Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 1 U 107/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO §§ 511 ff.
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 309 Ziff. 7
BGB § 249 Abs. 1 S. 1
BGB § 249 S. 2 a.F.
BGB § 250 Abs. 1 S. 2
BGB § 286
BGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 107/03

Verkündet am 15. Januar 2004

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 15. Juli 2003 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.730,44 Euro sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.2.2003 zu zahlen.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

V. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Streithelferin hat die Kosten der Nebenintervention zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufungen sind zulässig, §§ 511 ff. ZPO. Die Streithelferin hat zwar ihre Berufung gegen das ihr am 24.7.2003 zugestellte Urteil erst am 25.9.2003 und damit verspätet begründet (§ 520 Abs. 2 ZPO). Sie ist dennoch nicht als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin als einheitliche Rechtsmittel zu werten sind (vgl. BGH NJW 85, 2480). Das Berufungsvorbringen der Streithelferin ist zu berücksichtigen, soweit es nicht dem Sachvortrag der Beklagten widerspricht (§ 67 ZPO).

2. Die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin sind nur zu einem geringen Teil begründet. Die Beklagte haftet dem Kläger wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) auf Schadensersatz in Höhe von 9.730,44 Euro.

a) Nach den für den Senat gemäß §§ 529 Abs. 1,531 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts ist der Kläger am 19.10.2002 auf der zum Parkplatz der Beklagten führenden Rampe infolge Nässe und mangelnder Rutschfestigkeit des Belages gestürzt.

aa) Das Landgericht ist weder verfahrensfehlerhaft noch unter Verkennung der Beweislast zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger auf der Rampe gestürzt ist. Da der Kläger unstreitig in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der glatten (vgl. dazu unten) Rampe verletzt aufgefunden worden ist, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er dort infolge der Glätte gestürzt ist (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823, Rdnr. 168). Die Beklagte hat den Gegenbeweis nicht geführt.

bb) Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Rampe nicht hinreichend rutschfest war. Die Beklagte hatte in erster Instanz eingeräumt, dass die Rampe bei Nässe zu glatt bzw. rutschig war, wenn sie mit einer bestimmten Art von Schuhen begangen wurde. Auch die Streithelferin hat nicht geltend gemacht, die Rampe wäre (auch bei Nässe) für Fußgänger gefahrlos begehbar gewesen. Sie hat vielmehr darauf hingewiesen, dass die Rampe aufgrund der Steigung, der fehlenden Abgrenzung zur Fahrbahn und wegen des fehlenden Handlaufs für Fußgänger überhaupt ungeeignet gewesen sei. Eingehalten worden sei die Rutschfestigkeitsstufe R 11, wie sie für Parkdeckbeschichtungen vorgeschrieben sei.

Es kann dahinstehen, ob mit dem von der Beklagten beauftragen Sachverständigen ... davon auszugehen ist, dass nicht die Rutschfestigkeitsstufe 11 und nicht einmal die Stufe 9 erreicht war. Nach dem Parteivortrag in erster Instanz war jedenfalls unstreitig, dass die nach den Ausführungen des Sachverständigen ... für den Fußgängerverkehr erforderliche Stufe R 13 nicht eingehalten und die Rampe zur Begehung durch Fußgänger zumindest bei Nässe ungeeignet war. Soweit die Streithelferin in erster und zweiter Instanz durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt hat, dass der Sturz des Klägers nicht auf die Beschichtung zurückzuführen gewesen sei, da diese in jeglicher Hinsicht den Regeln der Technik und den Anforderungen an einen Parkplatzbelag entsprochen habe, musste und muss dem Beweisangebot nicht nachgegangen werden, da es nicht auf die generelle Eignung des Belages für ein Parkdeck, sondern für die Begehbarkeit der steilen Rampe ankommt und diese unstreitig nicht gegeben war. Da die Rampe zu glatt war, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger auch aus diesem Grund gestürzt ist. Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger aufgrund Unachtsamkeit gestürzt ist, ist das von der Streithelferin angebotene Sachverständigengutachten demgegenüber kein geeignetes Beweismittel.

b) aa) Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Sie hätte dafür sorgen müssen, dass die Rampe auch bei Nässe gefahrlos begehbar war. War ihr das nicht möglich, hätte sie die Rampe für Fußgänger sperren und einen anderen Ausgang vom Parkdeck eröffnen müssen.

