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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 1 U 44/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 990
BGB § 989
BGB § 932 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 44/04

Verkündet am 29. Juli 2004

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 16. März 2004 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.248,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.06.2002 zu bezahlen.

III. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Einlösung eines von der Klägerin ausgestellten und ihr abhanden gekommenen Schecks.

Die Klägerin stellte am 28.05.2002 einen auf die Commerzbank bezogenen Verrechnungsscheck über 12.248,50 EUR für die als Scheckadressat aufgeführte italienische Firma ... in Mailand aus und versandte ihn am selben Tag dorthin mittels einfachem Brief.

Am Montag den 03.06.2002 wurde dieser auf nicht näher ermittelte Weise abhanden gekommene Scheck mit gefälschtem Indossament durch einen Nichtberechtigten bei einer Filiale der Beklagten in Aschaffenburg zur Gutschrift auf einem Gehaltskonto eingereicht, dass dieser dort am Freitag den 31.05.2002 unter Einzahlung von 50,-- EUR eröffnet hatte. Am 18.06.2002 hob der - mittlerweile mit Haftbefehl zur Festnahme ausgeschriebene - Scheckeinreicher 12.150,-- EUR vom Konto ab. Nach einem wegen dieses Schecks am 20.06.2002 von der Beklagten veranlassten Anruf bei der ...bank, auf die der Verrechnungsscheck bezogen war, stellte die Klägerin fest, dass der Scheck die Adressatin nie erreicht hat. Die Beklagte lehnte die Rückgängigmachung der Scheckbelastung des klägerischen Kontos ab.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Höhe des Scheckbetrages.

Hierzu hat die Klägerin in erster Instanz im wesentlichen vorgetragen:

Die Beklagte habe bei Hereinnahme des Schecks grob fahrlässig gehandelt. Dies folge aus dem Zusammenwirken zahlreicher Fallbesonderheiten, wie der Disparität zwischen Scheckeinreicher und der Scheckbegünstigten, dem Erscheinungsbild des Scheckeinreichers, der hohen Schecksumme, der erst kurz zuvor erfolgten Kontoeröffnung ohne Nachweis von Wohnsitz und Arbeitsstelle sowie der kurzen Frist zwischen Ausstellung und Einreichung des Schecks.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Bankgeschäfts und der im Massenverkehr mit Schecks eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten nicht grob fahrlässig gehandelt und den Scheck gutgläubig erworben habe. Die Disparität begründe angesichts nicht ungewöhnlicher Konstellation im internationalen Zahlungsverkehr keine erhöhte Prüfungspflicht. Die Dauer des Bestehens des Kontos und ein fester Wohnsitz in Deutschland seien nicht zu prüfen. Auch schließe sie nicht vom äußeren Aussehen eines Kunden auf dessen Vermögensverhältnisse. Das gefälschte Indossament sei als solches nicht erkennbar gewesen. Auch bestünde bei Erkundigungen im Außenverhältnis die Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zur Bank. Die praktizierte 14-tägige Auszahlungssperrfrist genüge als Sicherheitsvorkehrung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge sowie des Verfahrensganges in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils (Bl. 122 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 16.03.2004 der Klage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte habe infolge grober Fahrlässigkeit beim Erwerb des der Klägerin abhanden gekommenen Schecks und Auszahlung der Schecksumme an den nicht berechtigten Scheckeinreicher bewirkt, dass die Klägerin als Eigentümerin des Schecks die darin enthaltene Zahlungsanweisung nun nicht mehr geltend machen könne. Bei zutreffender Bewertung der Gesamtumstände und der daraus resultierenden Prüfungspflicht hätte der Klägerin auffallen müssen, dass sich der Scheckeinreicher unberechtigt in den Besitz des Schecks gebracht habe.

Bereits die offenkundige Disparität zwischen der begünstigten Firma in Italien und dem privaten Scheckeinreicher sei in Richtung eines abhanden gekommenen Schecks verdächtig gewesen, zumal es sich mit 12.248,50 EUR um eine sehr hohe Summe im Scheck gehandelt habe. Diese Einschätzung einer Überprüfungspflicht bei disparischen Schecks lasse sich auch aus der überwiegenden Anzahl von Rücklaufantworten der im Rahmen der Beweisaufnahme angeschriebenen Banken entnehmen. Hinzu komme, dass der Scheckeinreicher erst am Werktag vorher das Konto eröffnet, sich als Arbeiter bezeichnet und eine Arbeitgeberadresse nicht mitgeteilt habe. Eine andere Bank habe sich auch in einer vergleichbaren Situation am 19.06.2002 bei Hereinnahme eines von einer deutschen Firma für eine italienische Firma ausgestellten und - gefälscht indossierten - Schecks durch den selben Scheckeinreicher zur unverzüglichen Nachfrage beim Scheckaussteller veranlasst gesehen, wodurch das Abhandenkommen des Schecks und die Indossamentfälschung sofort erkannt und ein Schaden zu Lasten der Scheckausstellerin verhindert wurden. Eine solche Prüfungspflicht werde somit auch tatsächlich von Banken wahrgenommen.

