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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 18.09.2006
Aktenzeichen: 1 Ss 392/06
Rechtsgebiete: StPO, GVG
Vorschriften:
StPO § 218 | |
GVG § 185 Abs. 1 Satz 1 |
2. An die rechtsfehlerfrei im Urteil getroffene Feststellung des Tatrichters, wonach ein ausländischer Angeklagter der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist, um ohne Zuziehung eines Dolmetschers an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können, ist das Revisionsgericht gebunden.
Oberlandesgericht Stuttgart Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 1 Ss 392/06
in der Strafsache
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat in der Revisionshauptverhandlung vom 18. September 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am OLG - als Vorsitzender - Richter am OLG Richter am LG - als beisitzende Richter -
Oberstaatsanwalt - als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft -
Rechtsanwalt - als Verteidiger -
Justizsekretär - als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle -
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 15. Februar 2006 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe:
I.
Der Strafrichter des Amtsgerichts hat den Angeklagten am 15. Februar 2006 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.
Das Amtsgericht hat festgestellt:
Am 13.09.2005 gegen 21:45 Uhr hatte der Angeklagte ca. 28 Gramm Marihuana wissentlich und willentlich auf dem Bahnhofsvorplatz in bei sich, wobei er wusste, dass er die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis nicht besaß.
II.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte (Sprung) - Revision des Angeklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Mit der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer geltend, das Gericht habe, obwohl es hierzu verpflichtet gewesen sei, den von ihm gewählten Verteidiger zum Termin vom 15. Februar 2006 nicht geladen. Der Beschwerdeführer sei deshalb in der Hauptverhandlung trotz Beauftragung eines Verteidigers nicht verteidigt gewesen. Die Anzeige von dem Verteidigungsverhältnis sei in Unkenntnis der Anklageerhebung mit Schreiben vom 8. Februar 2006 an die Staatsanwaltschaft gesandt worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte im Beisein seines Verteidigers anders verteidigt hätte.
Die Rüge der Verletzung des § 218 StPO ist damit in zulässiger Weise (vgl. BayObLG NStZ-RR 1996, 245) erhoben.
Die Rüge ist jedoch nicht begründet. Zur Ladung des gewählten Verteidigers war das Amtsgericht entgegen der Auffassung der Revision weder verpflichtet noch (mangels Kenntnis von der Verteidigerwahl) in der Lage. Nach dem Wortlaut des § 218 StPO entsteht die Verpflichtung des Gerichts zur Ladung des gewählten Verteidigers dann, wenn die Wahl "dem Gericht" angezeigt worden ist. Dies war nach dem Revisionsvorbringen nicht der Fall.
Auch liegt keine der von der Rechtsprechung zugelassenen Fallgestaltungen vor, in welchen eine an die Ermittlungsbehörden gerichtete Verteidigungsanzeige die selbe Wirkung hat, als sei sie gegenüber dem Gericht erfolgt:
Zwar ist allgemein anerkannt, dass über den Wortlaut des § 218 StPO hinaus die Pflicht des Gerichts zur Ladung des gewählten Verteidigers auch durch eine bereits im Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizeibehörde gerichtete Verteidigungsanzeige begründet wird (OLG Köln VRS 98, 138; OLG Hamm VRS 41, 133). Beim späteren Übergang des Verfahrens auf das Gericht befindet sich die Verteidigungsanzeige regelmäßig in den Akten, so dass das Gericht von dem Verteidigungsverhältnis ebenso problemlos Kenntnis nehmen und den Verteidiger laden kann wie wenn sich der Verteidiger erst im gerichtlichen Verfahren legitimiert hätte.
Noch weitergehend wird in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen der Beschuldigte bzw. Betroffene von einem mittlerweile erfolgten Übergang des Verfahrens von der Ermittlungsbehörde auf das Gericht noch keine Kenntnis hatte, seiner Verteidigungsanzeige, die er in Unkenntnis des Verfahrensüberganges an die früher zuständig gewesene (inzwischen nicht mehr aktenführende) Ermittlungsbehörde gerichtet hat, dieselbe Wirkung zugesprochen, als sei die Verteidigungsanzeige, dem Wortlaut des § 218 StPO gemäß, unmittelbar dem Gericht zugegangen (OLG Karlsruhe Justiz 1974, 134; OLG Celle VRS 58, 372; OLG Koblenz VRS 51, 133; OLG Frankfurt VRS 48, 370; Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, Rdn. 8 zu § 218). Da ein Beschuldigter bzw. Betroffener schutzwürdig erscheint, wenn er alles aus seiner Sicht erforderliche getan hat, um das Gericht rechtzeitig von dem Verteidigungsverhältnis in Kenntnis zu setzen, soll ihm aus dem ohne seine Kenntnis erfolgten Übergang des Verfahrens kein Nachteil erwachsen (BayObLGSt 1978, 63; OLG Karlsruhe Justiz 1974, 134; OLG Koblenz VRS 51, 134; OLG Celle VRS 58, 372; OLG Düsseldorf DAR 1979, 340).