Die Beklagte war nicht dadurch von ihrer Verkehrssicherungspflicht befreit, dass sie ihren Architekten bzw. die Streithelferin mit der Beseitigung des Mangels beauftragt hatte. Zwar ist grundsätzlich eine Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf einen Dritten möglich. Der. Verkehrssicherungspflichtige wird hierdurch jedoch nicht völlig entlastet. Er bleibt weiterhin zur Überwachung dieses Dritten verpflichtet und ist insofern neben diesem selbst noch verantwortlich (vgl. BGH NJW 76, 46; 85, 270; 99, 3633). Da die von der Beklagten Beauftragten nicht tätig geworden waren, war die Beklagte weiterhin verpflichtet, Parkplatznutzer vor Schaden zu bewahren.

bb) Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten hat auch dem Kläger gegenüber bestanden, da der Parkplatz für Kunden und für die Öffentlichkeit zugänglich war. Kunde kann in diesem Sinne auch ein Kaufinteressent sein, der letztlich nichts einkauft. Der Kläger hat belegt, dass er mehrfach Waren bei der Beklagten erworben hat. Selbst wenn er nur Parkplatznutzer gewesen wäre, wäre er in die Sicherungspflicht der Beklagten einbezogen gewesen, ohne dass es letztlich darauf ankommt, ob er insgeheim vorhatte, die Parkgebühr zu entrichten oder nicht.

c) Die Beklagte hat sich nicht durch Aushängung des Schildes "Auf eigene Gefahr" wirksam von ihrer Haftung freigezeichnet. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine formularmäßige Freizeichnung zumindest für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gegen § 309 Ziff. 7 BGB verstößt. Von grober Fahrlässigkeit der Beklagten, unter Umständen sogar von bedingtem Vorsatz, ist auszugehen, da der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten gewusst hat, dass die Rampe bei Nässe glatt war, und weder der Architekt noch die Streithelferin Sicherungsmaßnahmen ergriffen hatten.

d) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er hat sich auf den Einwand der Beklagten hin, er sei krankenversichert und die Forderung sei auf die Versicherung übergegangen, hinreichend substantiiert geäußert. Er hat nachvollziehbar angegeben, dass er als selbständig Tätiger nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sei und dass er zum Zeitpunkt des Unfalls auch nicht privat krankenversichert war. Dies deckt sich mit der Mehrzahl der vorgelegten Arzt- bzw. Krankenhausrechnungen, bei denen keine Versicherung als Kostenträger angegeben ist. Die Beklagte, die für den Ausnahmefall von der zunächst bestehenden Aktivlegitimation beweispflichtig wäre, hat das Gegenteil nicht bewiesen. Zudem wäre bei Bestehen einer privaten Krankenversicherung die Schadensersatzforderung nur auf die Versicherung übergegangen, wenn diese Zahlungen geleistet hätte (§ 67 Abs. 1 S. 1 VVG). Dass eine Versicherung Zahlung geleistet hat, ist weder vorgetragen noch bewiesen.

e) Der Kläger hat durch Vorlage der Rechnungen und Rezepte hinreichend belegt, dass die geltend gemachten Kosten ursächlich auf den Unfall vom 19.10.2002 zurückgehen. Den Rechnungen des Klinikums ... und der Professoren Dr. ... und Dr. ... sowie des PD Dr. ... ist zu entnehmen, dass der Kläger vom 19. bis 24.10.2002, vom 13.11. bis 21.11.2002 und am 6.12.2002 stationär u.a. wegen einer Fraktur mit Luxation und Innenbandruptur am linken Bein behandelt worden ist. Die Rechnungen des Sanitätshauses ... lassen sich dem Unfallgeschehen zwanglos zuordnen. Bezüglich der verschriebenen Arzneimittel hat der Kläger die Erforderlichkeit aufgrund der Sturzverletzungen plausibel erklärt.

