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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 17 UF 318/05
Rechtsgebiete: IntFamRVG, HKiEntÜ
Vorschriften:
IntFamRVG § 44 | |
HKiEntÜ Art. 12 | |
HKiEntÜ Art. 13 |
Oberlandesgericht Stuttgart 17. Zivilsenat - Familiensenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 17 UF 318/05
vom 6. April 2006
In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
betreffend die Rückführung des Kindes
Kind der nicht miteinander verheirateten Eltern
hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Strohal, des Richters am Oberlandesgericht Streicher und der Richterin am Oberlandesgericht Wönne
beschlossen:
Tenor:
Die Schuldnerin/Mutter des Kindes ist durch vollstreckbare Rückführungsanordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart (20 F 1982/05) vom 08.12.2005 nach Maßgabe des ihre Beschwerde zurückweisenden Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart (17 UF 318/05) vom 27.01.2006 verpflichtet, das Kind T., geb. am 1999, dem Vater zum Zwecke der Rückführung des Kindes nach Italien herauszugeben.
I. In Vollzug der Rückführungsanordnung wird:
1. Gegen die Schuldnerin Ordnungshaft von 1 (einem) Monat Dauer angeordnet (§ 901 ZPO). Der Vollzug der Haft kann durch freiwillige Herausgabe des Kindes an den Vater oder eine von ihm bestimmte Person abgewendet werden,
2. der Vollstreckungsbeamte ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe des Kindes an den Vater Gewalt (auch gegen das Kind) zu gebrauchen,
3. der Vollstreckungsbeamte zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung der Schuldnerin in S. ermächtigt,
4. der Vollstreckungsbeamte zur Hinzuziehung polizeilicher Vollzugsorgane ermächtigt,
5. das Jugendamt S. damit betraut,
a) Vorkehrungen zur Gewährleistung der sicheren Rückgabe des Kindes T. an den Vater zu treffen, insbesondere auch
b) das Kind nach Vollzug der Herausgabe bis zur Abholung durch den Vater in die Obhut einer für geeignet befundenen Stelle oder Person zu geben.
II. Der Schuldnerin wird für den Fall weiterer Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu zwei Monaten Dauer angedroht.
III. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens einschließlich der Rückführungskosten.
IV. Eine Vollstreckungsklausel ist für die Vollziehung nicht erforderlich.
V. Dem Gläubiger wird Prozesskostenhilfe nach Maßgabe des Bewilligungsbeschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 22.11.2005 auch für das Vollstreckungsverfahren bewilligt.
VI. Geschäftswert: € 3.000,00
Gründe:
I.
Die im Wege der Vollstreckung durchzusetzende Verpflichtung der Schuldnerin, das Kind T. zum Zwecke der sofortigen Rückführung an den Gläubiger oder eine von ihm bestimmte Person herauszugeben, beruht auf dem Beschluss des Senats vom 27.01.2006, der sich auf Artt. 12, 13 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKiEntÜ) gründet. Der Beschluss ist rechtskräftig und ohne Vollstreckungsklausel vollstreckbar.
Die Schuldnerin kommt ihrer Verpflichtung nicht nach und verweigert die Herausgabe des Kindes, sodass nunmehr Maßnahmen zur anderweitigen Rückführung des Kindes geboten sind. Der Vater will die Vollstreckung. Die Zuständigkeit des Senats zur Vollstreckung von Amts wegen folgt aus § 44 Abs. 5 IntFamRVG, nachdem er mit Beschluss vom 27.01.2006 die Rückführungsanordnung des Familiengerichts bestätigt hat.
Die Schuldnerin hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 44 IntFamRVG in schuldhafter Weise zu vertreten. Ordnungsmittel können nur festgesetzt werden, wenn der Verpflichtete schuldhaft gegen die im Titel festgesetzte Pflicht zur Handlung, Duldung oder Unterlassung verstoßen hat. Es reicht zur Entlastung der Schuldnerin nicht aus, lediglich die im Verfahren vorgebrachten und von den Familiengerichten verworfenen Argumente zu wiederholen. Tatsächliche Hinderungsgründe zur Befolgung der Rückgabeverpflichtung liegen nicht vor. Jedenfalls kann die Schuldnerin als verpflichtete Person nicht detailliert darlegen, warum sie an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war.