Allerdings treffe die Klägerin bei der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden in Höhe von 50 %, da sie - unstreitig - bei Kontrolle der Belastungsbuchung habe erkennen können, dass der Scheck nicht über den Auslandszahlungsverkehr eingezogen wurde. Daher habe sie sich wenige Tage nach Versendung des Schecks bei der Empfängerin in Italien fernmündlich oder per Telefax erkundigen müssen, ob der Scheck dort überhaupt angekommen ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Die Beklagte begehrt mit ihrer Anschlussberufung vollständige Abweisung der Klage.

Die Klägerin trägt im wesentlichen vor, es sei - entgegen dem Urteil erster Instanz - nicht unstreitig gewesen, dass die Klägerin bei der Belastungsbuchung habe erkennen können, dass kein Auslandseinzug vorliegt. Im übrigen treffe die Klägerin kein Mitverschulden, insbesondere resultiere ein solches nicht aus der Chronologie der Ereignisse, nachdem die Versendung des Schecks am 28.05.2002 und die Belastung des Kontos der Klägerin am 05.06.2002 erfolgte. Auch aus den Kontoauszügen sei nicht ersichtlich, dass ein Inlandseinzug vorliegt. Eine Anrechnung eines Verschuldens der ...bank komme nicht in Betracht, da für diese kein Anlass zum Misstrauen bestanden habe.

Die Klägerin stellt daher den Antrag,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 16.03.2004 zu verurteilen, an die Klägerin weitere 6.124,25 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.06.2002 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei präkludiert mit ihrem Vortrag, sie treffe kein Mitverschulden weil der Inlandseinzug auf der Belastungsbuchung nicht erkennbar sei. Außerdem habe der kurze zeitliche Abstand zwischen der Ausstellung am 28.05.2002 in München und der Einlösung bereits am 03.06.2003 die Klägerin misstrauisch machen müssen.

Mit ihrer Anschlussberufung erstrebt die Beklagte ihrerseits Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und völlige Klageabweisung. Die Beklagte ist insoweit der Ansicht, das Landgericht habe aus der Beweisaufnahme eine falsche Schlussfolgerung hinsichtlich der Prüfungspflichten der Banken gezogen, so dass kein grob fahrlässiges Handeln der Beklagten vorliege. Verdachtsmomente hätten zunächst nicht vorgelegen, insbesondere bestehe keine Prüfungspflicht wegen des kurz zuvor eröffneten Privatkontos, da keine auffälligen Buchungen vorgelegen hätten.

Die Beklagte stellt daher den Antrag,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 16.03.2004 die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Präklusion unter Hinweis darauf, dass bereits in der Klageschrift ausgeführt worden sei, dass keine Anhaltspunkte für eine Fremdeinlösung vorlagen. Ein Mitverschulden sei nicht anzunehmen, da der zeitliche Ablauf aus Sicht der Klägerin für eine Einlösung des Schecks in Mailand gepasst habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 29.03.2004 (Bl. 130-139 d.A.) und vom 26.05.2004 (Bl. 154-156 d.A.) sowie der Beklagten vom 05.05.2004 (Bl. 147-153 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten sind statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 511 ff. ZPO).

II.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel der Klägerin als erfolgreich, während dem Anschlussrechtsmittel der Beklagten kein Erfolg beschieden ist.

1. Haftung der Beklagten dem Grunde nach:

Das Landgericht hat zu Recht eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz gemäß §§ 990, 989, 932 Abs. 2 BGB wegen grober Fahrlässigkeit beim Erwerb des der Klägerin abhanden gekommenen Schecks bejaht. Insoweit wird auf die in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in vollem Umfang Bezug genommen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten zur Anschlussberufung ist ergänzend auf folgendes hinzuweisen:

Es kommt hier nicht entscheidend darauf an, welche Schlussfolgerungen aus den Stellungnahmen der im Rahmen der Beweisaufnahme befragten Banken zum praktizierten Umfang der Prüfung bei Einreichung eines Schecks gezogen werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30.09.2003, XI ZR 232/02 = NJW-RR 2004, S. 45, 46) hat eine Bank trotz formeller Ordnungsmäßigkeit der Indossamentenkette zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit die sachliche Berechtigung des Einreichers zu prüfen, wenn Umstände nach der Lebenserfahrung den Verdacht nahe legen, der Scheck könne abhanden gekommen und vom Einreicher auf unredlicher Weise erlangt worden sein. Derartige Umstände liegen im vorliegenden Fall - wie bereits vom Landgericht zutreffend dargelegt - vor. Die Tatsache, dass der Scheck am 28.05.2002 auf eine Firma mit Sitz in Mailand ausgestellt war und bereits am 03.06.2002 bei der Beklagten vorgelegt wurde, dies durch einen Scheckeinreicher, der erst am Werktag vorher das Konto eröffnet, sich als Arbeiter bezeichnet und eine Arbeitgeberadresse nicht mitgeteilt hatte, musste in Verbindung mit der Höhe des Scheckbetrages der Beklagten Anlass geben, zur Überprüfung der Berechtigung des Scheckeinreichers eine - auch telefonische leicht mögliche - Anfrage an die Klägerin zu richten.

Nachdem die Beklagte dies grob fahrlässig unterlassen hat, hat sie der Klägerin auch den durch die Einlösung des Schecks entstandenen Schaden zu ersetzen.

2. Umfang der Haftung:

Das Landgericht hat in seiner Entscheidung - aus seiner Sicht konsequent - ein Mitverschulden der Klägerin aus dem Umstand hergeleitet, dass die Klägerin aus den Kontounterlagen habe erkennen können, dass kein Inlandseinzug vorlag, weswegen die Klägerin selbst Anlass zu Nachforschungen zum Verbleib des Schecks gehabt habe.

Aus den von der Klägerin nunmehr im Berufungsrechtszug vorgelegten Unterlagen ergibt sich aber, dass aus dem Kontoauszug (Anlage K7; Bl. 137 d.A.) die Tatsache des Inlandseinzugs gerade nicht erkennbar ist. Außerdem ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung der ...bank (Anlage K8; Bl. 138 d.A.), dass bei Schecks, die an Begünstigte im europäischen Ausland in Euro ausgestellt werden, nicht zwangsläufig eine Auslandsabrechnung erstellt wird. Die Klägerin ist mit diesem Vorbringen - welches in der Sache durch die Beklagte nicht bestritten wurde - auch nicht in zweiter Instanz präkludiert, nachdem die Klägerin bereits in der Klageschrift ausgeführt hatte, dass keine Anhaltspunkte für eine Fremdeinlösung vorlagen, so dass die in erster Instanz aufgestellte Behauptung der Beklagten, die Tatsache des Inlandseinzugs sei aus der Belastungsbuchung erkennbar, im Zusammenhang gesehen nicht ohne weiteres als unstreitig angesehen werden konnte.

Für die Klägerin bestand auch nach dem chronologischen Ablauf des Geschehens kein Anlass zu einer Nachprüfung, nachdem die Versendung des Schecks am 28.05.2002 erfolgte und die Belastungsbuchung eine Woche später am 05.06.2002 erfolgte, was bei normalem Postlauf und sofortiger Einlösung des Schecks im Bereich des Möglichen liegt.

Schließlich kann ein Mitverschulden der Klägerin auch nicht darin gesehen werden, dass sie den Scheck mit einfachem Brief versandt und ergänzende Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat und - worauf die Beklagte in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.07.2004 abstellt - einen Verrechnungsscheck verwendet hat statt eines Orderschecks oder eines Rectaschecks. Die diesbezügliche Rechtsfrage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 16.06.1998, XI ZR 254/97; BGHZ 139, 108-110) begründet es kein Mitverschulden am Abhandenkommen eines Schecks auf dem Postwege, wenn der Aussteller den Scheck mit einfachem Brief übermittelt. Danach entspricht angesichts der Massenhaftigkeit des Postverkehrs und der verschwindend geringen Zahl verlorengehender Postsendungen der Versand mit einfachem Brief jedenfalls dann noch der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass ein Scheck verschickt wird, wie es z.B. bei Fensterumschlägen der Fall sein kann. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass die Banken selbst den Postversand von Verrechnungsschecks mit einfachem Brief nicht als unüblich ansehen. Weder empfehlen sie ihren Kunden bei der Übermittlung selbst hoher Geldleistungen zur Verminderung des Missbrauchsrisikos die Verwendung von Orderschecks, noch warnen sie vor dem Postversand. Auch die Beklagte selbst hat nicht vorgetragen, dass dahingehende Empfehlungen von ihr selbst ausgesprochen würden. Ein Mitverschulden der Klägerin ist daher nicht feststellbar, so dass der Berufung der Klägerin in vollem Umfang stattzugeben war und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen war.

III.

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung befasst sich weder mit höchstrichterlich bislang noch nicht entschiedenen Rechtsfragen, noch weicht sie von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

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