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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 10.02.2000
Aktenzeichen: 7 U 146/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 847
Schmerzensgeld steht auch dem Unfallopfer zu, das aufgrund seiner gesundheitlichen Konstitution besonders schmerzanfällig ist.

SchlHOLG, 7. ZS, Urteil vom 10. Februar 2000, - 7 U 146/99 -,

7 U 146/99 3 O 501/96 LG Flensburg


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 10. Februar 2000

Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der Frau ,

Klägerin und Berufungsklägerin,

-Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig-

gegen

1. Herrn ,

2. die ,

Beklagten und Berufungsbeklagten,

-Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Reiche, Berlage und Dr. Ahrens in Schleswig-

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. Mai 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert:

Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 19. Dezember 1996 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin den materiellen und immateriellen Zukunftsschaden aus Anlaß des Verkehrsunfalls vom 27. März 1995 zu ersetzen, soweit er nicht auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger übergegangen ist oder noch übergeht.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin ein Viertel und tragen die Beklagten als Gesamtschuldner drei Viertel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin im Wert von 5.000,00 DM und die Beklagten im Wert von 15.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet, der Verkehrsunfall hat ihre Schmerzen und Beeinträchtigungen ausgelöst.

Die Anhörung der Klägerin hat zur Überzeugung des Senats ergeben, daß sie vor dem Unfall nicht die danach geklagten Schmerzen und Beeinträchtigungen hatte. Sie hat in unmittelbarem zeitlichen Anschluß an den Unfall erste Schmerzen gehabt, es traten ein leichter Schwindel und Übelkeit ein; am Abend des Unfalltags kam es zu starken Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den rechten Arm bis in die Hand; zwei Tage nach dem Unfall traten Schwindelgefühle, beidseitiges Ohrensausen und zusätzlich eine Kraftlosigkeit im rechten Arm und der rechten Hand auf (so die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen).

Daß nach den Ausführungen des Sachverständigen die erlittene mittelschwere Halswirbelsäulenverrenkung (Grad II. nach Erdmann) nach einem Jahr abgeklungen sein müsse, mag aus orthopädischer Sicht richtig sein, ändert aber nichts an der Kausalität des Unfalls im juristischen Sinne eines Auslöseeffekts. Ein Schädiger hat keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als habe er einen bis dahin Gesunden verletzt; eine Zurechnung erfolgt in der Regel auch, wenn der Geschädigte aufgrund von Vorschäden besonders schadensanfällig ist. Daß es ohne den Unfall irgendwann zu gleichen Beschwerden gekommen wäre (nach dem Sachverständigen sog. Insuffizienzbeschwerden durch schlechte muskuläre Führung der Halswirbelsäule), ist eine Frage der Reserveursache, für die die Beklagten mangels gesicherter Feststellungen beweisfällig geblieben sind.

Es handelt sich auch nicht um einen Bagatellfall i.S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, weil die Primärverletzung der Klägerin bei der Entstehung durch den Unfall nicht so unerheblich war, wie dieses für einen Ausnahmefall erforderlich wäre; damit sind nur Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken (vgl. BGH NJW 1998, 810, 811).

Bei der Bemessung des der Klägerin zuzusprechenden Schmerzensgeldbetrags mußten im Rahmen der Billigkeit die vom Sachverständigen genannten Insuffizienzbeschwerden und die darauf beruhenden Risiken Berücksichtigung finden (vgl. BGH aaO). Dieses und auf der anderen Seite die Schmerzen, Beschwerden und Beeinträchtigungen, die die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft geschildert hat, führen bei einer Abwägung im Rahmen der Billigkeit zu einer Schmerzensgeldbemessung von insgesamt 15.000,00 DM, so daß der Klägerin über außergerichtlich gezahlte 5.000,00 DM weitere 10.000,00 DM zuzusprechen sind. Mit diesem Betrag, der sich in der Größenordnung ähnlich liegender vom Senat entschiedener Fälle bewegt, sind alle vergangenen und künftigen Schmerzen, Beschwerden und Beeinträchtigungen, so wie die Klägerin sie bei ihrer Anhörung vor dem Senat geschildert hat, auch mit der fehlenden Besserungstendenz, abgegolten (zu der Schilderung der Klägerin siehe den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 20. Januar 2000).

Mit dem Feststellungsausspruch zur Ersatzpflicht der Beklagten für künftige immaterielle Schäden sind nur solche erfaßt, die bei dem jetzigen Beschwerdebild der Klägerin nicht voraussehbar sind.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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