Dabei sieht der Senat von der Festsetzung eines Ordnungsgelds nach § 44 Abs. 2 IntFamRVG mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin ab, weil diese bei der gegebenen Sachlage keinen Erfolg verspricht. Es ist schon deswegen als ungeeignet anzusehen, weil das Ordnungsmittel gegen die einkommens- und vermögenslose Schuldnerin allein wegen Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes versagen muss (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., 2003, § 33 Rn 43 für den vergleichbaren Fall der Festsetzung von Zwangsgeld). Denn die Schuldnerin nimmt zur Sicherung ihres Lebensunterhalts Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Anspruch. Es ist danach davon auszugehen, dass wegen Vermögenslosigkeit dieses Ordnungsmittel nicht geeignet ist, den Willen der herausgabepflichtigen Schuldnerin zu beugen.
Deswegen ist Ordnungshaft von einem Monat Dauer gegen die Schuldnerin zur Bewirkung der Rückgabeverpflichtung festzusetzen.
Weder aus einzelnen noch aus der Gesamtschau aller vorgetragenen Gründe ergibt sich, dass bei der Vollstreckung der Rückgabeverpflichtung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist.
Die von der Schuldnerin geäußerten Bedenken gegen eine Rückführung des Kindes zum Vater nach Italien sind sämtlich bereits im vorausgegangenen Beschwerdeverfahren geprüft und verworfen worden. Sie stehen der Vollstreckung der Rückgabeverpflichtung nicht entgegen. Denn die von der Schuldnerin geschilderten Umstände sind typischerweise mit einer Rückführung zwangsläufig verbundene Beeinträchtigungen des Kindes und als solche auch nicht geeignet, das Vollstreckungsverfahren zu hindern.
Ob eine Vollstreckung der Herausgabeverpflichtung dann abgelehnt werden könnte, wenn eine künftige Sorgerechtsregelung schon evident und außer jedem Zweifel ist, bedarf keiner näheren Prüfung. Im vorliegenden Fall ist das Ergebnis eines sorgerechtlichen Verfahrens weder evident noch überwiegend wahrscheinlich, zumal die Schuldnerin bei den zuständigen italienischen Gerichten wegen der von ihr behaupteten Unzuverlässigkeit des Vaters bis heute keine Maßnahmen zur Regelung des Sorgerechts begehrt hat. Das neuerdings vorgelegte Attest der Kinderärztin Dr. D. vom 15.03.2006 enthält nichts, was dringend besorgen ließe, dass die Vollstreckung der Rückführungsentscheidung mit einer schwerwiegenden Gefahr der körperlichen oder seelischen Schädigung des Kindes verbunden wäre oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage brächte. Zum aktuellen Gesundheitszustand des Vaters, dem das Attest eine nicht näher spezifizierte psychische Erkrankung unterstellt, bleiben die Ausführungen spekulativ, weil sie offensichtlich - ungeprüft und ausschließlich - lediglich auf Schilderungen der Schuldnerin beruhen. Auch die von der Schuldnerin - unbeschadet der Frage ihrer Verwertbarkeit - auszugsweise wiedergegebenen Telefongesprächsaufzeichnungen belegen keine akute psychische Erkrankung des Kindsvaters. Vielmehr sind sie Ausdruck seiner persönlichen Verzweiflung über die Trennung von Kind und Kindsmutter. Selbst die Schuldnerin stuft den Zustand des Vaters derzeit allenfalls als psychisch labil ein (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 28.03.2006). Damit fehlt es an einer aktuellen Gefahr. Hypothetische oder zukünftige Gefährdungslagen für das Kind reichen nicht aus. Dies ergibt sich auch schon daraus, dass im Rahmen der Rückführungsentscheidung in der Hauptsache an die Voraussetzungen des Art. 13 lit. b HKiEntÜ strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Staudinger, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, 1994, Rn 683). Im Vollstreckungsverfahren kann insoweit kein milderer Maßstab angelegt werden.
Bei dieser Sachlage ist im Vollstreckungsverfahren weder ein Sachverständigengutachten zur Frage der Traumatisierung des Kindes einzuholen noch eine Verfahrenspflegschaft für das Kind anzuordnen.
Angesichts der unnachgiebigen Haltung und Einstellung der Schuldnerin, war ihr weitere Ordnungshaft anzudrohen und der Gerichtsvollzieher zu ermächtigen, die Herausgabe des Kindes notfalls mit Gewalt durchzuführen (§ 44 Abs. 3 Satz 2 IntFamRVG). Die Regelung der weiteren Befugnisse gründet sich auf § 44 Abs. 3 Satz 3, 4 und 6 IntFamRVG.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 44 Abs. 1 Satz 5 IntFamRVG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 119 Abs. 6 Satz 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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