Diese Voraussetzung erfüllt der Angeklagte jedoch nicht. Durch Zustellung der Anklageschrift am 24. Oktober 2005 wurde der Angeklagte vom Übergang des Verfahrens auf das Amtsgericht in Kenntnis gesetzt. Nachdem das Gericht mit Verfügung vom 2. November 2005 zunächst Termin auf den 21. Dezember 2005 bestimmt hatte, erschien dort der Angeklagte persönlich und bat unter Vorlage eines ärztlichen Attestes um Verlegung des Termins um 2 Wochen. Auf diesen Terminsverlegungsantrag hin bestimmte das Amtsgericht neuen Termin auf den 15. Februar 2006. Nachdem dem Angeklagten somit der Übergang des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft auf das Amtsgericht bekannt war, konnte er die Verteidigungsanzeige wirksam nur noch an das Amtsgericht richten. Die Behauptung der Revision, der Angeklagte habe den mit der Anklageerhebung erfolgten Übergang des Verfahrens auf das Gericht aufgrund von Sprachproblemen nicht erkennen können, ist durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem geschilderten Terminsverlegungsantrag widerlegt.
Es besteht kein Anlass, die an sich systemwidrige Möglichkeit, die Verteidigungsanzeige trotz zwischenzeitlich erfolgten Überganges der Zuständigkeit auf das Gericht noch der früher sachbearbeitenden Behörde wirksam mitzuteilen zu dürfen (was die Gefahr in sich birgt, dass das Gericht vom Inhalt dieser Mitteilung möglicherweise nicht mehr rechtzeitig Kenntnis erlangen kann), auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen für den Betroffenen bzw. Angeschuldigten oder seinen Verteidiger die Ungewissheit, wo das Verfahren geführt wird, nicht besteht und er ohne weiteres die richtige Behörde bzw. das zuständige Gericht von der Beauftragung des Verteidigers unterrichten kann. Im Falle der Kenntnis des zuständigen Gerichtes ist der Angeschuldigte nicht schutzwürdig und muss - ebenso wie auch sonst - die Folgen der unrichtigen Adressierung seiner Erklärung selbst tragen (BayObLGSt 1978, 63). Er trägt deshalb das Risiko dafür, dass seine Anzeige so rechtzeitig bei Gericht eingeht, dass der Verteidiger noch zum Hauptverhandlungstermin geladen werden kann.
Auch die in der Rechtsprechung für die Begründung der Ladungspflicht i.S.d. § 218 StPO teilweise zusätzlich geforderte Voraussetzung, dass bei unverzüglicher Weiterleitung der falsch adressierten Verteidigungsanzeige das Gericht zur rechtzeitigen Ladung des Verteidigers noch im Stande gewesen wäre (OLG Karlsruhe Justiz 1974, 134; OLG Hamm VRS 41, 133 läßt dieses Erfordernis seiner Begründung nach (obiter dictum) allein genügen, wobei im konkret entschiedenen Fall der Betroffene aber auch schutzwürdig war, weil seine Verteidiger die Mandatssanzeige noch vor dem Verfahrensübergang an die Verwaltungsbehörde gesandt hatten), erfüllt der Angeklagte nicht:
Nachdem der Angeklagte seinem Verteidiger am 1. Februar 2006 Mandat erteilt hatte, leitete dieser die Vollmacht am 8. Februar 2006 an die Staatsanwaltschaft Ellwangen weiter, wo sie am 9. Februar 2006 bei der Poststelle einging. Bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang wäre zu erwarten gewesen, dass das - nicht als eilig gekennzeichnete - Schriftstück bis Freitag, den 10. Februar 2006 an die Geschäftsstelle übermittelt würde und diese es am nächsten Werktag, also am Montag, den 13. Februar 2006 dem zuständigen Dezernenten vorgelegt hätte. Dies gilt allerdings nur, wenn eindeutig ist, an welchen Dezernenten das Schreiben gerichtet ist. Im vorliegenden Fall konnte nicht von einer Vorlage an den Dezernenten am folgenden Werktag ausgegangen werden, denn der Verteidiger hatte seine Verteidigungsanzeige mit der Verteidigungsanzeige in einem weiteren Verfahren auf dem selben Schriftstück verbunden, von dem er lediglich das polizeiliche Aktenzeichen angegeben hatte. Die Beamten der Geschäftsstelle waren deshalb gehalten, in einem solchen Falle erschwerter Zuordenbarkeit zunächst zu erforschen, ob das weitere Verfahren noch bei der Polizei oder bereits bei der Staatsanwaltschaft geführt wurde und wer für dieses Verfahren gegebenenfalls der Dezernent war. Eine Vorlage des Schreibens des Verteidigers an den zuständigen Dezernenten war deshalb vor Dienstag, den 14. Februar 2006, nicht zu erwarten. Dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang hätte es weiter entsprochen, wenn der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft, sofern er keinen Sitzungsdienst hatte oder auswärtige Ermittlungen durchführen musste, das Schreiben bis 15. Februar 2006 bearbeitete, feststellte, dass bereits Anklage erhoben wurde und die Weiterleitung des Schreibens im Nachgang zu den Akten an das Gericht verfügte. Der Eingang der Verteidigungsanzeige am 16. Februar 2006 beim Amtsgericht entsprach deshalb - zumal sich das Schreiben gleichzeitig auf mehrere Verfahren bezog und auch nicht als eilig gekennzeichnet war - durchaus dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang und ist nicht zu beanstanden.
