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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 19.12.2000
Aktenzeichen: 8 UF 201/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 138 I | |
BGB § 1572 | |
BGB § 1573 | |
BGB § 1585 c |
SchlHOLG, 1. FamS, Urteil vom 19. Dezember 2000, - 8 UF 201/99 -
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
8 UF 201/99 53 F 116/98 Amtsgericht
Verkündet am: 19. Dezember 2000
Justizsekretär z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache (nachehelicher Unterhalt)
der Frau
- Antragsgegnerin/Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Herrn
- Antragsteller/Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 27. Juni 2000 wird aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen den Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Ziffer III) in dem Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 31. August 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Termin vom 27. Juni 2000 verursachten Kosten, die dieser zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien hatten am 18. Dezember 1992 die Ehe geschlossen. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen.
Für die am 1961 geborene Klägerin war es die zweite Ehe. Aus ihrer ersten Ehe stammen zwei Kinder, die sich in einer Pflegefamilie befinden. Die Klägerin hat den Beruf einer Verkäuferin erlernt. Während des Zusammenlebens der Parteien hat sie überwiegend Sozialleistungen erhalten. Sie leidet unter schweren Depressionen, insulinpflichtigem Diabetes, chronischer Pankreatitis und ist im Jahre 1994 an einem Zervix-Karzinom operiert worden. Zurzeit bezieht sie Sozialhilfe.
Der am 1959 geborene Beklagte war bis zum August 1997 Angestellter der Post. Das Arbeitsverhältnis ist einvernehmlich aufgelöst worden, der Beklagte hat eine Abfindung erhalten. Bis Juni 1998 hat er Arbeitslosengeld erhalten, danach wegen einer Umschulungsmaßnahme bis April 2000 Unterhaltsgeld. Er sollte zum Versicherungskaufmann ausgebildet werden. Danach hat er etwa 1 1/2 Monate eine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Seit September 2000 ist er arbeitslos.
Die Parteien haben sich im April 1996 getrennt. Am Juli 1997 schlossen sie eine notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung, in der unter anderem ein Verzicht auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt vereinbart worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde des Notars in vom Juli 1997 (Bl. 7 bis 10 d. A.) Bezug genommen.
Das Scheidungsverfahren ist rechtshängig seit Oktober 1998. Die Klägerin hat im Verbund nachehelichen Unterhalt verlangt und beantragt, den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 1736 DM monatlich zu verurteilen. Das Familiengericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag auf Ehegattenunterhalt zurückgewiesen. In den Gründen heißt es, die Klägerin habe gemäß § 1585c BGB wirksam auf Ehegattenunterhalt verzichtet. Sie sei bereits bei Eheschließung krank und nicht erwerbsfähig gewesen. Somit wäre sie auch ohne Eheschließung sozialhilfebedürftig gewesen. Im Übrigen sei die Ehe relativ kurz gewesen.
Das Verbundurteil ist im Scheidungsausspruch rechtskräftig seit März 2000.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, der Unterhaltsverzicht gehe zu Lasten der Allgemeinheit und sei deswegen sittenwidrig.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie ab März 2000 nachehelichen Unterhalt von monatlich 1150 DM zu zahlen.
Der Beklagte ist im Termin vom 27. Juni 2000 säumig geblieben. Auf Antrag der Klägerin ist er durch Versäumnisurteil vom gleichen Tage antragsgemäß zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verurteilt worden. Hiergegen hat er rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Der Beklagte trägt vor, die Parteien seien sich bei Abschluss des Scheidungsfolgenvertrages nicht bewusst gewesen, dass die Klägerin zu Lasten des Sozialhilfeträgers auf Unterhalt verzichte. Er habe damals nicht gewusst, dass sie Sozialhilfe beziehe. Nunmehr sei er leistungsunfähig. Er habe die Abfindung inzwischen verbraucht, weil er davon den Trennungsunterhalt für die Klägerin sowie weitere Verbindlichkeiten habe bezahlen müssen. Auch habe er in der Zeit von September 1997 bis zum 13. Februar 1998 davon leben müssen, weil er in dieser Zeit kein Arbeitslosengeld erhalten habe. Die berufliche Umschulungsmaßnahme sei fehlgeschlagen. Er habe sich überfordert gefühlt. Bei der Post sei er als Arbeiter tätig gewesen, eine Berufsausbildung habe er bisher nicht gehabt. Nunmehr sei er wirtschaftlich am Ende.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 27. 6. 2000 aufrechtzuerhalten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 27. Juni 2000 ist gemäß § 343 ZPO aufzuheben, weil die Berufung der Klägerin unbegründet ist. Sie hat derzeit keinen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 1572 oder 1573 BGB, weil der Beklagte nicht leistungsfähig ist. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung, also der 1. März 2000.
