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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: 17 AR 7/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GVG, FGG
Vorschriften:
BGB § 1909 | |
BGB § 1693 | |
BGB § 1697 | |
BGB § 1915 Abs. 1 | |
ZPO § 36 Nr. 6 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1 | |
GVG § 23 b Abs. 1 Nr. 2 | |
FGG § 35 |
Für das Verfahren über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB ist grundsätzlich das Vormundschaftsgericht zuständig. Die - kumulative - Zuständigkeit des Familiengerichts gem. §§ 1693, 1697 BGB n.F. besteht nur bei dringendem Handlungsbedarf.
Oberlandesgericht Stuttgart - 17. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluß
Geschäftsnummer: 17 AR 7/00 12 F 964/00 AG Stuttgart
vom 20. September 2000
In der Vormundschaftssache
wegen Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB
hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am OLG Borth,
des Richters am OLG Schwarz und
des Richters am OLG Stößer
beschlossen:
Tenor:
Aus zuständiges Gericht wird das Notariat S. - Vormundschaftsgericht - bestimmt.
Gründe:
I.
Zwischen dem Vater und den Kindern bestehen Unterbeteiligungsverhältnisse am Gesellschaftsanteil des Vaters an der Aufgrund einer durch die Aufgabe der industriellen und gewerblichen Tätigkeit bedingten Veränderung des Zwecks dieser Gesellschaft in eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit wurde der Gesellschaftsvertrag grundlegend überarbeitet. Der Vater trägt vor, daß wegen der Veränderung des Gesellschaftsvertrages der Kommanditgesellschaft auch eine Neufassung der Unterbeteiligungsverträge erforderlich sei. Soweit eine Vertretung der Kinder durch einen Ergänzungspfleger für erforderlich gehalten werde, wird eine diesbezügliche Bestellung beantragt. Weiterhin sollen zwischen dem Vater und den Kindern neue Unterbeteiligungsverträge über Gesellschaftsanteile des Vaters an separaten Vermögensverwaltungsgesellschaften abgeschlossen werden. Auch insoweit wird die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt.
Das Notariat S. - Vormundschaftsgericht - hat sich durch Beschluß vom 22. Mai 2000 (7 GRN 522/00) für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft im Sinne von § 1909 BGB für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Stuttgart - Familiengericht - weitergeleitet. Das Amtsgericht Stuttgart - Familiengericht - hat sich durch Beschluß vom 31. Mai 2000 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Senat zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1.
Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO durch das Oberlandesgericht zu bestimmen.
a) Bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen einem Vormundschaftsgericht und einem Familiengericht, die innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterschiedlichen Verfahrensordnungen unterliegen, ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (BGHZ 78, 108, 110; BayObLGZ 1994, 91, 92; Zöller-Vollkommer, 21. Aufl., § 36 ZPO Anm. 29; Thomas/Putzo, 20. Aufl., § 36 ZPO Anm. 22), wenn der negative Kompetenzkonflikt darum geht, ob das Verfahren eine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO betrifft oder der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts (§ 35 FGG in Verbindung mit § 36 baden-württ. LFGG) zuzuordnen ist.
b) Zuständig für die Gerichtsstandsbestimmung ist gemäß § 36 Nr. 6 ZPO das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht. Das ist hier das Oberlandesgericht Stuttgart.
Für die Beurteilung, welches Gericht als das im Rechtszug zunächst höhere anzusehen ist, ist maßgeblich auf die Rechtsmittelzuständigkeit in der konkreten Verfahrensart abzustellen (vgl. BGHZ 104, 363/366). Ist nach den in Betracht kommenden Verfahrensordnungen kein gemeinsames Rechtsmittelgericht gegeben, dann ist der allgemeine Gerichtsaufbau nach dem Gerichtsverfassungsgesetz maßgebend (vgl. BGH NJW 1979, 2249). In dem hier vorliegenden Fall ist für das Vormundschaftsgericht das Landgericht Stuttgart als Beschwerdegericht zuständig (§ 19 FGG), während für das Familiengericht die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts - Familiensenat - gegeben ist (§§ 621 a Abs. 1 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO). Da das Oberlandesgericht im allgemeinen Gerichtsaufbau gegenüber dem Landgericht das nächsthöhere Gericht ist, fällt ihm die Kompetenz zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zu.
2.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO liegen vor, da sich das Notariat S. - Vormundschaftsgericht - durch Beschluß vom 22. Mai 2000 und das Amtsgericht S - Familiengericht - durch Beschluß vom 31. Mai 2000 für sachlich unzuständig erklärt haben. Nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen reicht die tatsächlich erklärte und verbindlich gewollte Kompetenzleugnung für eine "rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung im Sinne des § 36 Nr. 6 ZPO aus (BGHZ 78, 108, 111; BGHZ 104, 363/366 m.w.N.).
3.
Zuständig ist das Vormundschaftsgericht
Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist gemäß §§ 1909, 1915 Abs. 1 BGB der originären Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts zugewiesen. Der Gesetzgeber hat an dieser Zuständigkeitsregelung durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz keine Änderung vorgenommen. Deshalb läßt sich aus dem vom Gesetzgeber im Kindschaftsrechtsreformgesetz vorgenommenen Wechsel der Zuständigkeit in §§ 1693, 1697 BGB n.F. vom Vormundschaftsgericht zum Familiengericht entgegen der vermehrt in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG Stuttgart - 18. ZS - FamRZ 1999, 1601 - der 18. Zivilsenat hält an dieser Auffassung jedoch nicht mehr fest -; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 243; BayObLG - 4. ZS - FamRZ 2000, 158 f.; BayObLG - 1. ZS - FamRZ 2000 1111, 1113) nicht ableiten, daß der Gesetzgeber eine allgemeine kumulative Zuständigkeit des Familiengerichts anordnen oder gar dem Familiengericht die alleinige Zuständigkeit für die Anordnung von Ergänzungspflegschaften gemäß § 1909 BGB zuordnen wollte. Vielmehr betrifft die Veränderung der Zuständigkeit in § 1693 BGB nur dessen Regelungsbereich. Dies folgt sowohl aus der amtlichen Begründung als auch aus dem Umkehrschluß zum Regelungsgehalt des § 1697 BGB n.F.. Der Normzusammenhang weist aus, daß diese Vorschriften nur für das Eingreifen des Familiengerichts bei dringendem Handlungsbedarf vorgesehen sind, während es in den übrigen Fällen rechtlicher oder tatsächlicher Verhinderung bei der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts für die Pflegschaftsanordnung verbleibt (Kraiß BWNotZ 1999, 50, Anm. zum Beschluß des OLG Stuttgart - 18. ZS - vom 16.12.1998; Zorn, Die Zuständigkeit des Familiengerichts für die Anordnung der Pflegschaft, FamRZ 2000, 719 f.; Bestelmeyer, Die unsinnige [Nicht]Zuständigkeit des Familiengerichts bei Anordnung von Ergänzungspflegschaften, FamRZ 2000, 1068 f., OLG Stuttgart - 16. ZS -, Beschluß vom 15.11.1999, 16 AR 9/99 [nicht veröffentlicht]; OLG Karlsruhe OLG Report 2000, 244, 245; Bienwald, Anm. zum Beschluß des OLG Stuttgart - 18. ZS - vom 16.12.1998, FamRZ 1999, 1602). Da im vorliegenden Fall für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ein besonderes Eilbedürfnis weder dargetan noch erkennbar ist, verbleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeit des Notariats S. - Vormundschaftsgericht - für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.
Ende der Entscheidung
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