ein im Effektengeschäft übliches Kommissionsgeschäft (Kümpel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 104 Rdn 106 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. Rdn. 10.27) zu beurteilen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27. Januar 2000 - 6 U 168/98, auf welche sich der Kläger beruft. In dem dort entschiedenen Fall waren nämlich die Käufe als Festpreisgeschäfte getätigt worden (Tatbestand S. 4).

Der Kläger kann sich auch nicht - mit dem Landgericht München I ( 6 o 5426/00 - Urteil vom 14. 09. 2000) auf eine Kursgarantie berufen. Die Beklagte garantiert in ihrer Werbung lediglich, im Sekunden- oder Echtzeithandel Ausführungskurse, zu denen Kunden binnen fünf Sekunden, nachdem die Beklagte ihnen den Kurs mitgeteilt hat, Geschäfte abschließen können. Sinn dieser Garantie ist es, die Kunden vor negativen Kursbewegungen zu schützen, die sich zwischen der Kursmitteilung und dem Zustandekommen des Geschäftes ergeben können. Auch sollen unnötige Kosten die bei Setzung eines Kurslimits anfallen können, hierüber vermieden werden. Der Abschluß eines Festpreisgeschäftes ist darin nicht zu sehen (BGH ZIP 2002, a.a.O.).

Angesichts des Verkaufs der Papiere am 6. August 2002 zu einem Preis von 14,22 € je Stück kann der Kläger sich auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch stützen.

2. Die Regelung in § 7 Ziffer 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG. Sie unterliegt der Inhaltskontrolle als Allgemeine Geschäftsbedingung und verstößt zunächst gegen das gesetzliche Leitbild des § 122 BGB. Die Regelung des § 7.2 der Allgemeinen und Produktbezogenen Geschäftsbedingungen ermöglichen eine Rückabwicklung des Ausführungsgeschäftes ohne eine Schadensersatzverpflichtung entsprechend § 122 BGB vorzusehen. Den Kunden der Beklagten drohen aber erhebliche Vermögensschäden, wenn sie im etwa Daytrading, für das die Kursgarantie der Beklagten im Sekundenhandel insbesondere gilt, Gewinne sofort in neue Geschäfte investieren, dabei verlieren und sodann das erste, "gewinnbringende" Geschäft rückabgewickelt wird (so schon BGH ZIP 2002, 1436, 1439). Es kommt hinzu, dass sich die Beklagte über die Mistrade-Regelung von ihren Vertragsverpflichtungen als Kommissionärin gegenüber ihrem Kommittenten einseitig lösen kann und sich von ihrer Auftragsverpflichtung insgesamt befreit, obwohl der Kommissionsvertrag selbst nicht fehlerhaft gewesen ist und der Beklagten auch nicht etwa ein Anfechtungsrecht zugestanden hätte. Bei einem Fehler in der Vertragsabwicklung bei der BNP wäre die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht berechtigt, das Vertragsverhältnis unter Berufung auf einen Irrtum der BNP zu lösen. Denn sie hat als Kommissionärin lediglich das aus dem Kommissionsgeschäft Erzielte an den Kläger abzuführen. Im übrigen ist der Kommissionär, wenn bei einer Verkaufskommission der Verkaufspreis nicht erzielt werden kann, dann seiner Pflichten nicht ohne weiteres entledigt, wie § 386 HGB zeigt, sondern es hat der Kommissionär vielmehr grundsätzlich unter Wahrung der Interessen des Kommittenten (§ 384 I HS 2 HGB) von diesem gegebenenfalls Weisungen einzuholen, wie der Verkauf abgewickelt werden soll. Gegen dieses gesetzliche Leitbild des Kommissionsvertrages verstößt die Regelung in § 7.2 ebenfalls. Dem steht nicht entgegen, daß das Kommissionsgeschäft als Effektengeschäft als entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis im Sinne des § 675 BGB anzusehen ist, welches einen Dienstvertrag zum Gegenstand hat (Kümpel in Schimansky a.a.O. § 104 Rdn. 158; Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl., Rdn. 1822), und grundsätzlich auch nach §§ 627, 626, 621 Nr. 5 kündbar ist, weil die Regelung in den AGB auch abweichend von den §§ 323 a. F. BGB einen Rücktritt des Kommissionärs zuläßt, soweit kein Kündigungsgrund besteht. Sie ist auch unangemessen, weil der Kommittent insbesondere dann ein Interesse an der Durchführung des Geschäftes zu dem wahren Kurs haben kann, wenn dieser die Erwerbskosten übersteigt, die Veräußerung damit gewinnbringend ist und der Kurs nachträglich fällt. Die Klausel ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt unwirksam gem. § 9 Abs. 1 AGBG.

3. Die Beklagte kann jedoch dem Verlangen auf Wiedereinbuchung entgegenhalten, daß der Kläger um den geltend gemachten Betrag ungerechtfertigt bereichert ist (§ 242 BGB). Die Beklagte hat an den Kläger auf der Grundlage des §§ 384 Abs. I HGB den Erlös aus dem Verkauf der Hebelzertifikate der BNP herausgegeben, obwohl der Verkauf auf der Grundlage der zwischen der Beklagten und der BNP geltenden Mistrade-Bestimmung des § 4 rückabgewickelt worden ist. Damit aber hatte die Beklagte nichts mehr aus der Ausführung eines Kommissionsgeschäfts erlangt, was sie an den Kläger hätte herausgeben müssen Daß diese zwischen der Beklagten und der BNP vereinbarte Vertragsbestimmung unwirksam sein könnte, dafür hat der Kläger nichts vorgetragen. Die Gutschrift auf dem Konto stellt sich aus der Sicht des Klägers dar als eine Leistung der Beklagten im Rahmen des bestehenden Kommissionsgeschäftes, so daß der Beklagten ein Anspruch gegen den Kläger aus einer Leistungskondiktion gem. § 812 I Satz 2 1. Alt. BGB zusteht ( Senat 5 U 173/00 - Schlußurteil vom 18. 07. 2002; Hoepner Schl-Anz 2002, 245, 249). Diesen Anspruch kann die Beklagte als Einwendung des "dolo agit qui petit quod statim redditurus est" gem. § 242 BGB entgegenhalten. Danach erweist sich die Klage als nicht begründet.

Die Rechtsfrage, ob die Mistrade-Klausel wirksam ist oder nicht,verhindert nicht das Verfahren nach § 522 Abs. II ZPO, weil jener keine Entscheidungserheblichkeit zukommt (Zöller-Gummer, 24. Aufl. ZPO, § 543 Rdn. 6 a i. V. m. Gummer/Häßler § 522 Rdn. 37); die Rechtssache im übrigen hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 II ZPO).



Ende der Entscheidung

Zurück