Nachdem vorliegend der Angeklagte seinen Verteidiger erst am 1. Februar 2006 mit dem Mandat beauftragt hatte, obwohl bereits für den 21. Dezember 2005 der erste Hauptverhandlungstermin angesetzt worden war, der Verteidiger die Vollmacht dann erst am 8. Februar 2006 - und zudem erschwert zuordenbar - an die falsche Behörde sandte, obwohl jedenfalls der Angeklagte wusste, wo das Verfahren anhängig war, haben allein der Angeklagte und sein Verteidiger die Nichtladung des letzteren zum Hauptverhandlungstermin vom 15. Februar 2006 zu vertreten.
2. Mit der Verfahrensrüge macht der Verteidiger weiter den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend.
Er beanstandet, dass entgegen § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG zur Hauptverhandlung kein Dolmetscher zugezogen wurde, obwohl der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Diese Rüge ist nicht begründet. Nach den Feststellungen des Tatrichters im angefochtenen Urteil, an welche das Revisionsgericht gebunden ist, bestanden keine durchgreifenden Verständigungsprobleme mit dem Angeklagten, der sich im übrigen bereits seit 9 Jahren in Deutschland aufhält und davon fünf Jahre im deutschen Strafvollzug verbracht hat.
Bereits dann, wenn der Angeklagte nur teilweise der deutschen Sprache mächtig ist, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu entscheiden, in welchem Umfang er einen Dolmetscher bei der Verhandlungsführung zuziehen will (BGHSt 3, 285; NStZ 2002, 275). Dieses Ermessen kann vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden, ob seine Grenzen eingehalten sind. Nur bei Vorliegen eines Ermessensfehlers können die Verfahrensvorschriften der §§ 185 GVG, 338 Nr. 5 StPO verletzt sein (BGH NStZ 1984, 328). Eine Überschreitung des tatrichterlichen Ermessens ist hier nicht ersichtlich: Der Angeklagte hat nach Überzeugung des Amtsgerichts den Tatvorwurf sehr genau verstanden und sich - aus seiner Sicht entschuldigend - dahingehend verteidigt, dass er Marihuana aus gesundheitlichen Gründen als Medikament benötige und konsumiere.
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Formulierung "keine durchgreifenden Verständigungsprobleme" nicht, dass Verständigungsprobleme vorhanden waren, die die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich gemacht hätten. Nicht durchgreifende Verständigungsprobleme können sich aus dem Vorhandensein eines Akzentes sowie der Erforderlichkeit von Rückfragen oder von langsamerem Sprechen ergeben. In solchen Fällen ist die Zuziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Verteidiger weiter aufgegriffenen Formulierung, der Angeklagte habe darzulegen "versucht", weshalb er weiterhin "Haschisch" (gemeint war Marihuana) konsumiere. Dass ihm diese Darlegung nicht geglückt ist, beruht ersichtlich nicht auf vermeintlichen Sprachproblemen, sondern darauf, dass ihm das Gericht den Inhalt seiner Einlassung, er brauche Marihuana als Medikament, nicht abnehmen wollte.
Für den weiteren Vortrag der Revision, ein Dolmetscher sei auch deshalb zuzuziehen gewesen, weil es "beim Angeklagten nicht unerhebliche Schmerzzustände gibt", bestehen bereits keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte darunter während der Hauptverhandlung gelitten haben könnte. Außerdem wären solche Schmerzzustände, wenn sie während der Hauptverhandlung aufgetreten wären, auch nicht durch die Zuziehung eines Dolmetschers kompensierbar gewesen, sondern hätten die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten in Frage gestellt.
3. Den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO macht der Verteidiger des weiteren auch insoweit geltend, als er rügt, die Hauptverhandlung habe entgegen §§ 140 Abs. 2, 145 Abs. 1 StPO ohne Verteidiger stattgefunden, obwohl ein Fall der notwendigen Verteidigung vorgelegen habe.
