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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 17.02.2000
Aktenzeichen: 7 U 234/99
Rechtsgebiete: MBKT 94, VVG
Vorschriften:
MBKT 94 § 1 | |
MBKT 94 § 4 | |
VVG § 67 | |
VVG § 178 a |
Die Krankentagegeldversicherung ist Summenversicherung, da nicht der jeweilige konkrete Verdienstausfall versichert ist, sondern der abstrakte Bedarf, von dem angenommen wird, daß er bei Arbeitsunfähigkeit eintreten könnte. Ein Anspruchsübergang nach § 67 VVG findet daher nicht statt.
OLG Stuttgart 7. Zivilsenat
Urteil vom 17.2.2000
7 U 234/99 LG Tübingen, 3 O 198/99
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von ihr im Rahmen einer Krankentagegeldversicherung aufgrund eines Unfalls ihres Versicherungsnehmers erbrachte Leistungen von der Haftpflichtversicherung des Schädigers ersetzt verlangen kann.
Der Versicherungsnehmer L der Klägerin erlitt am 15.05.1998 einen Verkehrsunfall, den der Versicherungsnehmer Sch der Beklagten allein verschuldet hat. Herr L war aufgrund der beim Unfall erlittenen Verletzungen vom 15.05. bis 25.10.1998 arbeitsunfähig. Die Klägerin bezahlte ihm aufgrund des bestehenden Krankentagegeldversicherungsvertrags für die Zeit vom 26.06. bis zum 25.10.1998 insgesamt 14.030,00 DM Krankentagegeld (122 Tage á 115,00 DM). Für die ersten 42 Tage hatte Herr L entsprechend den dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und dem vereinbarten Tarif KTN, (wegen deren Einzelheiten auf die Anlagen K 2 a und K 2 b verwiesen wird) keine Versicherungsleistung erhalten.
Die bezahlten 14.030,00 DM Krankentagegeld will die Klägerin nunmehr von der Beklagten ersetzt haben.
Sie ist der Ansicht, aus übergegangenem Recht Erstattung ihrer Leistungen verlangen zu können. § 67 VVG sei über § 178 a Abs. 2 S. 1 VVG oder zumindest analog anwendbar, weil die Krankentagegeldversicherung im vorliegenden Fall der Schadensversicherung sehr weit angenähert sei. Insbesondere sei in Anlehnung an das Entgeltfortzahlungsgesetz eine 42-tägige Karenzzeit vereinbart und das vereinbarte Krankentagegeld gem. Ziff. 3.1 des vereinbarten Tarifs in Abständen von längstens zwei Jahren entsprechend der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen, wobei die Anpassungen rückwirkend widerrufen werden könnten, wenn das Krankentagegeld das Nettoeinkommen des Versicherten übersteige. Dazuhin sei es nicht angemessen, den Schädiger zu Lasten der privaten Krankenversicherer und Beitragszahler zu schonen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.030,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Rückgriff auf § 67 VVG sei ausgeschlossen wegen des Summenversicherungscharakters der Krankentagegeldversicherung, was sich darin zeige, daß nicht unmittelbar auf den konkreten Verdienstausfall abgestellt werde. Es gebe keine automatische Anpassung der Versicherungsleistung. Vielmehr sei sie grundsätzlich wie vereinbart auszubezahlen und könne bei niedrigerem Nettoeinkommen für die Zukunft reduziert werden. Auch seien die Prämien der Krankentagegeldversicherer auf der Basis kalkuliert, daß der Geschädigten neben den Krankentageldzahlungen Ersatzansprüche gegen den Schädiger verblieben.
Mit Urteil vom 09.08.1999 hat das Landgericht Tübingen die Klage abgewiesen. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird in vollem Umfang Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 18.08.1999 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 13.09.1999 eingelegten Berufung. Die Begründung ging am 13.10.1999 bei Gericht ein.
Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest und weist ergänzend darauf hin, der Gesetzgeber habe mit § 178 b VVG die Krankentagegeldversicherung als nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betrieben einordnen wollen. Die Tagegeldversicherung decke das Risiko des Verdienstausfalls bei Arbeitsunfähigkeit ab und nicht einen völlig abstrakten Bedarf. Im übrigen seien schon jetzt tarifliche Beitragsrückerstattungen vorgesehen und könnten die Prämien anders kalkuliert werden, wenn die Regreßmöglichkeit eröffnet würde.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Landgerichts Tübingen abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.030,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, daß das gesamte klägerische Vorbringen eine Abänderung der Entscheidung nicht rechtfertige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Gründe:
Die Berufung ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, abgewiesen. Der Klägerin steht der behauptete Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht nicht zu. Auch das gesamte Vorbringen der Klägerin in der Berufung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Krankentagegeldversicherung ist Summenversicherung (BGH VersR 76, 766 und 84, 690; OLG Köln VersR 94, 856; OLG Hamm VersR 96, 880 und 97, 862). Versichert ist nicht der jeweilige konkrete Verdienstausfall, sondern der abstrakte Bedarf, von dem angenommen wird, daß er bei Arbeitsunfähigkeit eintreten könnte.
Daran hat sich durch das Gesetz vom 21.07.1994, mit welchem §§ 178 a ff ins VVG eingefügt wurden, nichts geändert. § 178 a Abs. 2 VVG trifft keine Aussage darüber, ob eine Versicherung nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betrieben wird, sondern erklärt § 67 VVG lediglich für anwendbar, "soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird." Inwieweit dem so ist, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 178 b VVG nichts generell anderes. Zwar heißt es dort: "Dem Charakter der Tagegeldversicherung als einer nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betriebenen Summenversicherung entspricht es,...". Doch kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber die Tagegeldversicherung generell als nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betrieben einordnen wollte. Es ging nur darum, zu begründen, daß die Höhe der Versicherungsleistung wegen eines geringeren Einkommens auch unter der vereinbarten Höhe liegen kann, wie § 4 MBKT 94 bzw. der diesem entsprechende § 4 der hier vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen es vorsehen.
Diese Anpassungsmöglichkeit rechtfertigt keine Einordnung der Tagegeldversicherung als Schadensversicherung. Die Anpassung ist lediglich für die Zukunft möglich (§ 4 Abs. 4) und erfolgt nicht automatisch.
Einen solcher Automatismus enthält zwar Ziff. 3.1 des vereinbarten Tarifs KTN, der allerdings nur eine selbstverständliche Ausgestaltung von § 4 Abs. 2 MBKT 94 bzw. der vereinbarten Versicherungsbedingungen ist. Auf die Regelung in Ziff. 3.1 der Tarifbedingungen kann sich die Klägerin zur Untermauerung ihrer Argumentation nicht berufen. Dort geht es lediglich darum, daß wenn das Krankentagegeld aufgrund regelmäßiger automatischer tariflicher Leistungsanpassungen das Nettoeinkommen übersteigt, die Anpassungen zurückzunehmen sind. Es geht also nur um Leistungserhöhungen, die evtl. nicht zum Zuge kommen.
Schließlich ergibt sich für die von der Klägerin behauptete Einordnung der Tagegeldversicherung in den Bereich der Schadensversicherung nichts aus dem Umstand, daß tariflich wie bei der gesetzlichen Lohnfortzahlung, bei der es den Forderungsübergang für erbrachte Leistungen gibt, eine Karenzzeit vereinbart wurde. Die Karenzzeit ist für die Bewertung der Tagegeldversicherung als Summen- oder Schadensversicherung ohne Belang. Der Erwerbsschaden tritt beim Selbständigen sofort ein, ist also auch in der Karenzzeit vorhanden und vom Geschädigten beim Schädiger liquidierbar.
Alles in allem bleibt festzuhalten, daß die gesamte Argumentation der Klägerin die nicht vorhandene vollständige Kongruenz zwischen Schadensersatz und Krankentagegeld nicht zu überdecken vermag. Eine zwingende Notwendigkeit, diese Differenz durch eine Änderung der herrschenden Rechtsprechung zu überbrücken, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hätte bei entsprechendem Bedarf ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, korrigierend einzugreifen. Ebenso steht es der Klägerin frei, durch entsprechende Vereinbarungen das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Die aktuelle Prämienkalkulation beruht auf der derzeitigen Rechtslage und ist in diesem Rahmen in der Tagegeld- wie in der Haftpflichtversicherung angemessen. Ein Eingriff in das ausgeglichene System durch Änderung der Rechtsprechung ist nicht angezeigt.
Die Berufung war deshalb mit den sich aus §§ 97 Abs. 1, 706 Nr. 10, 711 ZPO ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.
Die Revision war dem Antrag der Klägerin entsprechend im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitfrage zuzulassen (§ 546 ZPO).
Ende der Entscheidung
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