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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 01.08.2000
Aktenzeichen: 8 UF 230/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1587 c Nr. 1 | |
BGB § 1603 |
SchlHOLG, 1. FamS, Beschluß vom 01. August 2000, - 8 UF 230/99 -
Beschluss
8 UF 230/99 53 F 188/98 Amtsgericht Norderstedt
Verkündet am: 1. August 2000
Justizsekretär z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache (Scheidung und Folgesachen; hier: Versorgungsausgleich)
der Frau
- Antragsgegnerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig,
gegen
Herrn
- Antragsteller und Berufungsbeklagter-
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig,
beteiligt:
1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in 10704 Berlin,
2. Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein in 23544 Lübeck,
hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lassen, den Richter am Oberlandesgericht Jacobsen und die Richterin am Oberlandesgericht Krönert
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 9. November 1999 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziffer II) geändert und wie folgt neu gefasst:
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; es verbleibt bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 4241,28 DM.
Gründe
Die Parteien hatten am 31. August 1989 die Ehe geschlossen. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Der Scheidungsantrag des Ehemannes ist am 2. März 1999 zugestellt worden.
Der am ... 1951 geborene Ehemann hat zunächst den Beruf eines Fotolaboranten erlernt, danach den Beruf eines Groß- und Außenhandelskaufmanns. Während der Ehe war er zeitweise selbständig tätig. Zurzeit bezieht er eine bis zum 31. Juli 2000 befristete Erwerbsunfähigkeitsrente und arbeitet nebenbei als mobiler Hausmeister bei einer Hausverwaltung im versicherungsfreien Bereich. Sein Antrag auf Verlängerung der Erwerbsunfähigkeitsrente ist abgelehnt worden, dagegen hat er Widerspruch eingelegt.
Die am ... 1939 geborene Ehefrau ist Büroangestellte gewesen. Sie bezieht seit ihrem 60. Lebensjahr eine Altersrente.
In der gesetzlichen Ehezeit (...) haben die Parteien folgende Versorgungsanwartschaften erworben:
Ehemann
laut Auskunft der LVA vom 15.7.1999 eine Rentenanwartschaft von monatlich 286,15 DM; Ehefrau
laut Auskunft der BfA vom 20.7.1998 eine monatliche Rentenanwartschaft von 977,33 DM
sowie laut Auskunft des Audi-Vertriebszentrums Nord vom 29.9.1999 ein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung nach einer Jahresrente von 1014,12 DM, umgerechnet in eine dynamische Rentenanwartschaft monatlich 15,70 DM.
Durch das angefochtene Verbundurteil hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und entgegen dem Antrag der Ehefrau auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs monatliche Rentenanwartschaften von 345,59 DM sowie weitere 7,85 DM zugunsten des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Der Scheidungsausspruch ist rechtskräftig seit dem 11. April 2000.
Gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs richtet sich die Beschwerde der Ehefrau mit folgender Begründung:
Während der Ehezeit von 115 Monaten habe der Ehemann nur 28,75 Monate gearbeitet. Er sei keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen. 56 Monate lang habe er während der Ehe Arbeitslosengeld und Sozialleistungen erhalten. Er befinde sich in einem Alter, in dem er genügend Versorgungsanwartschaften erwerben könne. Dagegen betrage ihr Renteneinkommen insgesamt 1699,46 DM, wovon sie derzeit noch monatlich 277 DM auf Mietschulden der Parteien abtragen müsse. Ihre Rente reiche gerade für ihren Lebensunterhalt aus, weil sie günstig wohne. Bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs würde das Existenzminimum unterschritten werden. Vermögenswerte habe sie nicht, ihre Anwartschaften könne sie auch nicht mehr erhöhen. Der Ehemann habe ihr in den letzten Jahren das Leben zur Hölle gemacht und sie aus der Wohnung geworfen.
Die Ehefrau beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils einen Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfinden zu lassen.
