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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 8 W 371/2000
Rechtsgebiete: ZPO, BHSG
Vorschriften:
ZPO § 850 f Abs. 1 lit. a | |
BHSG § 22 | |
BHSG § 76 ff. |
Beim Vergleich zwischen dem - von der Pfändung freigestellten - notwendigen Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und dem pfändungsfreien Betrag nach der Tabelle zu § 850 c ZPO ist der Bezug von Kindergeld zu berücksichtigen.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 8 W 371/2000 19 T 225/2000 LG Stuttgart 2 M 5118/99 AG Böblingen
vom 20. März 2001
In der Zwangsvollstreckungssache
wegen Einkommenspfändung,
hier: Erhöhung des pfandfreien Betrages
Gründe:
1. Die Gläubigerin hat das Arbeitseinkommen der Schuldnerin bei der Drittschuldnerin, das netto 1756,19 DM beträgt, gepfändet. Unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht für ihr ca. 10jähriges Kind ergibt sich aus der Tabelle zu § 850 c ZPO ein pfändbarer Betrag von monatlich 31,50 DM und ein pfandfreies Arbeitseinkommen von 1724,69 DM. Die Schuldnerin hat unter Vorlage einer Bescheinigung des Kreissozialamtes über den sozialhilferechtlichen Garantiebetrag nach § 850 f Abs. 1 ZPO beantragt, den unpfändbaren Betrag auf den dort ausgewiesenen Betrag von 1.922,11 DM heraufzusetzen. Das Vollstreckungsgericht hat den pfändungsfreien Betrag auf 1.914,80 DM festgesetzt.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht den Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben und den Erhöhungsantrag der Schuldnerin zurückgewiesen mit der Begründung, das von der Schuldnerin bezogene Kindergeld in Höhe von 250,-- DM (und das ihr gewährte Wohngeld) müssten bei der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs berücksichtigt werden. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde.
2. Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin ist nach §§ 793, 568 Abs. 1 S. 1 ZPO statthaft und auch nach § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, weil ein neuer selbständiger Beschwerdegrund gegeben ist.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Schuldnerin jedoch keinen Erfolg.
Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass beim Vergleich zwischen dem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf und dem pfandfreien Arbeitseinkommen, den das Vollstreckungsgericht zur Sicherung des Existenzminimums im Rahmen eines Antrags nach § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO vorzunehmen hat, sowohl das von der Antragstellerin bezogene Kindergeld als auch das Wohngeld als Beitrag zur Deckung des Sozialhilfebedarfs der Schuldnerin zu berücksichtigen ist. Dabei genügt es zur Entscheidung des vorliegenden Falles, allein auf den Bezug von Kindergeld abzustellen, so dass es auf die von der Schuldnerin geltend gemachte Kürzung des ebenfalls zu berücksichtigenden (vgl. Zöller / Stöber, ZPO 22. Aufl. 2001, § 850 f Rn 2 aE) Wohngelds nicht ankommt.
Es ist anerkannt, dass die sog. sozialhilferechtliche Garantiebescheinigung das Vollstreckungsgericht nicht bindet, sondern dass die Vollstreckungsgerichte den maßgeblichen Sozialhilfebedarf - im Rahmen der sozialhilferechtlichen Vorschriften - eigenständig zu ermitteln haben (zB OLG Köln JurBüro 1999, 606 = RPfl 1999, 548; NJW 1992, 2836 = OLGZ 1993, 371; LG Stuttgart RPfl 1990, 173; Stöber, Forderungspfändung, 12. Aufl., Rn 1186 a mwRsprNw).
Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat (zuletzt unveröff. Beschluss v. 7. 10. 1999 - 8 W 119/99), ist das der Schuldnerin zur Deckung des familiären Mindestbedarfs zufließende Kindergeld als Faktor, der den effektiven Sozialhilfeanspruch vermindert, zu berücksichtigen, jedenfalls dann, wenn die Garantiebescheinigung auch den Unterhaltsbedarf des Kindes (hier in Höhe von 421, 20 DM) umfasst (vgl. zB LG Köln JurBüro 1995, 103, 104 aE; Stöber, aaO, Rn 1105). Nachdem das an die Schuldnerin gezahlte Kindergeld gemäß §§ 76, 77 BSHG ihren effektiven Sozialhilfeanspruch mindert (vgl. § 22 Abs. 4 BSHG; BSGE 66, 63, 65f; Fichtner, BSHG (1999), Rn 1 zu § 76, Rn 5-7 zu § 77; Schellhorn / Jirasek / Seipp, BSHG 15. Aufl. 1997, Rn 45 zu § 2, Rn 28 zu § 76; Brühl in Lehr- und Praxis-Kommentar zum BHSG, 5. Aufl. 1998, Rn 40 zu § 77; Dienstanweisung (DA) zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs Nr. 74.3.1, Nr. 76.1), kann dies auch im Rahmen des § 850 f Abs. 1 ZPO nicht anders behandelt werden.
Der nach § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO (idF des Ges. v. 1. 4. 1992, BGBl I, 745) vorzunehmende Vergleich zwischen dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum und dem nach der Pfändungstabelle verbleibenden notwendigen Unterhalt (vgl. Senat NJWRR 1987, 758 = RPfl 1987, 207 = Die Justiz 1987, 188) würde verfälscht, wenn andere Sozialleistungen mit der Zweckbestimmung Unterhaltssicherung, die den effektiven Sozialhilfeanspruch verkürzen, unberücksichtigt bleiben müssten. Wäre die Auffassung des Amtsgerichts richtig, dass von der Schuldnerin tatsächlich bezogenes Kindergeld bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs unberücksichtigt bleiben müsste, würde der Schuldnerin mehr als der sozialhilferechtliche Bedarf verbleiben. Aus der zu § 850 d ZPO ergangenen Entscheidung des OLG Frankfurt (FamRZ 2000, 614 = NJW-RR 2000, 220) lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten.
Soweit das Landgericht die Ansicht von Stöber, im Rahmen des § 850 f Abs.1 sei anderes Einkommen nicht zu berücksichtigen (aaO Rn. 1176 i; vgl. auch Zöller / Stöber, Rn 2 zu § 850 f aA), hinsichtlich Kindergeld (und Wohngeld) als verfehlt ablehnt, tritt dem der Senat im Ergebnis bei; allerdings liegt dem möglicherweise insoweit auch ein Missverständnis zugrunde, denn dies steht nicht im Einklang zu anderen Ausführungen Stöbers zum Kindergeld (aaO Rn 1063 b, 1105 ff, Rn 1176 m).
Hier macht es für die Feststellung, dass der Schuldnerin über den Tabellenfreibetrag hinaus kein zusätzlicher pfandfreier Betrag zusteht, keinen Unterschied, ob der sozialhilferechtliche Garantiebetrag von 1914,80 DM um 250,-- DM auf 1664,80 DM vermindert oder das Einkommen (nach Pfändung) von 1724,69 DM auf 1974,69 DM erhöht wird.
Ende der Entscheidung
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