Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 21.08.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 151/2001
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 72 Abs. 3 S. 2
StGB § 67 d Abs. 1 S. 1
Werden im Urteil die Maßregeln der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus nebeneinander angeordnet, so darf die vorweg vollzogene Unterbringung in der Entziehungsanstalt zwei Jahre übersteigen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ws 151/2001

vom 21. August 2001

in der Strafvollstreckungssache gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 01. August 2001 aufgehoben, soweit die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt und der Verurteilte in den Vollzug einer anderen Maßregel überwiesen worden ist.

2. Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen zurückverwiesen.

3. Im Beschwerdeverfahren entstandene Kosten und Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Mit Urteil vom 08. Juli 1999 hatte das Landgericht Stuttgart gemäß § 72 Abs. 1 und 2 StGB die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil der Verurteilte an zwei beim Tatgeschehen wirksam gewordenen Erkrankungen litt, nämlich sowohl an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis als auch an einer Suchterkrankung im Sinne einer Polytoxikomanie.

Die Unterbringung in der Entziehungsanstalt wird seit 08. Juli 1999 entsprechend der Anordnung des Gerichts vorweg in der M. vollzogen.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit der angefochtenen Entscheidung nunmehr die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt und dem Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einem PLK angeordnet.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, die sich ausschließlich gegen den angeordneten Wechsel im Maßregelvollzug und nicht gegen die gleichzeitig erfolgte Ablehnung der Aussetzung der Unterbringung richtet, ist zulässig; die Unterbringung in einem PLK beschwert den Verurteilten stärker als diejenige in einer Entziehungsanstalt. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht Tübingen ordnete gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 den Vollzug der nächsten Maßregel an, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Vollzugs der Unterbringung zur Bewährung nicht vorliegen. Das Landgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwingend für erledigt zu erklären sei; denn die in § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB festgelegte Höchstdauer von zwei Jahren für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei nunmehr erreicht.

Diese sich auf den Wortlaut des § 67 d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StGB stützende Rechtsauffassung wird der hier gegebenen Besonderheit nicht gerecht, dass im Urteil die Maßregeln der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem PLK nebeneinander angeordnet worden sind; für die zuletzt genannte Maßregel sieht das Gesetz keine Höchstfrist für die Unterbringung vor. In einem solchen Fall tritt die Erledigung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aber nicht schon mit Ablauf der in § 67 d Abs. 1 Satz 1 bestimmten Höchstfrist von zwei Jahren ein mit der Folge, dass diese Maßregel nicht weiter vollzogen werden dürfte; denn die in § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB vom Gesetzgeber festgelegte Frist für die Dauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist keine für alle Fälle geltende, absolute Höchstfrist. Dies folgt schon aus der Regelung des § 67 d Abs. 1 Satz 3 StGB, wonach sich die Dauer der Höchstfrist um eine daneben angeordnete, freiheitsentziehende Maßregel verlängert, soweit die Zeit des Vollzugs dieser Maßregel - entsprechend der in § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB getroffenen gesetzlichen Bestimmung - auf die Strafe angerechnet wird. Die Höchstfrist der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die aus Rechtsgründen im Urteil selbst nicht eingrenzbar ist, wird in diesem Falle wesentlich durch die Höhe der daneben angeordneten Strafe bestimmt; sie kann die in § 67 d Abs. 1 Satz 1 bestimmte Frist von zwei Jahren beträchtlich übersteigen.

Aus der in § 67 d Abs. 1 getroffenen Regelung ergibt sich auch, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, wenn der erwartete Erfolg nach Ablauf von zwei Jahren nicht eingetreten ist, noch nicht unwiderleglich als gescheitert anzusehen und die Maßregel deshalb wegen Aussichtslosigkeit zu beenden ist. Nach dem Verständnis des Senats kann die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt deshalb - gleichermaßen wie bei einer im Urteil daneben angeordneten Strafe - über die Zwei-Jahres-Grenze fortdauern, wenn im Urteil selbst neben der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die - zeitlich unbegrenzte - Unterbringung in einem PLK angeordnet worden ist. Im Gegensatz zu den in § 67 a StGB geregelten Fällen, in denen erst im Maßregelvollzug (nachträglich) statt der im Urteil ursprünglich allein angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Unterbringung in einem PLK vollzogen wird, findet die Fortdauer der Unterbringung über die Zwei-Jahres-Grenze hinaus hier im Urteil selbst, das Vollstreckungsgrundlage ist, ihre Rechtfertigung.

Ihre zeitliche Begrenzung erfährt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in einem solchen Falle, in welchem sich eine absolute Begrenzung aus dem Gesetz selbst - anders als bei daneben angeordneter, zeitlich begrenzter Strafe - nicht ergibt, allein aus dem Zweck der Maßregel und dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Resozialisierung: Nach dem Rechtsgedanken des § 64 Abs. 2 StGB ist die Entziehungskur abzubrechen, wenn sie sich endgültig als aussichtslos erweist; wie sich aus § 67 a Abs. 1 StGB ergibt, kann und soll sie auch dann beendet werden, wenn die Resozialisierung des Täters durch den Vollzug der anderen Maßregel - Unterbringung zur Behandlung in einem PLK - besser gefördert werden kann unter der Voraussetzung, dass deren Zweck die Unterbringung noch erfordert (§ 72 Abs. 3 StGB).

Ob vorliegend die Entziehungskur fortgesetzt werden sollte oder nicht, hat die - vom Ablauf der Höchstdauer ausgehende - Strafvollstreckungskammer nicht geprüft und entschieden.

Der Stellungnahme der M. vom 06. Juli 2001 ist nicht deutlich zu entnehmen, ob die Fortsetzung der Entziehungstherapie, die offenbar zunächst durchaus erfolgversprechend verlaufen war, aber dann durch eine körperliche Erkrankung des Verurteilten unterbrochen worden war, erfolgversprechend ist oder nicht. Sollte die Fortsetzung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt besser oder auch gleichermaßen zur Weiterbehandlung geeignet sein, wäre ihr, weil sie die weniger beschwerende Maßnahme ist, der Vorzug zu geben, zumal auch der in § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB verankerte Grundsatz der Behandlungskontinuität hierfür spräche.

Da es an einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu dieser Frage gänzlich fehlt, die zunächst durch Einholung sachverständiger Auskünfte weiter abzuklären sein wird, hält der Senat die Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer zu neuer Prüfung und Entscheidung für zweckmäßig und geboten.

Ende der Entscheidung

Zurück