Der Ehemann beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erwidert, persönliche Diffamierungen reichten zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht aus. Sein Versicherungsverlauf weise lediglich Lücken von 24 Monaten auf. Allein die Bedürftigkeit der ausgleichspflichtigen Partei reiche zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht aus. Trennungsauseinandersetzungen seien Vergangenheit.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien im Termin vom 18. Juli 2000 gehört.
Die gemäß § 621e ZPO zulässige Beschwerde der Ehefrau ist in der Sache begründet. Der Versorgungsausgleich ist hier gemäß § 1587c Nr. 1 BGB auszuschließen. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Dazu gehören insbesondere die Fälle, in denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einem Ungleichgewicht in der Versorgungslage führen und dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, für eine ausgewogene soziale Sicherheit beider Eheleute zu sorgen, in unerträglicher Weise zuwiderlaufen würde (BGH FamRZ 81, 756, 757). Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Ausgleichsberechtigte nach Durchführung des Versorgungsausgleichs über höhere Anrechte verfügt als der Ausgleichspflichtige. Auch rechtfertigt eine durch den Versorgungsausgleich eintretende Bedürftigkeit für sich allein nicht die Herabsetzung oder den Ausschluss. Denn der Versorgungsausgleich enthält nicht nur den Gedanken der Sicherstellung der Versorgung im unterhaltsrechtlichen Sinne, sondern auch das Prinzip der Aufteilung des in der Ehe gemeinsam Erwirtschafteten. Jedoch rechtfertigt die eigene Bedürftigkeit des Ausgleichspflichtigen dann einen Ausschluss, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat oder noch erwerben kann, während der Verpflichtete dringend auf seine Versorgung angewiesen ist (BGH FamRZ 81, 130, 132). Das ist hier der Fall, denn die Ehefrau ist auf ihre Renteneinkünfte dringend angewiesen und würde bei Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) fallen, der nach den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts derzeit bei 1400 DM monatlich liegt. Die Ehefrau bezieht derzeit eine Rente von insgesamt 1699,46 DM, nämlich 1611,50 DM von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und 87,90 DM aus der betrieblichen Altersversorgung. Zieht man hiervon den von dem Familiengericht errechneten Ausgleichsbetrag von insgesamt 353,44 DM ab, würden noch 1346,02 DM verbleiben.
Demgegenüber hat der Ehemann bisher zwar nur Rentenanwartschaften von insgesamt 1006,61 DM monatlich erworben, aufgrund seines Alters kann er jedoch noch in ausreichendem Maße weitere Rentenanwartschaften erwerben, während das für die Ehefrau nicht mehr gilt. Der Ehemann ist jetzt 49 Jahre alt, kann also bis zum Rentenalter noch fast 16 Jahre erwerbstätig sein. Aus gesundheitlichen Gründen ist er daran nicht gehindert, denn die vorübergehend gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente beruht nach seiner Darstellung darauf, dass er infolge der durch Trennung und Scheidung aufgetretenen Probleme vorübergehend psychisch erkrankt sei. Der Umstand, dass die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein eine Verlängerung der Erwerbsunfähigkeitsrente abgelehnt hat, spricht für einen Wegfall der Erwerbsunfähigkeit des Ehemannes. Dieser hat auch bei seiner Anhörung bekundet, dass er wieder arbeiten wolle, derzeit arbeitet er schon im versicherungsfreien Bereich. Unter diesen Umständen ist damit zu rechnen, dass der Ehemann bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres durch Erwerbstätigkeit zusätzliche Rentenanwartschaften erwerben kann, die jedenfalls zu einer Altersversorgung in der Höhe führen, wie sie die Ehefrau derzeit erhält. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs würde deswegen zu einem nicht gerechtfertigten Ungleichgewicht in der Versorgungslage der Parteien führen, so dass ein Ausschluss gemäß § 1587c Nr. 1 BGB gerechtfertigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93a Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 17a Nr. 1 GKG (345,59 DM + 7,85 DM x 12 Monate).
Ende der Entscheidung
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