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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 1 W 44/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BRAGO, RPflG


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1
ZPO § 522 Abs. 2 S. 2
ZPO § 522 Abs. 3
ZPO §§ 567 ff.
BRAGO § 26
BRAGO § 32
BRAGO § 32 Abs. 2
RPflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 W 44/04

Beschluss

des Einzelrichters des 1. Zivilsenats, des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 21. Juli 2004

in Sachen

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung;

hier: Kostenfestsetzung.

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 17. Mai 2004 dahin abgeändert, dass die von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 5.279,80 EUR festgesetzt werden, nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 20. April 2004.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.629,90 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die. Klägerin hat gegen die Beklagten in erster Instanz die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars ... aus ... vom 11.12.2000 (Urkunden-Nr. ...) geltend gemacht. Das Landgericht Aschaffenburg hat mit Endurteil vom 19.12.2003 der Klage stattgegeben. Gegen dieses ihnen am 05.01.2004 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 02.02.2004, beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangen am selben Tag, unbedingt Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 17.02.2004, bei Gericht eingegangen am. 18.02.2004, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Vertretung der Klagepartei in der Berufungsinstanz angezeigt und zugleich Zurückweisung der Berufung beantragt, unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen erster Instanz und die Gründe des angefochtenen Urteils. Mit Schriftsatz vom 27.02.2004, bei Gericht eingegangen am 01.03.2004, haben die Beklagten ihre Berufung begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 10.03.2004 unter Darlegung der Gründe gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass eine unverzügliche Zurückweisung der Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO beabsichtigt ist, da die Berufung nach derzeitiger Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg hat. Hierbei wurde den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 13.04.2004 eingeräumt. Dieser Beschluss wurde den Parteien am 17.03.2004 zugestellt, der Klägerin unter Beifügung einer Abschrift der Berufungsbegründung vom 27.02.2004. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 08.04.2004, bei Gericht eingegangen am selben Tage, ihre Berufungen zurückgenommen. Mit Beschluss des Senats vom 19.04.2004 wurden den Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Mit Beschluss vom 17.05.2004 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Aschaffenburg die von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf 2.649,90 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.04.2004 festgesetzt.

Maßgeblich für die Kostenfestsetzung in dieser Höhe war, dass das Landgericht Aschaffenburg die Anwaltskosten bei Verfahrensbeendigung nach § 522 Abs. 2 ZPO nur in Höhe einer 13/20-Gebühr gemäß § 32 Abs. 2 BRAGO nebst Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO als erstattungsfähig angesehen hat.

Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen angeführt, die Stellung eines Sachantrages sei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich gewesen, bevor die Klägerin Kenntnis von der Berufungsbegründung der Beklagten erlangt hatte. Nachdem der Klägerin "vor Berufungsbegründungseinlegung" (gemeint wohl: mit Zustellung der Berufungsbegründung) der Hinweis des Senats nach § 522 Abs. 2 ZPO übermittelt wurde, habe es die der Klägerin obliegende Pflicht zur sparsamen Prozessführung geboten, von dieser erhebliche Kosten auslösenden Prozesserklärung zunächst abzusehen und den weiteren Fortgang des Verfahrens abzuwarten, da ihr zu einer eventuellen, eine andere Beurteilung rechtfertigenden Stellungnahme der Berufungsführer ohnehin rechtliches Gehör hätte gewährt werden müssen.

Gegen diesen ihr am 01.06.2004 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.06.2004, beim Landgericht Aschaffenburg eingegangen am 08.06.2004, Beschwerde eingelegt, mit der sie die Erstattung der vollen Prozessgebühr (13/10-Prozessgebühr) begehrt. Zur Begründung beruft sie sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.10.2003 (JurBüro 2004, S. 196 f.).

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 07.07.2004 hat das Landgericht Aschaffenburg der sofortigen Beschwerde unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und hat die Akten dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch in vollem Umfang begründet. Die Anwaltskosten der Klägerin sind trotz Verfahrensbeendigung nach § 522 Abs. 2 ZPO in Höhe einer 13/10-Gebühr zu erstatten, da es sich bei den durch den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung handelt, auch wenn dem Berufungsgegner zugleich ein Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO mitgeteilt wird.

a) Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits nur insoweit zu tragen, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Zwischen den Parteien besteht - im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, JurBüro 2003, 257) und des Senats - Einigkeit darüber, dass die Berufungsbeklagte nach Einlegung der Berufung einen Anwalt mit der Rechtsverteidigung beauftragen durfte und nicht die weiteren Entschließungen des anwaltlich, vertretenen Berufungsklägers abwarten musste.

