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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 8 W 202/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3 |
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 8 W 202/07
22. Mai 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung; hier: Kostenfestsetzung
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin amm Oberlandesgericht Tschersic als Einzelrichterin gem. § 568 S. 1 ZPO
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 7. März 2007, Az. 3 O 250/05 III, betreffend die Kosten der zweiten Instanz, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 258,24 Euro
Gründe:
1.
Im Hauptsacheverfahren wegen Schadensersatzes in Form einer Vertragsstrafe aus einem Vertriebsvertrag schlossen die Parteien in der zweiten Instanz vor dem 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart am 20. September 2006 einen Kostenvergleich, wonach die Klägerin 67% und der Beklagte 33% der Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz zu tragen haben. Die Parteien nahmen ihre beiderseits eingelegten Berufungen zurück, worauf durch Beschluss des selben Datums der Klägerin 67% und dem Beklagten 33% der Kosten des Rechtsstreits in der zweiten Instanz auferlegt wurden.
Die Parteien reichten am 27. September 2006 (Beklagter) und am 19. Oktober 2006 (Klägerin) ihre Kostenfestsetzungsanträge ein, über die mit den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 7. März 2007 bezüglich der ersten Instanz (Nr. 1), berichtigt durch den Beschluss vom 21. März 2007, und bezüglich der zweiten Instanz (Nr. 2) entschieden wurde.
Die in Großbritannien ansässige Klägerin hatte in beiden Rechtszügen einen dortigen Rechtsanwalt als Verkehrsanwalt beauftragt sowie die Stuttgarter Anwaltskanzlei als Hauptbevollmächtigten. Von den beim ausländischen Rechtsanwalt angefallenen Kosten hat die Rechtspflegerin in beiden Instanzen lediglich die für einen deutschen Rechtsanwalt zu berücksichtigende Vergütung in Ansatz gebracht (1,0-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3400 RVG-VV: 646 €; Auslagenpauschale: 20 €; zuzüglich der in Großbritannien anfallenden 17,5% Mehrwertsteuer: 116,55 €; insgesamt: 782,55 €, von denen auf den Beklagten in jedem Rechtszug 33%, mithin 258,84 € = Beschwer entfallen). Die Klägerin hat die Kürzung in den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen hingenommen, während sich der Beklagte - wie bereits im Festsetzungsverfahren - gegen den Ansatz der Kosten des Verkehrsanwaltes, zumindest in Höhe der Mehrwertsteuer, wehrt. Er hat deswegen am 23. März 2007 gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Nr. 1 und Nr. 2, jeweils zugestellt am 12. März 2007, sofortige Beschwerde eingelegt und am 30. März 2007 auch gegen den Berichtigungsbeschluss vom 21. März 2007, zugestellt am 29. März 2007.
Die Klägerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und die Rechtspflegerin hat ohne Abhilfe die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
Gegenstand dieser Beschwerdeentscheidung ist der Kostenfestsetzungsbeschluss Nr. 2 vom 7. März 2007 bezüglich der Kosten der zweiten Instanz.
Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
a)
Die Vergütung des ausländischen Verkehrsanwalts ist gem. §§ 91 Abs. 1, 103 Abs. 1 ZPO in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts erstattungsfähig.
Die ausländische Partei darf nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1373) einem Verkehrsanwalt an ihrem Sitz oder Wohnort Mandat erteilen, der seinerseits einen inländischen Hauptbevollmächtigten beauftragen kann. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.03.2005 lag ein Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. April 2004 (Az. 8 W 234/03; veröffentlicht in NJW-RR 2004, 1581) zu Grunde, in dem dieser, auch insoweit vom Rechtsbeschwerdegericht unbeanstandet, ausgeführt hat, dass es nach gefestigter Senatsrechtsprechung für eine ausländische Partei in einem Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht regelmäßig als notwendig i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen sei, dass sie sich in jeder Instanz der Unterstützung eines Verkehrsanwalts bedient, wobei sie die Wahl hat zwischen einem Anwalt im Ausland oder einem deutschen Anwalt (JurBüro 1981, 870 = Justiz 1981, 316 (LS); Die Justiz 1984, 99 = JurBüro 1984, 593; ähnlich z. B. OLG Hamburg, MDR 2000, 664; OLG Dresden, JurBüro 1998, 144; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91 Rn. 13 "Ausländer"). Eine Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung ist dahingehend zu machen, dass der zuerst beauftragte inländische Rechtsanwalt, da er in seiner Postulationsfähigkeit nicht mehr beschränkt ist, auch wenn er seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, selbst vor Gericht auftreten kann, so dass die Kombination Prozessbevollmächtigter/Verkehrsanwalt oder Haupt- und Unterbevollmächtigter grundsätzlich nicht mehr erforderlich ist. Die Einschränkung gilt für die Kosten des zweiten inländischen Rechtsanwalts, nicht aber für den ausländischen Verkehrsanwalt, dessen Kosten i. S. des § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig sind, wenn seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geboten war. In diesem Fall greift der Grundsatz des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nach dem die Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Regelfall nur bis zur Höhe der Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten sind, nicht ein (BGH a. a. O., m. w. N.).