Nicht hinreichend belegt sind allerdings die Taxikosten. Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sie wegen der erlittenen Verletzungen erforderlich waren, da der Kläger die einzelnen Fahrten bestimmten Anlässen nicht mehr zuordnen konnte. Der Klagebetrag ist daher um 69,40 Euro zu kürzen.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger könne nicht die Kosten einer privatärztlichen Behandlung abrechnen, greift nicht durch. Der Kläger ist und war nicht gesetzlich krankenversichert. Er konnte sich daher nur privatärztlich behandeln lassen. Die Kosten sind zu erstatten (vgl. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kapitel 52, Rdnrn. 6 u. 7). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass einzelne Rechnungspositionen überhöht waren oder sich nicht im Rahmen des medizinisch Gebotenen gehalten haben.

f) Der Zahlungsanspruch des Klägers ist nicht davon abhängig, dass er die Rechnungen bereits beglichen hat. Es ist kein Fall gegeben, in dem der Schaden in der Belastung des Geschädigten mit einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten liegt. Vielmehr kann der Kläger nach § 249 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 249 S. 2 BGB a.F. den zur Herstellung der Gesundheit erforderlichen Geldbetrag verlangen. Anders als bei Sachschäden ist die Ersatzpflicht bei Personenschäden zwar davon abhängig, dass der Geschädigte die Gesundheitsbehandlung vornehmen lässt oder zumindest lassen will (vgl. BGHZ 97, 14; Wussow a.a.O., Rdnr. 3). Der Schadensersatzanspruch ist jedoch in diesem Fall bereits begründet, bevor die Behandlung durchgeführt und bezahlt worden ist. Im übrigen wäre der Zahlungsanspruch des Klägers selbst dann gemäß § 250 Abs. 1 S. 2 BGB begründet, wenn der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit bestanden hätte, da die Beklagte ihre Einstandspflicht auch dem Grunde nach bestreitet und Fristsetzung gemäß § 250 Abs. 1 S. 2 BGB daher entbehrlich ist (vgl. BGH NJW-RR 87, 43).

g) Zutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Kläger müsse sich auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen, was er während der stationären Behandlung an Verpflegungaufwand erspart hat (vgl. Palandt a.a.O., § 249., Rdnr. 8; vor § 249, Rdnr. 141). Der Senat hält einen Betrag von 10 Euro pro Tag für angemessen. Für 11 Tage stationäre Behandlung (vgl. Rechnungen vom 26.11.2002 (Bl. 63); 19.11.2002 (Bl. 67 d.A.) und 31.12.2002 (Bl. 87 d.A.)) sind daher 110,-- Euro ersparte Aufwendungen anzusetzen.

h) Eine Ersparnis aufgrund Geltendmachung der Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Steuererklärung muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Zum einen hat die Beklagte weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass der Kläger tatsächlich Steuern erspart hat. Zum anderen konnte und kann der Kläger auch keine Steuerersparnis erlangen, da er keine außergewöhnlichen Belastungen zu tragen hat, wenn und soweit die Beklagte für die Unfallschäden haftet. Sollten dem Kläger tatsächlich Steuervorteile zugeflossen sein, wäre der Steuerbescheid zu berichtigen bzw. wären die dem Kläger von der Beklagten zu zahlenden Beträge als Einnahme zu versteuern (vgl. BGHZ 53, 132; Wussow a.a.O., Kapitel 32, Rdnr. 41; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kapitel 9, Rdnr. 35). Erlangte Steuervorteile würden so wieder ausgeglichen.

3. Der Ausspruch über die Zinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziff. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543. Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung befasst sich weder mit höchstrichterlich bislang noch nicht entschiedenen Rechtsfragen noch weicht sie von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

Zurück