Auch diese Rüge ist nicht begründet. Es handelt sich um einen äußerst einfachen Sachverhalt. Auch die Rechtslage ist einfach. Die konkrete Straferwartung lag, auch unter Berücksichtigung des Antrages des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der sechs Monate Freiheitsstrafe gefordert hatte, deutlich unter der Straferwartung, bei welcher aufgrund der "Schwere der Tat" die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.
4. Mit einer weiteren Verfahrensrüge macht der Verteidiger geltend, die Anklage sei trotz fehlender Deutschkenntnisse des Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a MRK nicht in seine Muttersprache übersetzt worden. Dadurch sei der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt worden. Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet, denn nach den Feststellungen des Tatrichters (s.o.) ist der Angeklagte der deutschen Sprache mächtig, so dass es einer Übersetzung der Anklage nicht bedurfte.
5. Mit der Sachrüge greift der Beschwerdeführer die Strafzumessung an:
Das Gericht habe § 47 Abs. 1 StGB falsch angewandt, da es keine "besonderen Umstände" in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters festgestellt habe, welche die Verhängung einer Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten rechtfertigen würden. Dieser Vorwurf ist nicht zutreffend, denn das Gericht hat in seinen Strafzumessungsausführungen darauf abgestellt, dass gegen den Angeklagten seine "mehrfachen, schwerwiegenden, einschlägigen Vorverurteilungen" sprechen und im Hinblick auf diese Vorverurteilungen "zur Einwirkung auf den Angeklagten" die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich sei. Damit hat das Gericht nachvollziehbar besondere Umstände in der Person des Angeklagten festgestellt, welche die Verhängung einer (kurzen) Freiheitsstrafe erforderlich machten. Dass das Gericht die Vorschrift des § 47 Abs. 1 StGB nicht zitiert hat, ist unschädlich.
Unschädlich ist auch, dass das Gericht den Strafrahmen, dem es die Freiheitsstrafe von drei Monaten entnommen hat, nicht ausdrücklich angegeben hat. Gleichwohl steht im vorliegenden Fall nämlich fest, dass der richtige Strafrahmen von einem Monat bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§ 29 Abs. 1 BtMG) angewandt wurde: Das Gericht hat § 29 Abs. 1 BtMG in seiner rechtlichen Würdigung zitiert. Damit blieb hinsichtlich des Strafrahmens nur die Wahl zwischen dem Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG und dem Ausnahmestrafrahmen für besonders schwere Fälle gemäß § 29 Abs. 3 BtMG. Dass das Amtsgericht hier richtig den Regelstrafrahmen und nicht etwa den Ausnahmestrafrahmen für besonders schwere Fälle angewandt hat, ergibt sich aus der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
Einen Fehler enthält die Strafzumessung insofern, als die Vorverurteilung Nr. 1 im Vorstrafenverzeichnis (Urteil des Amtsgerichts vom 9. April 1996, Verstoß gegen das Asylverfahrensgesetz in zwei Fällen; 25 Tagessätze Geldstrafe) in Unkenntnis des Umstandes, dass im Wiederaufnahmeverfahren zwischenzeitlich Freispruch erfolgt war, bei der Strafzumessung als verwertbar betrachtet wurde. Damit liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 StGB vor, denn die Vorverurteilung war nach Rechtskraft des Freispruches im Wiederaufnahmeverfahren nicht mehr existent und wäre aus dem Zentralregister gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 BZRG zu entfernen gewesen. Angesichts der Geringfügigkeit dieser - zudem nicht einschlägigen - Verurteilung im Verhältnis zu den Vorverurteilungen Nr. 3 und Nr. 4 (jeweils Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u.a.), aufgrund derer der Angeklagte bereits insgesamt fünf Jahre Freiheitsstrafe verbüßen musste, und des Umstandes, dass nach dem Wortlaut der Strafzumessungsgründe nur die "mehrfachen, schwerwiegenden einschlägigen Vorverurteilungen" gegen den Angeklagten sprachen, die Vorverurteilung Nr. 1 mithin keinerlei Gewicht hatte, vermag der Senat jedoch auszuschließen, dass das Amtsgericht eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn es von dem Wiederaufnahmeverfahren bezüglich der Vorverurteilung Nr. 1 und seinem Ergebnis gewusst und damit den Wegfall dieser Vorverurteilung gekannt hätte.
Dass das Gericht dem Angeklagten aufgrund seiner weiterhin bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit und angesichts seiner erheblichen einschlägigen Vorstrafen eine negative Prognose gestellt hat und deshalb keine Strafaussetzung zur Bewährung bewilligen konnte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die weitere Überprüfung des Urteils ergibt keinen Rechtsfehler, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte.
Ende der Entscheidung
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