Die Klägerin hat dargelegt, dass die Einschaltung von Anwälten in Großbritannien erforderlich war, um die divergierenden Auffassungen der Parteien in die jeweils unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme eingliedern zu können. Anderenfalls wären verschiedene Besprechungstermine zwischen der ausländischen Klägerin und den Stuttgarter Hauptbevollmächtigten mit dem Anfall entsprechender Reisekosten erforderlich gewesen. An der Notwendigkeit der Einschaltung der Rechtsanwälte in Großbritannien i. S. des § 91 Abs. 1 ZPO besteht deshalb kein Zweifel.
Erstattungsfähig sind jedoch nur die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts (BGH a. a. O.; BGH NJW-RR 2005, 1732; OLG Stuttgart a. a. O.; OLG München NJW-RR 2004, 1508). Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
b)
Die von der Klägerin für ihren britischen Verkehrsanwalt aus dessen Vergütung in Ansatz gebrachte 17,5% Mehrwertsteuer, die von der Rechtspflegerin bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt wurde, ist entgegen der Auffassung des Beklagten erstattungsfähig.
Die Klägerin hat die Erklärung gem. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgegeben.
Dessen Neufassung durch das Kostenänderungsgesetz 1994 hat jedoch grundsätzlich nichts an der Rechtslage geändert, dass eine beim Rechtsanwalt im Verhältnis zu seinem Auftraggeber nicht anfallende Umsatzsteuer nicht erstattungsfähig sein kann. Die Bestimmung stellt auf die Umsatzsteuerpflicht des Auftraggebers als Voraussetzung ab, für die nunmehr eine formgerechte Erklärung über die Vorsteuerabzugsberechtigung genügt (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 104 Rdnr. 3b; BGH NJW-RR 2005, 363). Für die vorrangig zu prüfende Frage, ob beim Anwalt einer ausländischen Partei Mehrwertsteuer anfällt oder nicht, ist diese Neuregelung nicht einschlägig.
Andererseits soll das Kostenfestsetzungsverfahren gerade nicht mit der Überprüfung von Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden. Der durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingeführte § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO enthält deshalb den Grundgedanken der Entlastung des Kostenfestsetzungsverfahrens von schwierigen steuerrechtlichen Fragen und muss auch zur Anwendung kommen in ähnlich gelagerten Fällen, die ihrem Wortlaut nach nicht von § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO erfasst und auch nicht in derselben Häufigkeit auftreten wie der dort angeführte Fall, aber in ähnlicher Weise den Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens sprengen (vgl. hierzu BVerfG NJW 1996, 382; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 13 "Umsatzsteuer").
Der britische Rechtsanwalt hat in seinen Abrechnungen die Umsatzsteuer mit 17,5% in Ansatz gebracht.
Es kann dahinstehen, ob die Tätigkeit eines deutschen Anwalts für eine ausländische Partei in deren Heimatstaat einen steuerbaren Umsatz darstellen würde (§ 3a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 3 UStG). Denn der britische Rechtsanwalt hat seine Dienstleistung ausschließlich in Großbritannien erbracht, wo er auch nur umsatzsteuerpflichtig sein kann. Ob nach den britischen Umsatzsteuergesetzen seine Tätigkeit steuerbar ist und inwieweit eine Vorsteuerabzugsberechtigung des Auftraggebers besteht, ist nach den vorherigen Ausführungen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu überprüfen. Insoweit darf sich der Rechtspfleger auf den Ansatz der Mehrwertsteuer in der Kostenrechnung und die Erklärung gem. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO im Rahmen der Festsetzung verlassen.
Dass die ausländische Umsatzsteuer danach erstattungsfähig ist als notwendige Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO, wird auch vom OLG München (NJW-RR 2004, 1508 = JurBüro 2004, 380), dem sich der Senat anschließt, vertreten. Und der BGH nimmt seinerseits auf den Beschluss des OLG München in seinen Entscheidungen zur Höhe der Vergütung eines ausländischen Verkehrsanwalts ohne Einschränkungen Bezug (BGH NJW 2005, 1373 und NJW-RR 2005, 1732).
Die Reduzierung der Vergütung des ausländischen Anwalts auf die Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts ist als eine "Kappungsgrenze" zu verstehen und führt nicht zum Wegfall der Erstattungsfähigkeit einer Umsatzsteuer, die der ausländische Anwalt nach seiner Erklärung in seinem Heimatland abzuführen hat. Und nachdem das Kostenfestsetzungsverfahren von der Überprüfung schwieriger steuerrechtlicher Fragen entlastet werden soll, darf sich der Rechtspfleger, wie bereits ausgeführt, auf die Angabe der bestehenden Umsatzsteuerpflicht und die Erklärung gem. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlassen.
Der Beklagte ist deshalb mit seinem Rechtsmittel auch wegen der für den britischen Verkehrsanwalt in Ansatz gebrachten Umsatzsteuer nicht erfolgreich, so dass seine sofortige Beschwerde insgesamt mit der Kostenfolge von Nr. 1812 GKG-KV und § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen ist.
Ende der Entscheidung
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