Streit besteht zwischen den Parteien lediglich darüber, ob die durch den Sachantrag der Klägerin auf Zurückweisung der Berufung angefallene volle Gebühr von 13/10 erstattungsfähig ist, oder ob gemäß § 32 BRAGO nur die halbe Prozessgebühr von 13/20 erstattungsfähig ist. Solange eine Berufungsbegründung nicht vorlag, war der Sachantrag der Klägerin auf Zurückweisung der Berufung nicht notwendig i.S. des § 91 Abs. 1 ZPO, da in diesem Stadium noch nicht absehbar war, ob überhaupt die Berufung tatsächlich durchgeführt werden würde. Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob die Berufung - wie hier - unbedingt eingelegt wurde oder nur vorsorglich fristwahrend. Eine sinnvolle Antragstellung und Begründung des Antrags kann durch den Berufungsgegner erst dann erfolgen, wenn ihm die Gründe der Berufung auch bekannt sind. Nachdem im vorliegenden. Fall der Antrag auf Zurückweisung der Berufung mit Schriftsatz vom 17.02.2004 gestellt wurde und damit vor der mit Schriftsatz vom 27.02.2004 eingereichten Berufungsbegründung, ist diese (verfrühte) Antragstellung - zunächst - nicht als notwendig i.S. des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen.

b) Anders stellt sich die Rechtslage jedoch nach "Einreichung der Berufungsbegründung durch die Beklagten dar. Mit der Einreichung der Berufungsbegründung und deren Zustellung an die Klägerin war es aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei nunmehr angezeigt, sich gegen das Rechtsmittel zu verteidigen und hierzu einen Sachantrag zu stellen. Damit sind auch ab diesem Zeitpunkt die durch den - verfrühten - Antrag auf Zurückweisung der Berufung angefallenen Anwaltsgebühren als notwendige Kosten i.S. des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen. Die Tatsache, dass der Antrag auf Zurückweisung der Berufung zunächst verfrüht gestellt war, rechtfertigt, keine andere Beurteilung, da sich die Rechtsverteidigung im Nachhinein als notwendig erwiesen hat und kein schützenswertes Interesse des Berufungsführers besteht, die verfrühte Antragstellung als solche zu sanktionieren. Auch wäre es bloße Förmelei, in einem solchen Fall eine erneute Antragstellung nach Zustellung der Berufungsbegründung zu verlangen. Der Berufungsführer darf auch im Falle einer verfrühten Antragstellung des Berufungsgegners nicht besser gestellt werden als er stünde, wenn keine verfrühte Antragstellung erfolgt wäre und der Zurückweisungsantrag nach Zustellung der Berufungsbegründung gestellt worden wäre.

c) Eine andere Beurteilung der Sachlage rechtfertigt sich auch nicht deswegen, weil zusammen mit der Zustellung der Berufungsbegründung auch der Hinweisbeschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO mitgeteilt wurde. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (JurBüro 2004, 196 f.), der sich der Senat anschließt, muss der Berufungsbeklagte mit der Stellung eines Sachantrages nicht abwarten, bis das Berufungsgericht über eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO entschieden hat. Der Berufungsbeklagte hat nämlich nach Begründung des Rechtsmittels ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. An einer Entscheidung im Beschlusswege hat der Berufungsbeklagte nicht nur wegen der damit regelmäßig verbundenen Beschleunigung, sondern auch wegen der durch § 522 Abs. 3 ZPO angeordneten Unanfechtbarkeit ein besonderes Interesse. Anderenfalls müsste der Berufungsbeklagte bis zu einer Antragstellung und Erwiderung zunächst die Terminierung abwarten, wodurch ihm die Chance genommen würde, in seinem Sinne auf die Entscheidung des Gerichts nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO einzuwirken. Der Hinweis des Gerichts gibt nur eine vorläufige Auffassung des Gerichts wieder, eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege ist bei seiner Erteilung nicht sicher. Der Berufungsbeklagte muss daher auch nicht zunächst abwarten, ob der Berufungsführer seine Berufung zurücknimmt oder ob das Gericht die Berufung entsprechend der geäußerten Auffassung zurückweisen wird.

d) Demzufolge war die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg vom 17.05.2004 insoweit abzuändern, als nicht die volle Prozessgebühr von 13/20 bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten angesetzt wurde. Der von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattende Betrag beläuft sich, somit - wie beantragt - auf 5.279,80 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der mit dem Rechtsmittel erstrebten Erhöhung des Kostenerstattungsbetrages.

V.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 574 ZPO), da die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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