Allerdings hat die Klägerin nicht wirksam auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Das ist im Hinblick auf Abänderungsmöglichkeiten gemäß § 323 ZPO, die auch bei klagabweisenden Urteilen bestehen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 323 Rdnr. 22), festzustellen.
Nach § 1585c BGB können Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen, insoweit besteht grundsätzlich Formfreiheit. Jedoch ist ein solcher Unterhaltsverzicht wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn er für die Vertragsparteien erkennbar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Verzichtenden führt, auch wenn er nicht auf einer Schädigungsabsicht der Ehegatten zu Lasten des Sozialhilfeträgers beruht (BGH FamRZ 83, 137, 139; 92, 1403). Maßgeblich kommt es auf den aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter der Vereinbarung an, wobei Beurteilungszeitpunkt der Vertragsabschluss ist (OLG Düsseldorf FamRZ 96, 734, 735). Im Zeitpunkt des Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung war die Klägerin nicht erwerbstätig, sie war seit 1995 fast ständig arbeitsunfähig krank. Das war dem Beklagten bekannt. Ob er gewusst hat, dass sie bei Abschluss der Vereinbarung Sozialhilfe bezogen hat, ist nicht entscheidend. Ihm war der Krankheitsverlauf der Klägerin bekannt, für die Annahme, dass sie bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung gesund und arbeitsfähig gewesen sei, hat er keine konkreten Anhaltspunkte vortragen können. Für die Unwirksamkeit der Vereinbarung ist es ausreichend, dass der Beklagte in Kauf genommen hat, dass die Klägerin infolge des Unterhaltsverzichts der Allgemeinheit zur Last fallen würde. Das ist hier ohne weiteres anzunehmen und hat sich auch tatsächlich bestätigt.
Die Ansicht des Familiengerichts, der Unterhaltsverzicht sei nicht sittenwidrig, weil die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung auch ohne Eheschließung sozialhilfebedürftig geworden wäre, ist nicht zutreffend. Denn die Klägerin hätte im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung kraft Gesetzes Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten gehabt, die unabhängig davon bestehen, ob sie bereits bei Eheschließung sozialhilfebedürftig gewesen ist. Es kommt allein auf die Frage an, ob dieser Verzicht wirksam ist oder nicht.
Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin scheitert jedoch zurzeit an der mangelnden Leistungsfähigkeit des Beklagten. Der Beklagte hat bis zum 28. September 1999 Unterhaltsgeld bezogen, welches im Monatsdurchschnitt 1437 DM betragen hat. In der Zeit danach hat er bis etwa Mai 2000 als Versicherungsvertreter gearbeitet und unter Berücksichtigung von Vorschüssen etwa 1613 DM monatlich brutto verdient. Danach hat er noch einmal vom 15. Juli bis zum 31. August 2000 gearbeitet und im Monatsdurchschnitt etwa 2100 DM verdient, wobei allerdings Fahrtkosten nach einer einfachen Entfernung von 30 km zum Arbeitsplatz abzuziehen sind, das wären etwa 500 DM monatlich. Damit ist eine Leistungsfähigkeit des Beklagten auch für diese Zeit nicht gegeben. Gleiches gilt auch für die Zeit danach, in der der Beklagte Arbeitslosengeld bezieht.
Die an den Beklagten im Jahre 1997 gezahlte Abfindung von netto 47 582,15 DM kann auf den hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr einkommenserhöhend berücksichtigt werden. Denn der Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass er das Geld verbraucht hat. So hat er in der Zeit von September 1998 bis zur Rechtskraft der Scheidung Trennungsunterhalt von insgesamt etwa 22 350 DM an die Klägerin zahlen müssen. Er hat weiterhin belegt, dass er Verbindlichkeiten in folgendem Umfange mit der Abfindung abgelöst hat:
Kredit 7 161,24 DM Sollsaldo Girokonto 9/97 7 638,98 DM weitere Verbindlichkeiten 5 000,00 DM Mietüberweisung für die Klägerin 800,00 DM Darlehensrückzahlung an den Vater 1 000,00 DM Verbindlichkeiten beim Versand 4 167,77 DM Restschuld Bank 9 296,50 DM insgesamt 35 064,49 DM.
Damit steht fest, dass die Abfindung im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung verbraucht war. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin scheitert somit derzeit an der mangelnden Leistungsfähigkeit des Beklagten.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin derzeit keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 344 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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