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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 8 WF 32/09
Rechtsgebiete: RVG-VV, RVG


Vorschriften:

RVG-VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4
RVG-VV Nr. 2300
RVG § 4
Die Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV ist nicht anzuwenden, wenn zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber für eine vorgerichtliche Tätigkeit wegen desselben Gegenstands wie im nachfolgenden Rechtsstreit eine Gebührenvereinbarung getroffen wurde. (Aufgabe von OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. September 2008, Az. 8 W 348/08; Anschluss an OLG Frankfurt AnwBl 2009, 310)
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 32/09

21. April 2009

In der Familiensache

wegen Trennungsunterhalt

hier: Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Tolk, der Richterin am Oberlandesgericht Tschersich und des Richters am Oberlandesgericht Grüßhaber

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 13.01.2009 dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten Kosten von 474,12 € weitere 281,24 € vom Beklagten an die Klägerin zu erstatten sind.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 281,24 €

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Klägerin auf die im Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr für ihre schon vorgerichtlich wegen desselben Gegenstands tätig gewesene Bevollmächtigte anrechnen lassen muss oder ob die Anrechnung wegen der getroffenen Gebührenvereinbarung nicht zu erfolgen hat.

Gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 06.11.2008 haben der Beklagte 60% und die Klägerin 40% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert wurde auf 17.572,56 € festgesetzt.

Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.01.2009 die Verfahrensgebühr wegen vorgerichtlicher Tätigkeit beider Bevollmächtigter jeweils um eine 0,65-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV/RVG in Höhe von je 393,90 € zuzüglich Umsatzsteuer mit dem Ergebnis gekürzt, dass der Beklagte der Klägerin 474,12 € an außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Die Klägerin hat gegen diese am 20.01.2009 zugestellte Entscheidung durch ihre Verfahrensbevollmächtigte am 03.02.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, sie habe mit dieser eine Gebührenvereinbarung dahin getroffen, dass deren vorgerichtliche Tätigkeit mit lediglich 300,-- € abgegolten werde. Da somit keine Geschäftsgebühr im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV/RVG angefallen sei, erfolge keine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr. Die Vereinbarung und die Abrechnung des Pauschalhonorars würden anwaltlich versichert. Allenfalls könne dieses hälftig angerechnet werden.

Der Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Er bestreitet die Vereinbarung einer Pauschalvergütung, die aber auch aus Rechtsgründen nicht zu seinen Lasten gehen könne.

Die Rechtspflegerin hat die Beschwerde ohne Abhilfe dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV/RVG erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 VV/RVG und ist damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht anwendbar, nachdem diese Möglichkeit in § 4 RVG von Anfang an vorgesehen war (OLG Frankfurt AnwBl. 09, 310; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., RN 33 zu § 4 RVG: jedenfalls für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung niedriger ist als die gesetzliche; Rick in Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., RN 12 zu § 4 RVG).

Eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung auf den Fall einer Honorarvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit ist nicht veranlasst.

Der Gesetzgeber hat die Anrechnung eines insoweit vereinbarten Honorars auf die Gebühr für eine spätere Tätigkeit in § 34 Abs. 2 RVG lediglich bei einer vorgerichtlichen Beratung vorgesehen, deren Vergütung regelmäßig durch Vereinbarung festzulegen ist. Die Anrechnung erfolgt hier jedoch nur, soweit nichts anderes vereinbart ist.

Für eine analoge Anwendung der Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV/RVG auf den Fall einer Gebührenvereinbarung für eine vorgerichtliche Tätigkeit sieht der Senat keinen Anlass.

An der in Übereinstimmung mit dem Bayerischen VGH (NJW 06, 1990 = AGS 07, 154) ergangenen Entscheidung des Einzelrichters des Senats (AGS 09, 512) wird nicht festgehalten.

2.

Nachdem eine Gebührenvereinbarung für die vorgerichtliche Tätigkeit auf Klägerseite durch anwaltliche Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht ist, ergibt sich folgende ergänzende Kostenfestsetzung:

Die von der Rechtspflegerin vorgenommene Anrechnung einer 0,65-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV/RVG von brutto 468,74 € entfällt. Berücksichtigt man die in dieser Höhe entstandene Verfahrensgebühr auf Klägerseite, so errechnet sich bei der Kostenquote des Beklagten von 60% ein ergänzender Erstattungsanspruch der Klägerin von 281,24 €.

Dieser Betrag war in Ergänzung des ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses zusätzlich zugunsten der Klägerin gegen den Beklagten festzusetzen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf Nr. 1812 KV/GKG und § 91 ZPO.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird unter Bezugnahme auf die o. a. Entscheidung des Bayerischen VGH zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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